Das Herz einer Yacht - die Lithium-Batterie?

Im Artikel über die Energieversorgung auf Yachten - siehe hier! - hab ich mich über die weitgehend ungelösten Problem der Energiegewinnug und vor allem deren Speicherung auf Langfahrt beklagt. Das sind große Schwierigkeiten beim Blauwassersegeln, was den Weltumseglerträumern meist erst so richtig bewußt wird, wenn Sie sich von der heimatlichen Steckdose entfernt haben. Nicht anders ergangen ist es Kerstin und Hans, die jahrelang wie alle Weltumsegler - logisch - mit diesen Problemen belastet waren und so viele Gelegenheiten hatten, über eine Lösung solcher Schwierigkeiten nachzudenken. Ihre Erkenntnisse sind für alle Fahrtensegler lehrreich. - B.S.


LITHIUM – Die Batterie für Segler 

von Kerstin Pieper und Hans Schubert (Weltumsegler) 

Jeder Yachteigner kennt das Problem: Nach ein paar Jahren intensiver Nutzung werden die Intervalle zum Laden der Batteriebank immer kürzer und das Aufladen dauert immer länger. Der Kühlschrank muß über Nacht ausgeschaltet werden, und das Kabinenlicht wird immer schwächer bis es nur noch flackert. Die Ursache ist schnell gefunden – die alten Batterien sind verbraucht und müssen ersetzt werden!

In dieser Situation überlegen sich immer mehr Schiffseigner die Anschaffung von LITHIUM Batterien als Ersatz für die alten Blei-Säure Batterien. Was ist bei der Umrüstung auf LITHIUM Batterien zu beachten, was sind die Vor- und Nachteile der modernen Batterie-Technologie und vor allem, was kosten die neuen „Kraftwerke"?

LITHIUM LiFePO4 – Die Vorteile für Segler

LITHIUM Batterien begleiten uns überall im Alltag. Die meisten mobilen Geräte, ob Smartphone, Tablet oder Notebook, verfügen über eine moderne LITHIUM Batterie. Ohne diese Technik ist unser mobiles Leben nicht mehr vorstellbar; denn die liebgewonnenen „Spielzeuge“ haben einen enormen Strombedarf, welcher nur durch ausdauernde und schnell zu ladende Batterien gedeckt werden kann.

Tatsache ist aber auch, dass gerade in letzter Zeit LITHIUM-Akkus (auch in Autos oder Handies von Weltfirmen) äußerst negative Schlagzeilen in der Presse und im Internet gemacht haben, indem von kaum löschbaren Bränden, meist nach schwerer mechanischer Beschädigung die Rede war. Viele wird dieses Risiko abschrecken, auf LITHIUM-Batterien in der Yacht um- oder aufzusteigen. Andere gewichten das Risiko anders, indem sie auf die hohe Unwahrscheinlichkeit eines solchen Unglücks abstellen. Das wird jeder für sich ganz individuell entscheiden müssen. Ohne dieses Risiko sind die Vorteile von LITHIUM-Batterien gegenüber den üblichen Bleibatterien, wie sie bis jetzt auf Yachten zu Hause waren, unübersehbar:

Schnelle Ladefähigkeit

LiFePO4 Batterien vertragen sehr hohe Ladeströme und können in sehr kurzer Zeit geladen werden. Dies kommt uns Seglern zugute, da wir an Bord oft Strom im Überfluss haben wenn Motor oder Generator laufen, wir danach aber wieder eine längere Zeit mit der gespeicherten Energie der Batterien auskommen müssen.

LITHIUM Batterien können innerhalb von 1-3 Stunden nahezu voll aufgeladen werden; Blei-Säure Batterien brauchen hingegen 10 Stunden und mehr! 

Hohe Entladeströme

LITHIUM Batterien können nicht nur fast bis zur angegebenen Kapazität entladen werden; sie vertragen auch hohe Entladeströme. Blei-Säure-Batterien dürfen regelmäßig nur bis zu 50% bis 60% ihrer Kapazität entladen werden ohne Schaden durch die sog. Tiefentladung zu nehmen.

