Weltumsegler Manfred Jabbusch knapp dem Tode entronnen. von Marianne Jabbusch
Am
24. April 2011 startete die SY EVA in Richtung Azoren – ihrem geplanten ersten
Stopp nach 2700 Seemeilen. Aber schon nach 4 Tagen und gesegelten 1000 Meilen
fielen der für so lange Reisen unbedingt nötige Autopilot, sowie das
GPS-System aus. Manfred und Heinz brachen erst mal die Reise ab und fuhren 310
Meilen zurück nach New York Harbour, dem nächstgelegenen Nothafen, um dort in
der Atlantic Highlands Marina alles reparieren zu lassen. Zwei
Tage segelte EVA bei schlechten, aber trotzdem nicht beängstigenden
Wetterbedingungen. Am Abend des zweiten Tages refften Manfred und Heinz
die Segel zur Nacht bis auf ein Minimum. Damit konnte EVA bei den
sechs bis sieben Windstärken raumschots mit
fünf bis
sechs Knoten gut segeln, ohne das Schiff zu sehr zu belasten. Um 07.30Uhr am frühen Morgen des 10. Mai muss das Schiff vermutlich von einer Monster- oder auch Riesenwelle, genannt "Freak Wave" getroffen worden sein. Zu diesem Zeitpunkt waren beide Segler unter Deck. Heinz hatte Freiwache und schlief in der Achterkoje. Manfred hatte die Frühwache von fünf bis acht Uhr. Er war gerade vom Cockpit in den Salon gestiegen und machte am Navigationstisch Eintragungen in das Logbuch, als eine See das Schiff vollkommen überraschend mit geradezu gigantischen Kraft und infernalischem Lärm traf. Die EVA wurde derart auf die Seite geschmettert, dass der Kiel offensichtlich nach oben zeigte.
Durch den Kopfstand wurde alles im Schiff umher - von unten nach oben und zurück
- gekehrt. Nichts blieb an seinem Platz, weder die Bodenbretter noch der riesige
Salontisch, der Computer samt Drucker, das Geschirr, die Inhalte der Kühlschränke,
Lebensmittel und Bücher. Alles flog durch die Gegend und mittendrin Manfred. Er
wurde bei seinen Flügen durch den Salon offensichtlich von einigen Gegenständen
hart getroffen und fand sich, kurzzeitig bewusstlos, auf den umher
geschleuderten, durchnässten Matratzen liegend wieder, die auf dem Boden im
Salon gelandet waren.
Durch die Zerstörungen wurde auch der Cockpitboden aufgerissen. Massenweise drang Wasser in die Kabine von Heinz ein. Dort wachte der, völlig überrascht, in Salzwasser untergetaucht auf, wusste gar nicht, was passiert war und dachte zu Tode erschrocken „Nun hat mein letztes Stündlein geschlagen“. Glücklicherweise hat er den Tauchgang unverletzt überlebt. Als
Heinz in den Salon kam, fand er den vor Schmerz schreienden Manfred vor, der
bewegungslos und total durchnässt am Salonboden lag. Auf den ersten
Blick war mit schweren Verletzungen, Brüchen oder gar einer Lähmung zu
rechnen. Der
gebrochene Mastteil hing mit Vorstag und Großbaum backbord im Meer. Mit jeder
Welle krachte er gegen den Rumpf und drohte jeden Moment ein Leck in ihn zu
schlagen. Der Maststumpf zermalmte mit jeder Welle mehr und mehr das Deckshaus.
Die elektrischen Geräte sowie die Bilgenpumpe funktionierten alle nicht mehr,
da die Batterien teilweise unter Wasser standen. Mit jeder Welle drangen
hunderte Liter Wasser in das Schiff. Von
fünf GPS-Geräten hatte eines überlebt, dazu das UKW-Funk-Handgerät und das
Satellitentelefon, welches zum Glück in seiner Aufhängung trocken geblieben
war. Damit konnte Manfred wenigstens kommunizieren.
