Blackout auf unserer Langfahrtyacht?


Die private Stromherstellung ist jetzt in Kriegszeiten ein großes Thema; die Menschen hierzulande haben Angst davor, dass kein Strom mehr aus der Leitung kommt. Und spätestens da sollten auch wir uns mehr Gedanken um die Stromversorgung auf unserer Langfahrtyacht machen. Denn den Strom "aus der Steckdose" kriegen wir am Ankerplatz ebenfalls nicht. Wir haben auch kein Hausdach, das wir mit einer PV-Anlage" (= PhotoVoltaik) bepflastern könnten.

Dabei wird kaum einer sein Haus an Land vollkommen vom Strom aus der Dose unabhängig machen können, er muss vielmehr seinen selbst produzierten Strom ins Netz einspeisen. Die Schwierigkeiten, ohne Netz zu leben, sind also schwerlich in den Griff zu bekommen. Genau aber vor diesem Problem stehen wir an Bord. Dabei ist die Lösung einfach, sie heißt: Viel selbst produzierten Strom speichern - und wenig verbrauchen!

Wie? Hören wir auf einen Praktiker auf der Weltumsegelung mit fünfköpfiger Familie. Stéphane ist seit Jahren und zigtausend Seemeilen autark mit seinem Kat unterwegs. Seine Worte haben deshalb besonderes Gewicht. Bitte bei der Planung einer Langfahrtyacht zu Herzen nehmen und nicht glauben, man könne das selber besser!


Strom an Bord der Olena

Guten Tag Bobby

ich schreibe dir von Mackay Australien wo wir auf unserem Weg nach Süden gerade halt machen, nachdem wir nach Townsville hoch gesegelt sind.

Ich möchte meinen ”Senf” zur Solarfrage von Ann Merfarth - hier! - beitragen. Wohlgemerkt aus Erfahrungen in den letzen fünf Jahren auf der Barfussroute und vielen Reparaturen/Modifikationen die ich bei andern Yachties erledigt habe, um ihnen aus der Patsche zu helfen.

Nach wie vor ist "genügend Energie und Süsswasser" ein Hauptthema und für ein schwimmendes Zuhause wird es auch in Zukunft so bleiben..

Fangen wir mal beim grössten Stromfresser Kühlschrank und Tiefkühler an. Praktisch alle luftgekühlten Agregate haben einen Rohrkondenser und nicht einen tropentauglicher Lamellenkondeser. Die Kühlspezialisten in Martinique freuen sich jedes Jahr im Dezember/Januar wenn die Europäer in der Karibik ankommen und deren Bier nicht mehr kühl wird. Nunmehr eine neue tropentaugliche Anlage verbauen - der Yachty ist grad mal um 1500 Euro erleichtert worden.

Die Kabelquerschnitte sind meistens auch zu knapp und dann gibt es Hersteller, die das Kühlaggregat unter dem Kühlschrank verbauen. Die Abwärme vom Aggregat heizt dann munter den Kühlschrank auf. Das Aggregat, (Kompressor mit Kondenser) erzeugt locker 50°C Abwärme! Selbst bei einer nahezu perfekten Installation läuft das Kühlaggregat in den Tropen 40 Minuten pro Stunde! In seltenen, für den Yachtie glücklichen Fällen wurden wassergekühlte Aggregate verbaut, aber auch diese sind nicht wartungsfrei. Auf meinem Katamaran mit Baujahr 2001 wurden zwei wassergekühlte Anlagen und eine luftgekühlte Anlage verbaut. Ein besonderer Energievernichter ist die Entsalzunsanlage. Süsswasser ist in den Tropen viel wichtiger als Mann/Frau zu Hause denken. Immerhin haben wir Temperaturen von 30-35 °C fast über das ganze Jahr!

Bei mir auf der OLENA bin ich auf einen Diesel-Generator angewiesen, weil die nunmehr 21-jährige Entsalzungsanlage 2.5Kw bei 230 V schluckt und unser Tauchkompressor 3.0 Kw bei 230V. Bei der 5Kg Wäschemaschine, kann ich eine 40°C Wäsche locker von den Batterien via Inverter betreiben. Bei der 60°C Wäsche ist die Spitzen-Belastung auf meine Batteriebank zu Hoch.

Unten die PV-Anlage des Steg-Nachbars: Ein junges Paar die diese knapp 30 jährige Bavaria 37 erstanden haben und aus finanziellen Gründen eine 600-WP-Anlage (= Watt zum besten Tagespunkt) mit verschiedenen Restposten Paneelen aufgebaut haben. Zu beachten dass jedes Paneel einen eigenen Regler hat, da deren Leistungswerte nicht identisch sind. Das wichtigste, sie können ihren Energie- Bedarf grösstenteils abdecken.

Auf einem 40- bis 45-Fuß-Schiff mit einer Zweier-Crew kann man mit einer belüfteten Solar-Anlage mit mindestens 600 Watt Spitze einigermassen autark leben. Wobei aber die Installation, Kabelquerschnitte und Solarregler schon Spitze sein müssen, sonst kommt die produzierte Sonnen-Energie nur reduziert in die Batterie. Dazu sollte die Spannung der Solaranlage zum Regler 45 - 60 Volt gleichstrom betragen, um den bestmöglichen Ertrag zu erzielen.