Bei LITHIUM stehen 80% – 90% der Leistung zur Verfügung. Damit verdoppelt sich nahezu die zur Verfügung stehende elektrische Kapzität! Wer elektrische Verbraucher wie Mikrowelle, Wasserkocher oder Waschmaschine mit Hilfe eines leistungsfähigen Inverters am Ankerplatz betreiben möchte, kommt an LITHIUM Batterien ohnehin nicht vorbei!

Geringes Gewicht

Ein weiterer Vorteil ist das deutlich geringere Gewicht von LiFePO4 Batterien. Sie haben eine bis zu 60% geringeres Gewicht als vergleichbare Blei-Säure Batterien. Deshalb wurden LITHIUM Batterien auch zuerst von Regattaseglern eingebaut; denn in diesem Bereich ist Gewicht ein wichtiges Argument. 

Lage unabhängig – 100% wartungfrei

Ähnlich wie AGM Batterien sind LiFePO4 Batterien lageunabhängig und zu 100% wartungsfrei. Darüberhinaus können die Batterien im Winterlager problemlos mehrere Monate eingelagert werden. Die Selbstentladung beträgt nur 1-3% pro Monat! 

Temperaturstabil

Die meisten LiFePO4 Batterien können in einem großen Temperaturbereich eingesetzt werden. Hierbei wird zwischen Lagerung, Entladung und Ladung unterschieden. Bei Lagerung und Entladung beträgt der Temperaturbereich -20°C bis +65°C. Beim Laden unterscheiden sich die LITHIUM Batterien; je nach Einsatzbereich gibt es Batterien welche auch unter 0° C geladen werden können. Normalerweise sollten die modernen „Energiebündel“ aber nicht bei Minustemperaturen geladen werden!

 Lebensdauer 10 bis 20 Jahre (3.000 – 5.000 Zyklen)

Normale Blei-Säure Batterien können nur 300 bis 600 mal voll entladen und wieder aufgeladen werden bevor ihre Leistung deutlich einbricht. Völlig anders bei LiFePO4 Batterien: Diese Batterien können 3.000 – 5.000 Zyklen durchlaufen bis ihre Leistung auf 80% sinkt. Praktisch bedeutet dies eine 10-fache Energieausbeute bzw. eine 10 mal längere Lebensdauer. Vermutlich muß ein Yachteigner - solange er sein Boot besitzt - nur einmal eine LITHIUM Batteriebank kaufen!

Hohe Sicherheit

Die hier angesprochenen LiFePO4 Batterien sind anscheinend die sichersten LITHIUM Batterien auf dem Markt. Ein „Explodieren“ oder „unlöschbare Brände“ gelten bei diesem Batterietyp als nahezu unmöglich. Der bestandene „Nageltest“ deutet darauf hin: Hierbei wird ein großer Metallstift durch das Gehäuse der vollgeladenen Batterie gerammt ohne dass es zu einem sog. „Thermal Runaway“ kommt – soll beweisen, daß sich diese Technologie auf dem gleichen hohem Sicherheitsniveau bewegt wie herkömmliche Blei-Säure Batterien.

Trotzdem sollten sich Eigner vor dem Einbau einer LITHIUM Batterie über mögliche Risiken informieren und den Einbau einem Spezialisten überlassen! 

BMS – Batterie Management System

Im Zusammenhang mit LITHIUM Batterien taucht regelmäßig der Begriff „Batterie Management System“ (BMS) auf. Damit moderne LITHIUM Batterien alltagstauglich sind, müssen die verbauten Zellen geschützt werden vor falscher Behandlung. Das BMS sorgt dafür, daß die Betriebsparameter der Batterien eingehalten werden. Man unterscheidet zwischen in einzelne Batterien integrierte BMS und externe BMS für eine gesamte Batteriebank.  

Welche Aufgaben erfüllt ein Batterie Management System?

Überlastschutz
Das BMS schaltet die Batterie-Ausgänge bei Überlastung ab, um die Zellen zu schützen. Die Batterie hat zu diesem Zeitpunkt keine Spannung; nach Abschluss des Verbrauchers entsperrt sich die Batterie selbst.

Tiefentladeschutz
Jede Zelle wird einzeln auf Tiefentladung überwacht. Tritt dadurch eine Abschaltung der Batterie-Ausgänge ein, kann diese nur wieder durch einen Ladevorgang freigegeben werden.


