YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Frage von
Alexander Toth
Lieber Alexander Toth,
die möglichen Alternativen hab
ich ja zwischenzeitlich hinreichend oft dargelegt. Daran hat sich bis jetzt
nichts geändert. Dass ich jetzt eine Kunststoffyacht habe, liegt allein daran,
dass ich mich letztlich für einen Katamaran entschieden habe und den gibt es
bei ungefähr 14 Meter Länge vernünftigerweise nicht in Stahl, weil ein
Katamaran ziemlich gewichtsempfindlich ist. Und das Angebot an Alu-Katamaranen
recht mickrig ist. Hierbei spielt auch eine Rolle, dass mich Schiffe, die nur
auf dem Reißbrett existieren, kaum interessieren und erst dann für mich ein
ernsthaftes Angebot wären, wenn solche "genialen Entwürfe" ein paar
Jahre lang nicht nur auf dem Markt sind, sondern auch das tun, wozu Schiffe in
erster Linie bestimmt sind, nämlich zu schwimmen.
Ursprünglich wollte ich für die
jetzige Weltreise ein Metallschiff nehmen (Aluminium), was aber in erster Linie
wegen der hohen Anschaffungskosten gescheitert ist.
Letztlich spielen also
ganz individuelle Gesichtspunkte eine
entscheidende Rolle. Obwohl Carla und ich mit unserem letzten Schiff, der
THALASSA II, einer 48-Fuß-Stahlyacht, hochzufrieden waren, würde ich mich heute wahrscheinlich für ein gutes Kunststoffschiff entscheiden, weil ich es
leid bin, mit Sandpapier und Pinsel rumzulaufen, was bei einem Stahlschiff nun
mal unvermeidlich ist.
Schon allein daran sehen Sie, dass
es nicht immer ganz leicht ist, allein mit Sachargumenten sich der
"idealen" Fahrtenyacht zu nähern. Oft wird einem die Entscheidung
durch die Gegebenheiten aus der Hand genommen.
Jeder Bootsbaustoff, jede
Kielform, jede Innenteinteilung, jedes Rigg hat Vorteile und Nachteile. Damit
nicht genug, es kommt zusätzlich auf die Gewichtung der Verbraucher an. Wenn
sich beispielsweise das Dschunkenrigg als die kompromissslosest beste Besegelung
herausgestellt hätte, dann sähe es doch heute in unseren Häfen anders aus.
Trotzdem gibt es leidenschaftliche Befürworter mit vernünftigen
Argumenten für dieses Rigg.
Hinzu
kommt: Je nach Einsatzgebiet variieren die Vor- und Nachteile der einzelnen
Schiffselemente. Wenn mein Heimatrevier die Ostsee mit seinen überfüllten
Häfen wäre, dann würde ich sicher keinen Katamaran segeln, schon gar keinen
so großen. Dann schon eher einen Kurzkieler mit seinen guten
Manövriereigenschaften.
Was ich damit sagen will - und was
ja auch einen Großteils des Reizes beim Fahrtensegeln ausmacht: Jeder muss für
sich selber seine "ideale Fahrtenyacht" gewichten. Dafür geb ich mit
meinen Publikationen Hilfestellung auf Grund meiner Beobachtung in den Häfen
und auf den Ankerplätzen der Weltmeere.
Nur vor einem muss ich
eindringlich warnen: Man lasse sich durch seine Träume den Blick fürs
Wesentliche nicht vernebeln. Auch, wenn "wesentliche" Dinge in den
Träumen nur am Rande eine Rolle spielen. "Weltumsegelung" heißt, das
beweisen alle zugänglichen Angaben über die Reisedauer: Ein Viertel der Zeit
segeln, dreiviertel der Zeit Anker- und Hafenliegezeiten. Es wäre also sicher
die falsche Betrachtungsweise, wenn man ein Schiff allein nach den
Segeleigenschaften ohne Rücksicht auf den Lebensraum und Komfort aussucht. Auf
vielen Ankerplätzen habe ich solche Renner, meist abgetakelte ehemalige
Extrembauten für Hochseerennen, angetroffen. Selten bin ich den Eignern
begegnet, weil die häufig zu Hause waren, oftmals standen die Schlitten zum
Verkauf.
