YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Guten Tag Herr Gyssler,
der zweite Teil Ihrer Frage zuerst:
Ich bin gegen jede überflüssige Mechanik an Bord, weil nach Murphies Law - oft
bewiesen - alles, was kaputt gehen kann, auch kaputtgehen wird. Wenn so
eine mechanische Lösung aber je nach Revier (zum Beispiel Watt-Gewässer)
unabdingbar ist, geht es halt nicht ohne diese Hilfslösungen, um die Nachteile
eines tiefgehenden Kiels auszugleichen.
Jetzt zur Hauptfrage: Es ist gut,
dass mal wieder jemand das Wesentlichste beim Hochseesegeln anspricht, nämlich
die in einer Konstruktion enthaltenen Seetüchtigkeit einer Segelyacht. Wobei wir heute in allererster Linie die Unsinkbarkeit im
Auge behalten.
Beobachtet man die Diskussionen in
Leserbriefspalten und im Internet zur Beschaffenheit von Segelyachten, scheint
es, dass das Thema "Design" Priorität hat, dass die Frage nach dem
richtigen Plotter im Vordergrund steht, und das Thema
"Seetüchtigkeit" heutzutage keine Rolle mehr spielt. Ist es
vielleicht so, dass das Thema Seetüchtigkeit, oder im engeren Sinne die
"Unsinkbarkeit" längst gelöst ist?
Die Fakten: Berücksichtigt man die
ungeheure Popularität des Hochseesegelns (Chartertörns eingeschlossen), und
die damit zusammenhängende Zahl von Fahrten über die Ozeane, kommt es
außerordentlich selten vor, dass eine Yacht absäuft. Nicht berücksichtigen
sollte man bei diesen Überlegungen die schon fast standesgemäßen
Yachtverluste bei Extremregatten wie die Vendee Globe. Denn genauso absurd wäre
es in die allgemeine Kfz-Unfallstatistik die Crashs bei Formel1-Rennen mit
einzubeziehen.
Ich kann mich jedenfalls nur an ganz
wenige Totalverluste in der Sportschifffahrt erinnern, deren Ursache das Sinken
der Yacht war. Ein paar Beispiele. Vor 30 Jahren soff im Sturm die Yacht "Morning
Cloud" ab - sie gehörte zuvor dem britischen Premierminister Heath. Es
handelte sich um eine Kunststoff-Serienyacht und die Ursache war, wie man an den
gefundenen Wrackteilen ersehen konnte, dass die beiden Kunststoffhalbschalen der
Länge nach auseinander gerissen worden waren. Vor rund 20 Jahren ging eine
Bavaria-Yacht im Atlantik auf Tiefe, nachdem sich am Ruderkoker ein Riss
gebildet hatte und die Mannschaft nicht mehr in der Lage war, dem eindringenden
Wasser Herr zu werden. Oder: Der deutsche
Einhandsegler Quix "verlor" eine kleine Segelyacht, nachdem er sich
wegen nicht beherrschbarer Problem abbergen lassen hat.
Ein
Beispiel für das "klassische" Untergehen einer Yacht, also das Sinken
durch unmittelbare Sturmeinwirkung könnte die deutsche Yacht OLE HOOP mit ihrer
Besatzung Klaus Nölter und Johanna Michaelis sein. An einem Freitag, den
dreizehnten, wurde ihre Epirb rund 100 Meilen Westlich von Kap Hoorn ausgelöst.
Außer ihrer Epirb wurde keine Spur mehr von dieser elfeinhalb Meter langen
Kunststoffyacht gefunden. Nachdem an der Unfallstelle Sturm geherrscht hat, ist
es wohl nicht abwegig, anzunehmen, dass die OLE HOOP gerade von diesem Sturm
und(!!) den dazugehörigen Seen auf Tiefe geschickt wurde.