EVA
trieb nunmehr auf 39°20.16’N und 068°58.266’W, ca. 300 Meilen östlich New York
und 150 Meilen südlich Cape Cod. Manfred
rief dann über das Iridium-Handy den Eigner in Deutschland an, der sofort den Notruf an die
Seenotrettungsstelle in Bremen (MRCC) weitergab. MRCC-Bremen koordinierte nun
alle notwendigen Maßnahmen, alarmierte die für diese Position zuständige
amerikanische Küstenwache und stand dann auch mit Eduard, dem Eigner und mir in
ständigem Kontakt. Manfred konnte in der Wartephase, aus dem treibenden Schiff,
sogar direkt mit mir, wiederum übers Satelliten-Handy telefonieren – was mich und alle anderen beruhigte. Um
15.30 Uhr erhielten Manfreds Angehörige und ich, die wir am Telefon ausharrten, endlich die erlösende Nachricht, dass ein Flugzeug der Coast Guard die EVA
gesichtet und Kontakt aufgenommen hatte. Kurze Zeit später, gegen 16.10 Uhr,
traf der Rettungs-Hubschrauber der Coast Guard an der Unfallstelle ein. Wind und
Wellen hatten noch zugelegt, die Sicht war durch den vom Golfstrom aufsteigenden
Nebel sehr begrenzt. Unter diesen schwierigen Umständen, weit draußen von der
Küste entfernt , wurde Officer Randy Rice, Rettungsschwimmer und Chef der
Rettungsmannschaft, zum Schiff herabgelassen und kam an Bord der EVA. Mit seiner
Hilfe wurden beide Segler in einem gefährlichen, aber sicher durchgeführten
Manöver an einem Seil mit einem Rettungskorb an Bord des Helikopters gehievt.
Für die Rettungscrew und die Schiffsbesatzung war nichts mehr zu tun, schließlich mußte bei der weiten Entfernung zur Küste der Treibstroff für einen 2 Stunden langen Rückflug reichen. So mußte das schwer zerstörte, manövrierunfähige Schiff unbemannt treibend auf dem Atlantik zurückgelassen werden - eine schwere Entscheidung für Skipper Manfred und Heinz. Sie sahen die EVA unter sich auf dem offenen Atlantik treiben, während der rettende Hubschrauber abdrehen musste. Einen Transponder auf das Wrack abzusetzen, um die treibende Yacht später wieder aufzufinden, war der Helibesatzung wegen des knapp werdenden Treibstoffs nicht mehr möglich. Die
Gedanken von Manfred, als sich der Hubschrauber von der Unfallstelle entfernen
mußte und er unter sich die havarierte EVA sah, lassen sich in diesem Augenblick von jedem Segler
nachempfinden: „Da treibt sie, das schmerzt und es tut weh, schließlich ist
ein Schiff für einen Segler wie eine Geliebte. Muss man sie verlassen, denkt
man an die schönen Stunden mit ihr und will sie am liebsten wieder zurück.“
Die Coast Guard-Ambulance brachte die beiden stark unterkühlten Segler in das Falmouth-Hospital, wo sie sofort bestens versorgt wurden. Heinz bekam trockene Sachen und Manfred wurde gründlich untersucht. Die Verletzungen waren Gott sei dank weniger schlimm als befürchtet. Insbesondere waren keine Lähmung oder ernsthafte Verletzungen am Rückgrat festzustellen. Aber die schmerzhaften Prellungen am ganzen Körper erinnerten noch tagelang an die Katastrophe. Dass
gleich danach ein Ansturm von Presse und Fernsehen auf die beiden losging,
erleichterte Manfred und Heinz ganz offensichtlich das Verkraften aller
Ereignisse, denn beim immer wiederholenden Erzählen konnten sie das fürchterliche
Erlebnis zu „verarbeiten“ beginnen. Drei
Tage später traten sie den Rückflug von Boston über Dublin nach München bzw.
Wien an – sehnsüchtig von allen erwartet. und http://m.merkur-online.de/lokales/fuerstenfeldbruck/segler-oberbayern-riesenwelle-erfasst-1262197.html |