Sie, lieber Herr Toth, stellen auf
"die Vorteile des Langkielers - großer Lateralplan/weniger Krängung und
mehr Stabilität - geschützte Ruderanlage, - einfacheres Trockenliegen"
ab. Von Wohnlichkeit, Lebensraum, Komfort ist in Ihrem Schreiben nicht die Rede.
Ich bin aber überzeugt, dass Sie auch auf diese Faktoren Wert legen werden.
Ein
wenig verantwortlich für diese einseitige Betrachtungsweise sind die diversen
Testberichte in den Fachzeitschriften. Verständlich, denn so ein Testboot wird
den Redakteuren ja nur für ein paar Tage zur Verfügung gestellt. Und da kann
man sich selbstverständlich ja nur über die Segeleigenschaften fundiert
auslassen. Und zwar genau genommen nur für die am Testtag herrschenden Wind-
und Seegangsverhältnisse. Jeder sollte für sich den Schluss ziehen, ob man
danach ein Schiff kaufen kann oder nicht.
Nicht unproblematisch ist auch
eine durch den heimischen Markt geprägte Betrachtungsweise. Bei einer
Besprechung in meinem Verlag bemerkte eine Fach-Lektorin: "Ja, aber
Langkieler sind doch heute out!" Was sicher stimmt, wenn man unsere
riesigen Bootsflotten in deutschen Gewässern oder die Anzeigenseiten in der
YACHT berücksichtigt. Ganz anders sieht es aber auf den Ankerplätzen der
Langfahrtsegler aus. In den USA gibt es sogar noch ein paar Yacht-Werften, die
ausschließlich und serienmäßg Langkieler (in GFK) bauen.
Kurzum: Wie die "ideale
Fahrtenyacht" aussieht, ist eine ganz persönliche Einschätzung. Man
schreibe sich mal zusammen, welche Punkte so eine Yacht mitbringen muss. Ich
gehe mal davon aus, dass ein individueller Neubau einer solchen Yacht zu den
extremen Ausnahmen bei sehr gut Betuchten gehört. Im Normalfall wird man sich
also auf die Suche machen nach "seinem" Schiff und wird - garantiert -
erfahren, dass der Markt extrem übersichtlich wird, selbst wenn man sich in den
Annoncen auf der ganzen Welt umsieht. Man stellt schließlich fest, dass es
diese Yacht auf dem Markt nicht gibt.
Was
dann? Ein Segelfreund hat es auf den Punkt gebracht: Zu 80 % muss sie meinen
Vorstellungen entsprechen, mehr kann ich nicht erwarten. Letztlich wird es
darauf hinauslaufen, dass man bei einer Yacht hängen bleibt, die es einem
angetan hat - sei es vom Aussehen, sei es vom Preis oder gar von den
Segeleigenschaften her. Und genau die wird man, vor sich selber, zur
"idealen Fahrtenyacht" hochreden. Nicht das Schlechteste, denn das
Wichtigste im Seglerleben ist doch die Zufriedenheit.
Zurück zu Ihrer individuellen
Situation: Sie erwägen den Kauf einer ehemaligen Charteryacht? Warum nicht? Da
gibt es eine Menge Yachten, die auch mir gefallen würden und die eine oder
andere würde auch in meiner persönlichen Wertungsskala 80% erreichen. Zumal
Ihr Budget schon eine größere Flexibilität zulässt. Die Höhe
der von Ihnen vorgesehen Geldsumme habe ich aus Ihrem Schreiben
eliminiert, um Sie vor allzu vielen Nachfragen von Schiffsverkäufern zu
schützen. Nämlich: Als Käufer einer Yacht haben sie bei der derzeitigen
Marktsituation alle Trümpfe in der Hand.
Alles Gute!
Bobby Schenk
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