Erlebnisbericht für Freunde der Weltumsegler (19)

Nachfolgendes Schreiben an die Freunde von Weltumsegler Britta und Michael (Who-is-Who-im-Weltumsegeln) muß ohne Bilder vom Südseeparadies, den abgelegenen Gambier-Inseln in Französisch Polynesien, auskommen. Die Vera ist nämlich dort gestrandet, wo selbst das Internet nicht mehr erreichbar ist. Es kann also nicht mehr so locker mal ein ausführliches Mail mit angehängten vollen, prächtigen Bildern oder gar kurzen Videos in die Heimat geschickt werden. Dass trotzdem ein sehr aufschlussreicher, wenngleich auch deprimierender Bericht zu mir nach Deutschland gelangte, ist ihrem Satellitentelefon zu verdanken, über das, nämlich Iridium, sie schon vor langer Zeit auf dieser Webseite berichtet haben - siehe Iridium in der Praxis.

Iridium dient nicht nur zum Telefonieren in ein normales Telefonnetz überall auf der Welt, sondern notfalls auch zur Datenübertragung, also auch zum Empfangen und Senden von Emails. Aber: Die Daten, werden so langsam und damit so kostspielig gesendet, dass Bilder das Bordbudget sprengen würden. Zum Vergleich: Nachfolgender Bericht besteht ungefähr aus 16 Kilobyte, ein einziges halbspaltenbreites, ziemlich runterkomprimiertes Bild, also in mieser Qualität, schon aus ungefähr dem Vierfachem. Wegen der langen Übertragungsdauer ist dann auch noch die Gefahr sehr groß, dass die Datenverbindung während der Datenübertragung abbricht und das Ganze von vorne begonnen werden muss.

Den Mangel an Bildmaterial können wir sicher verschmerzen, denn die Informationen über die im Moment wortwörtlich hoffnungslose Situation für Yacht und Besatzung ist desillusionierend und etwaige schöne Südseebilder müssten ohnehin in den Hintergrund treten. Denn die Realität für Schiff und Besatzung ist die, dass es keinen Weg zur Rückkehr, aber auch keinen zum Bleiben gibt. Schließlich befinden sie sich nicht etwa im recht nahen Westindien, wo zahlreiche andere deutsche Yachten gestrandet sind und wo mit einer einzigen Alantiküberquerung Europa und damit die Heimat erreicht werden kann. Eine wahrlich scheinbar ausweglose Situation.

Nachfolgender Bericht möge auch zum Nachdenken darüber anregen, wie Blauwasseryachten in Zukunft ausgerüstet werden sollten, um für eine längere Zeit der Isolation das Überleben zu gewährleisten....


SY VERA - Coronas Gefangene

Hallo Ihr Lieben,

Wir waren gestern nach drei Wochen in der Wildnis kurz in Rikitea, dem Hauptort der Inselgruppe Gambier in Französisch Polynesien. Internet gab es nicht. Wir konnten bei Phillipe, dem elsässischen Brioche Bäcker allerdings kurz unsere e-mails herunterladen. Da war einiges von Euch dabei. Gerüchte und einige Infos über die Situation in Europa haben wir ja von Euch bekommen. Über mehr wären wir immer dankbar!

Zur Situation hier:

Die gute Nachricht zuerst: Bis heute sind die Gambier-Inseln Corona frei. Sämtlicher Flug- und Schiffsverkehr (bis auf das Versorgungsschiff aus Papeete das alle 4-Wochen Nahrungsmittel und Brennstoffe bringt) ist eingestellt. Die Chancen stehen also recht gut, das dies so bleibt.

Ursprünglich wurden den Einwohnern von Gambier und damit auch uns Seglern am 21.03.2020 zwei behördlich verordnete Quarantäne/Ausgangsperre-Wochen auferlegt, was also bis zum 05.04.2020 gelten sollte. Das bedeutet an Land: Ausgangssperre, Atemmasken, kein Verkauf von Alkohol, keine Gruppenbildung. Für Segler: Theoretisch dürfen wir das Boot nur für wichtigste Besorgungen verlassen und benötigen dann ein entsprechendes Antragsformular. D.h. das nicht nur Spaziergänge an Land verboten sind, sondern auch Kayak oder SUP fahren, schnorcheln, schwimmen etc. In Tahiti oder in Hiva-Oa in den Marquesas wird das so hart ausgelegt, das man das eigene Boot garnicht verlassen und maximal 5 m vom eigenen Boot entfernt schwimmen darf. Kontakte zu anderen Booten nur über Funk. Kein Wechsel des Ankerplatzes erlaubt. Also alles recht unangenehm.

Beim Einkaufen hatten wir schon vor der Ausgangssperre das Problem, das man uns kein Gas verkaufen wollte, obwohl vorhanden. Yachten, die Diesel benötigten gingen ebenfalls leer aus. Zum Glück hat uns Phillipe, der elsässische Brioche Bäcker, eine volle Gasflasche besorgt, unter dem Vorwand, dass sie für ihn sei. Der Anblick der überall getragenen Gasmasken fühlte sich in diesem Tropenparadies einigermaßen absurd und menschenfeindlich an.