In diesem Zusammenhang ist es
vielleicht von Bedeutung, dass diese Kunststoff-Yacht eben ein neues (Holz-)Deck bekommen
hatte, das ihr Eigner Klaus Nölter (Foto), von Beruf auch Tischler, selbst
gezimmert hatte, wie er mir ziemlich stolz bei einem Besuch an Bord kurz vor dem
Unfall versichert hatte. Eine Bemerkung eines Segelfreundes (Weltumsegler) ist
mir hierbei noch in besonderer Erinnerung: "Würdest Du mit diesem Schiff
ums Kap Hoorn segeln?" (Wer sich für das aufschlussreiche, letzte,
Interview der OLE-HOOP-Besatzung interessiert - hier klicken)
Wenn
man sich rechts das Foto der OLE HOOP betrachtet, sticht einem schon der
ungewöhnlich niedrige Freibord, vor allem achtern auf. Und man kommt auf den
Gedanken, dass da eine für die südlichen hohen Breiten typisch hohe See von
achtern eingestiegen ist, Segel plus Mast gefüllt hat und dabei per durchgesteckten Mast das Deck
aufgehebelt hat. Ein Werk, das allein die Yacht
noch nicht sinken ließe, das aber von der nächsten See in wenigen Sekunden
vollendet werden hätte können. Es spricht für diese Möglichkeit, dass die Besatzung
der Yacht keinerlei Maßnahmen mehr zum Überleben ergreifen konnte, sich das
Unglück wahrscheinlich in wenigen Sekunden abgespielt hat - ohne Spuren zu hinterlassen.
Spekulationen! Aber bei der Frage
nach der Seetüchtigkeit wohl erlaubt.
Ich kann mich an einen Leserbrief an
die YACHT gut erinnern, wo ein Leser behauptet hatte, seine Yacht, ein Laurin
Koster, sei, so wortwörtlich, unbegrenzt seetüchtig. Das gibt es nicht, und
ist auch, ich bin da nun mal abergläubisch, auch vermessen. Aber wenn wir uns
nach dem "seetüchtigsten", nach dem unsinkbarsten Gegenstand in
einer sturmumtosten See fragen, würde wahrscheinlich ein Tischtennisball oder
eine leere verschlossene Getränkeflasche aus Plastik an ganz vorderer Stelle
stehen. und genau nach diesen Maßstäben werden dann die Diskusionen zu
diesem Thema geführt, werden damit Philosophien begründet. Die einen schwören
auf Light-Desplacement-Bauweisen, die anderen auf Stärke des Materials. Jede
der beiden Theorien hat überzeugende Argumente, wobei man allerdings nicht
übersehen sollte, dass bei der Frage, was eine brechende See anstellen kann, das Verhältnis von Dichte des Seewassers zur
Angriffsfläche des Schiffes eine große Rolle spielt. Man kann halt, auch wenn eine Yacht
noch so leicht gebaut ist, bei Weitem nicht die Leichtigkeit eines Tischtennisballs
erreichen, und damit kann sie, unter ungünstigen Verhältnissen, eben auch einer
hohen brechenden See genügend Widerstand leisten, mit dem Effekt, dass sie die
ganze zerstörerische Wucht einer solchen Monstersee hinnehmen muss, worauf ihre leichte Bauweise
sich zum Nachteil wandelt. Eine "normale" schwergewichtige
Kunstoff-Fahrtenyacht wird sich von vorneherein nur auf die Stärke des
Baumaterials verlassen müssen. Und eine Stahlyacht sowieso. Dabei fällt mir
auf, dass ich keinen Fall kenne, wo eine Stahlyacht im Sturm untergegangen ist.
Moitessier hat auf seiner schweren Stahl-Joshua die brechenden Seen wie
Schläge mit einem "Gummihammer" gespürt.
Man kann also bei der Frage nach der
sturmsichersten Bauweise, "leicht oder stark?", keine eindeutige Antwort geben.
Die Natur ist unberechenbar und es gibt für beide Möglichkeiten -
Sicherheit durch Nachgeben oder durch Stärke - Szenarien, die die eine oder
andere Hypothese stützen.
Doch, da fällt mir ein,
Fahrtensegler Eric Hiscock (dem man Humorlosigkeit immer wieder nachgesagt hat -
zu Unrecht wie diese Episode zeigt!), brachte es einmal auf den Punkt. Er wurde
von einem ehrgeizigen Yachtsmann gefragt, auf was man denn achten müsse, wenn
man um Kap Hoorn segeln möchte. Erics geniale - und erschöpfende -Antwort:
"Keep the water out!"
Und das gilt in jedem Fall für die "richtige"
Bauweise
Herzlichen Gruß
Bobby Schenk
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