Überpannungsschutz
LiFePO4 Batteriezellen dürfen nicht über 3,65V/Zelle und 14,6V/Batterie aufgeladen werden, da sonst die Zellen durch Überspannung zerstört werden.
Deshalb dürfen zum Laden der LiFePO4-Batterien nur geeignete Ladegeräte mit einer Ladeschlussspannung von 14,6V verwendet werden.

Aktives Zellen Balancing
Das sogenannte Balancing sorgt dafür, das jede einzelne Zelle auf die maximale Lade- schlussspannung von 3,65V/Zelle geladen wird. Dies ist wichtig bei maximaler Entnahme der Batterie-Kapazität. Sind die Zellen ganz leer, können diese etwas driften und ungleich werden. Dieser Zustand lässt sich durch normales Laden nicht angleichen. Somit hätte die Batterie mit der Zeit immer weniger Kapazität. Abhilfe schafft hier der eingebaute aktive Balancer, welcher zu jeder Zeit die Zellen angleicht. Der aktive Balancer sorgt für maximalen Wirkungsgrad unabhängig vom Ladezustand der Batterie.

Ladekontrolle
Durch das BMS werden zu jeder Zeit alle Parameter einer zuverlässigen und sicheren Ladung überwacht und gesteuert. Bei auftretenden Problemen wird die Ladung durch Abschaltung der Batterie-Ausgänge gesperrt, um die Batterie zu schützen.

Temperaturschutz der Zellen
Alle LiFePO4 Zellen in der Batterie werden einzeln durch einen Temperaturfühler zu jeder Zeit überwacht. Schaltet die Batterie ab, weil die Zellen über 70°C erreicht haben, müssen diese zuerst wieder Abkühlen bis das BMS den Ausgang wieder frei gibt


Temperaturschutz BMS
Auch das BMS selbst wird durch einen Temperaturfühler permanent überwacht. Erreicht das BMS eine Temperatur von 95°C werden die Batterie-Ausgänge abgeschaltet.

Kurzschlußsicherheit

Bei einem Kurzschluss schützt das BMS die Batterie vor Zerstörung und schaltet die Batterie-Ausgänge ab. Wenn der Kurzschluss beseitigt ist, schaltet die Batterie automatisch wieder ein, insofern nicht der Temperaturschutz aktiv ist.


Batterie Monitor

Zwar schützt das oben beschriebene BMS die LiFePO4 Batterien vor nahezu allen denkbaren Schäden; jedoch ist ein Batterie-Monitor zusätzlich notwendig um den Ladezustand der Batterie zuverlässig abzulesen. Liefert bei Blei-Säure Batterien ein Voltmeter einen Hinweis auf den Ladezustand, funktoniert dies bei LiFePO4 Batterien nicht. Dies liegt daran, daß die Spannung bei LITHIUM Batterien während der Entladung nahezu gleich bleibt und erst am Ende abfällt.

Ein moderner Batteriemonitor ist deshalb notwendig; idealerweise hat dieser Monitor bereits eine spezielle Einstellung für LiFePO4 Batterien. Die Kosten für einen solchen Monitor belaufen sich auf 150,-- bis 200,-- Euro. Ideal sind Monitore mit eingebautem Bluetooth oder WLAN; dann kann mit Hilfe einer App die Batterie bequem über das Smartphone kontrolliert werden.

Kosten von LiFePO4 Batterien

Hauptargument gegen LITHIUM Batterien waren bisher die hohen Kosten.Die Preise für LiFePO4 Batterien haben sich in den letzten Jahren jedoch kontinuierlich nach unten bewegt. Momentan (Herbst 2019) kosten 100 Ah LITHIUM Batterien mit integriertem BMS 800,-- bis 1.200,-- Euro. Hierfür bekommt man qualitativ hochwertige LITHIUM Batterien mit integriertem BMS in handelsüblichen Größen für eine schnelle und einfache Umrüstung. Diese LITHIUM Batterien können 1:1 gegen die bisher vorhandenen Blei-Säure Batterien ausgetauscht werden.

Eine kostspielige Umrüstung weiterer Komponenten entfällt meist; die bisherigen Ladegeräte können meist in der Stellung „Bleisäure“ weiter benutzt werden, auch wenn Ladegeräte mit spezieller LiFePO4 Kennlinie (CC-CV) vorzuziehen sind. 