Zum Glück wurden hier in den Gambier Inseln bald Gerüchte laut, das die Gendarmerie das Auslaufen von Yachten auf die Ankerplätze des Archipels nicht verhindern würde. Man war wohl froh über jede Yacht die nicht vor dem Hauptort liegt und dort die Angst der Einheimischen vor dem Virus schürt.

Wir sind dann einfach in die Wildnis ausgelaufen, ungestört und ohne Ärger zu bekommen. In einer einsamen Bucht der Insel Taravai, einem absoluten Paradies unter wiegenden Kokospalmen, mit weißem Strand, warmem Wasser und gesundem Riff mit Millionen von Fischen lagen auch gute Freunde, die uns schon seit Chile uns begleiten. In dieser Konstellation blieben wir drei Wochen liegen. Den verbotenen Strandspaziergang haben wir trotzdem gemacht. War ja niemand da, der das kontrollieren würde und ein schlechtes Gewissen hatten wir nicht. Funkkontakt zu anderen Booten hatten wir nicht, oder kaum. Zwischenzeitlich erfuhren wir von einer Verlängerung der Ausgangssperre auf den 15.4., kurz danach auf den 29.04. Nach drei Wochen wir dann zurück nach Rikitea gesegelt, hauptsächlich um einzukaufen. Dort erfuhren wir von einer weiteren Verlängerung der Quarantäne / Ausgangssperre nunmehr bis zum 11.05.2020, also weitere vier Wochen. Das wären dann inzwischen schon etwas über sieben Wochen insgesamt.

Diese Regeln hat sich wahrscheinlich ein Bürokrat in Paris für ganz Frankreich und damit auch für die Überseedepartements ausgedacht. Hier in Gambier, wo es ja bis heute keinen Corona Fall gibt, wirkt das ganze reichlich deplatziert. Zeitgleich mit der Ausgangssperre wurde u.a. auch der Alkoholverkauf verboten, damit die lokale Bevölkerung ihren Kummer nicht ertränken kann.

Wir sind es ja gewohnt auf engem Raum und im Vergleich zu den meisten Menschen recht isoliert zu leben. Die abermalige Verlängerung der Maßnahmen zerrt nun allerdings auch an unseren Nerven. Ein längerer Spaziergang über die Hauptinsel, wo es nicht nur dichten Urwald, sondern auch schmucke Wanderwege gibt, würde uns sehr gut tun. Wir haben das Boot ja quasi seit Valdivia kaum verlassen. So bleiben derzeit nur die traumhaften Ankerplätze des Archipels, die man uns noch immer zugesteht. Dort sind wir unbeobachtet und können sozusagen machen, was wir wollen.

Über allem hängen aber auch noch einige Fragen. Offiziell sollen alle »Nicht Ortsansässigen« umgehend in ihre Heimatländer »ausgeflogen« werden. Bis jetzt deutet allerdings nichts darauf hin, das dies in unserem Falle auch durchgesetzt würde. Schließlich haben wir ja am 10. März 2020, also vor dem »Lock Down« offiziell einklariert. Und: Wohin sollten wir uns auch wenden? Flieger gehen nicht. Die meisten Länder haben ihre Grenzen geschlossen. Das Boot ist unser Zuhause. Der logische Weg? 12.000 Seemeilen nach Hamburg, rund Kap Horn, im Südwinter?

Schlechter stehen die Dinge für die Boote, die nach dem »Lock Down«, also dem 21.März 2020 hier eingetroffen sind. Diese wurden und werden hier in den Gambiers nicht mehr einklariert. Nach Ablauf von zwei Wochen Quarantäne und erneuter Verproviantierung sollen sie von hier aus umgehend und direkt nach Papeete segeln, also 1000 Seemeilen (1.800km) quer durch die saugefährlichen Tuamotus. Dort sollen sie das Boot verlassen (wo?) und in ihre Heimatländer zurückkehren (wie?)… Leider betrifft dies auch unser Antarktis »Buddy Boat«, die HAIYOU mit Chris und Lynn. Derzeit hoffen sie, auf Zeit spielen und später nach Hawaii weitersegeln zu können. Ein Katamaran aus Österreich hofft, über das eigene Konsulat in Papeete etwas erreichen zu können. Heute 15.April 2020, kam ein Boot der Gendarmerie auf unseren Ankerplatz am »False Pass«. Einiger der Neuankömmlinge liegen auch hier. Diesen wurden offizielle Formulare ausgehändigt, die die Aufforderung enthalten, umgehend auszulaufen. Falls es Schäden am Schiff gibt, oder Treibstoffe fehlen, so ist dies den Behörden in Papeete per e-mail mitzuteilen. Die Entscheide sollen dann je nach Einzelfall getroffen werden. Nun sind alle gespannt, wer wohl bleiben darf, und wer nicht. Die US-Amerikaner (vier Boote) wollen eigentlich alle demnächst von hier aus direkt nach Hawaii auslaufen. 3000 Seemeilen (5.550km), wie die Krähe fliegt. Insgesamt sind derzeit um die 30 Boote hier, also im Vergleich zu früheren Jahren nicht einmal sehr viele. Mal sehen, was das noch gibt.

Mit herzlichen Grüßen von Britta und Michael / SY VERA / Isl. Totegegie / False Pass / Gambier / PF / POS 23.05,8S - 134.52,7W

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