YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet


Hallo Herr Thorer,

das sind interessante Fragen. Und die Antwort zeigt, wieder einmal, dass es letzten Endes beim Fahrtensegeln keine allgemein gültige Antwort gibt und alles auf einen mehr oder weniger günstigen Kompromiss hinausläuft.

Zunächst sollte man sich überlegen, für was das Schiff gedacht ist. Soll damit in erster Linie gesegelt werden, oder will man auf einem solchen Schiff leben (und segeln). Im letzteren Falle wird man also Lösungen vermeiden (wenn Sie nicht der Sicherheit dienen), die auf Kosten der Wohnlichkeit oder Bewohnbarkeit gehen. So wie Ihr Mail abgefasst ist ("ich träume noch davon"),  zähle ich Sie zur zweiten Kategorie.

Und noch etwas gibt es zu bedenken: Der Markt für Katamarane wächst zwar nahezu tagtäglich, doch ist er, im Vergleich zur Monowelt, noch sehr übersichtlich, dünn. Das heißt, Sie können noch so präzise Vorstellungen von einem Fahrtenkatamaran haben, Sie werden sich mit dem zufrieden geben, was der Markt überhaupt bietet. Und hierbei werden Sie Kompromisse eingehen.

Trotzdem wird man sich Gedanken machen können um den optimalen Fahrtenkatamaran.

Sie haben mit ihren Fragen vier Punkte angeschnitten, nämlich a) die Kielform, b) das Schwert, c) den Freiraum zwischen Wasser und Brückenunterseite und d) die Beladung.

a) Mir persönlich wäre ein mäßig langer Kiel, der sich bis zum Ruder erstreckt, am liebsten. Dann hätte ich einen annehmbaren Schutz meiner Ruder (und den Schrauben), wenn es mal zu Grundberührung käme. Außerdem ist die Gefahr beim Ankern gering, dass sich die Trosse am Ruder verhängt. Der Hauptvorteil dieser Lösung ist aber, dass der Kat zu Pflegezwecken leicht und risikolos trockenfallen kann. Andererseits wird man diese Kielform wohl mit einem kleinen Geschwindigkeitsverlust bezahlen müssen.

b) Ich habe keine persönliche Erfahrung mit Schwertern. Sie sind mir aber auch noch nie abgegangen. Der Vorteil von Schwertern ist wohl eine bessere Höhe, die der Kat mit abgelassenen Schwertern laufen sollte. Aber: In der Ozeanpraxis mit entsprechender Dünung bezweifle ich, dass der erwünschte Effekt hoch am Wind auch erreicht werden kann, dass er soviel bringt, um die Nachteile von Schwertern auszugleichen. In der Praxis werden Sie wegen dem Seegang auf dem offenen Meer nämlich kaum je so hoch an den Wind gehen, wie ihr Kat es eigentlich vermag. Er wird heftig stampfen, der Stress für Crew und Schiff ist gewaltig, sodass Sie freiwillig auf die optimale Höhe verzichten. Was übrigens auch dazu führt, dass unter diesen Bedingungen eine Einrumpfyacht ihre besseren Hoch-am-Wind-Eigenschaften gegenüber einem Mehrrumpfboot nicht voll ausspielen kann.

Denn, kein Vor- ohne einen Nachteil, Sie müssen dafür mit zusätzlichem Lärm und erheblicher Einschränkung von Wohnraum bezahlen. Wenn Sie sich die Fotos eines Katamarans mit Schwertern ansehen, dann können Sie nachvollziehen, was ich meine. Es sind ganz gewaltige Dinger, die im Inneren des Kats (mit der notwendigen Verkleidung) ihren Platz einnehmen, auf Kosten der Wohnlichkeit. Dass sie, unterwegs, auch erhebliche zusätzliche Lärmquellen sind, sei am Rande vermerkt. Darüberhinaus haben Sie eine zusätzliche Mechanik an Bord, die ebenfalls eine Störquelle sein kann. Wobei diese Gefahr gegenüber Schwertern auf einer Einrumpfyacht sicher leichter in den Griff zu bekommen ist, weil die Schwerter eines Katamarans auch von oben zugänglich sind.

Dass Schwerter die Kentergefahr verringern sollen, kann ich nicht nachvollziehen. Ganz im Gegenteil! Denn die Lateralfläche unter Wasser wird ja durch ausgefahrene Schwerter nicht unwesentlich vergrößert, was bei unglücklichen Umständen, dann nämlich, wenn der Kat seitlich über eine See ins Wellental rutscht, dazu führen kann, dass das Schiff quasi über die Lateralfläche stolpert. Dieses Risiko ist aber mit den Schwertern, also mit vergrößerter Fläche unter Wasser, deutlich höher. Es kommt also auf die nicht vorhersehbaren Umstände an, ob Schwerter die Kentergefahr mindern (wie?) oder vergrößern.

Was ich bei meinem Schiff (Privilege 465) bisher am wenigsten vermisst habe, sind Schwerter.

c) Der Freiraum zwischen Wasseroberfläche und dem Brückendeck ist ebenfalls immer ein Kompromiss. War hier der Konstrukteur großzügig, so werden wohl etwas weniger Seen von unten gegen den Schiffsboden klatschen, bezahlt wird dieser Vorteil jedoch mit erhöhtem Windwiderstand und, ganz wichtig, mit erhöhter Kentergefahr, weil auch der Gewichtsschwerpunkt der Yacht weiter oben sich befindet. Es gilt also auch hier, den "richtigen" Kompromiss zu finden.

c) "Katamarane sind gewichtsempfindlich." Sagt man so dahin. Das stimmt in dieser Allgemeinhait sicher. Gilt aber auch für Monos. Warum die Gewichtsempfindlichkeit bei Fahrtenkatamaranen in der Praxis kaum eine Rolle spielt, liegt daran, dass der betreffende Katamaran auf Langfahrt eben nicht von acht Leuten (wie von der Werft "zugelassen" ) gesegelt wird, sondern normalerweise von zwei Yachtsleuten. Und damit wird die vom Konstrukteur vorgesehene maximale Zuladung meist nicht erreicht. Ich könnte mir vorstellen, dass auch mein Kat einen halben Knoten schneller sein könnte, wenn ich als Gepäck nur die übliche persönliche Chartergast-Ausrüstung auf dem Schiff hätte. Aber mein Leben auf dem Schiff wäre sicher nicht ganz so angenehm wie es jetzt ist.

Also, mein Rat: Machen Sie sich dazu nicht allzuviele Gedanken. Letztlich werden Sie sich einen Kat anschaffen, wie er Ihnen halt angeboten wird, oder wie sie ihn auf dem Markt finden. Erfüllt er Ihre Vorstellungen zu 80 Prozent, ist es schon ein Volltreffer.

Mast- und Schotbruch

Bobby Schenk

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