Was vielfach auch vergessen wird:, in den Tropen ist es ab 18 Uhr dunkel und die Solarproduktion beträgt etwa 10 Stunden pro Tag. Also nicht wie im europäischen Sommer 14 Stunden.

Es wird aber immer eine alternative Enerieerzeugung an Bord sein müssen und die günstigste Variante ist der Honda Jockel, EU22 oder EU30.

Noch ein Wort zu den Verkäufern: Deren Auftrag ist es, Umsatz zu generieren und Aufträge reinzuholen. Die wenigsten von denen sind mal über einen Ozean gesegelt oder haben gar längere Zeit auf einer Yacht gelebt. Sie haben diesbezüglich wenig bis gar kein Wissen, wie es auf Langfahrt zu und hergeht. Und zu deren Vorteil wird der eventuell falsch beratene Kunde zwar erzürnt sein, doch auf der anderen Seite des Ozeans und während der Gewährleistungszeit wird er selten zurückkommen und im Starthafen sein, um dem lieben Verkäufer auf die Finger zu klopfen.

Ich habe viele traurige Beispiele gesehen, wo Eigner einen sehr hohen fünfstelligen Betrag in Auftrag gegeben haben, um das ”floating Home” für Langfahrt aufzurüsten und das Resultat nicht dem Bedarf entsprochen hat.

Es gibt so eine alte Weisheit was das wichtigste auf einer Langfahrtyacht ist: An erster Stelle steht die Crew! Und an zweiter Stelle kommt dann der Autopilot oder eine Windsteuerung.

Nebenbei eine Aktualität von der Australischen Ostküste: Die Marinas verlangen ausnahmslos(!) jetzt eine Bootshaftpflicht von mindestens 10 Millionen Dollar! Ansonsten fliegt man raus. Also die Zeiten, wo jemand mit einem kleinen günstigen Schiff und minimaler oder fehlender Versicherungsdeckung hier geduldet war, sind vorbei.

Dringend empfohlen allen ernsthaften deutschsprachigen Langfahrt-Skippern!

Stéphane

Der Ertrag meiner PV-Anlage: Der beste Tagesertrag lag bei 5.9 Kw. Ich muss dazu erwähnen, dass ich immer noch eine Blei Batteriebank habe von 880 Amp. Mit einer Lithium Batteriebank könnte ich wohl einen Tagesertrag von über 6 Kw erzeugen.

Anmerkung Bobby Schenk: Um diesen "gewaltigen" Ertrag eines ganzen Tages, der zum Beispiel auf einem Einrumpfschiff mangels Platz nie erreichbar wäre, zu relativieren: Damit könnte man die kleinste Haushalts-Air-Condition oder, nicht und, einen Heizlüfter laufen lassen - und zwar immerhin drei Stunden lang - sonst gar nichts!

Nachtrag vom Skipper der Olena Stéphane:

GutenTag Bobby,
Aktueller "Energie news" von einem Segelkollegen der mit seiner 55" Benetau soeben über den Atlantik ist.
1'200WP PV auf dem Targabügel, 400WP semiflex auf dem Vordeck, 1'000Amp Lithium Bank, 2 Inverter/Charger.
> 3er Induktionskochfeld mit Umluftbackofen, 300lt/Std. Entsalzer, 2 Kühlschränke, 1 Freezer. Und dann noch Bordelektrik/Elektronik. So etwa wie an Land im Häusle oder Wohnung gewohnt wird.

Auf meine Frage "wie er Energie-Technisch über den Atlantik kam":

Hier seine ehrliche Antwort

"Keine Chance mit Solar durch zu kommen...täglich 2 Stunden Generator".

Erstens hat die Produktion auf 3.8kw abgenommen und ist jetzt durch den höheren Sonnenstand auf 5kw angestiegen. Kochen backen...Spätzli machen, Rostbraten, Wienerschnitzel mit pommes....wir haben sehr aufwendig gekocht. 3 Herdplatten plus Backofen, 150 ltr Wasser täglich... Zeitweise hatte ich Spitzen von 7.4kw und die inverter haben das locker weggesteckt. Und alles hat einwandfrei funktioniert. .... Liebe Grüsse von Frazer Island."



Strom an Bord- Problemlösung auf der SY HABIBY

Weltumsegler Knut Kähler, Eigner der 54-Fuß-Yacht HABIBY, hat eine Zusammenstellung der Elektro-Performance auf seiner Yacht geschickt. Das ist insofern bedeutsam, weil Knut auf dieser Webseite eine Serie (wohl ein der ersten zu diesem Thema überhaupt) geschickt hat, in der er genau beschreibt, wie er seine Yacht auf Lithium-Batterien umgerüstet hat. Diesen Artikel finden Sie hier.

Das sehr ansehnliche Ergebnis dieser nicht sehr einfachen Arbeit kann man nun in dieser PDF-Datei nachlesen.

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