Fazit: LiFePO4 Batterien können günstiger als Bleisäure-Batterien sein, wenn nicht nur die Anschaffungskosten betrachtet werden, sondern die o.g. Vorteile während der langen Betriebsdauer ebenfalls berücksichtigt werden!

Praxisbeispiel: Umrüstung auf einer kleineren Segelyacht von einer 200 Ah-Batteriebank  auf LiFePO4  

Die Batteriebank der Yacht bestand aus zwei älteren parallel geschalteten 120 Ah AGM-Bleisäure Batterien. Beide Batterien hatten nach fünf Jahren regelmäßigen Gebrauchs ihr Lebensende erreicht und mussten ausgetauscht werden. Auf der Suche nach geeigneten LITHIUM-Batterien wurde der Eigner auf eine in München ansäßige Spezialfirma aufmerksam. Dieses Unternehmen bot eine qualitativ hochwertige, preisgünstige erscheinende LiFePO4-Marine-Batterien mit integriertem BMS in handelsüblichen Gehäusegrößen an. Die angebotenen 100-Ah-LITHIUM Batterien hatten dieselbe Größe wie die beiden auszutauschenden 120 Ah Bleisäure Batterien.

Es wurde noch ein VICTRON BMV-712 SMART Batteriemonitor VICTRON BMV-712 SMART eingebaut; lediglich die Einstellung der Parameter für LiFePo4 Batterien dauerte ein wenig. Dies lag an den sehr vielen einstellbaren Parametern des Monitors. Vorteilhaft hierbei war die Programmierung des Monitors über die App am Smartphone.

Die vorhandenen IUoU-Batterieladegeräte (Landstrom und Solarregler) wurden beide mangels spezieller LiFePO4 Kennlinie auf der Einstellung „Bleisäure“ belassen.

WARNUNG: Nach unseren Erfahrungen darf die Umrüstung auf LITHIUM BATTERIEN nur von technisch versierten Eignern eigenständig durchgeführt werden. Die Installationshinweise der Batterie-Hersteller müssen peinlich genau eingehalten werden. Im Zweifelsfall sind die Arbeiten durch einen professionellen Bordelektriker durchzuführen!

Die hohen Lade- und Entladeströme von LITHIUM Batterien erfordern entsprechende Leitungsquerschnitte, und bei jedem Schiff muss die gesamte Elektrik darauf hin überprüft werden. 

Nach nun mehr zwei Jahren intensiver Benutzung der LiFePO4 Batteriebank stellen wir fest: Die Umrüstung auf LITHIUM hat alle Erwartungen erfüllt, und vor allem die kurzen Ladezeiten und die enorme Energieausbeute sind beindruckend! 

Jeder Eigner sollte vor dem Kauf neuer Batterien die LITHIUM Technik für seine Yacht in Betracht ziehen. Mit Hilfe eines kompetenten Bordelektrikers lassen sich diese neuen Batterien verhältnismäßig einfach und sicher installieren.

LITHIUM Batterien sind aufgrund ihrer vielen Vorteile sehr gut zur Stromspeicherung an Bord einer Segelyacht geeignet und die Kosten sind deutlich gesunken. 

Fragen an: Kerstin Pieper & Hans Schubert (www.kpym.de) - pieperkerstin@gmx.de,  - Telefon 0176-390 969 25

 Hinweis: Nach Abschluß ihrer erfolgreichen Weltumsegelung mit dem Katamaran „Cinderella“ beraten die beiden Autoren dieses Artikels fachkundig zukünftige Fahrtensegler rund um deren Segelprojekte. Spezialisiert sind sie auf Mehrrumpfschiffe.

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Dieser Artikel ist in der zwanzigjährigen Geschichte der Webseite der meistgelesendste Beitrag ever! Das beweist, dass das angesprochene Problem sehr vielen Eignern von Fahrtenyachten unter den Nägeln brennt. Nach Erscheinen dieses Artikels erreichten uns bedenkenswerte Leserbriefe zu dem angesprochenen Problemkreis, die hier wiedergegeben werden.

Page by Bobby Schenk,
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