YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet


Guten Tag Herr Ihrig,

da widmen Sie sich einem interessanten Thema, obgleich dieses nicht mehr die gleiche Bedeutung hat wie beispielsweise vor 20 Jahren. Warum? Dazu komme ich gleich.

Aus unzähligen Seenotfällen (siehe auch "das Floß der Medusa") ist seit Hunderten von Jahren bekannt, dass das lebensgefährliche Problem bei Schiffbrüchen nicht im im Fehlen von Nahrung besteht, sondern im Trinkwassermangel. Der Mensch kann mehrere Wochen ohne Essen überleben, ohne Trinkwasser aber stirbt er spätestens nach wenigen Tagen. Seewassergenuss, das ist vielfach bewiesen, verringert weiter die Überlebenschancen.

Der Süßwasserbedarf pro Tag liegt bei zwei bis drei Liter pro Tag und Mensch - je nach körperlicher Konstitution. Üblicherweise sind Rettungsinseln aber lediglich mit ein paar Dosen Wasser ausgestattet, was nur der sprichwörtliche "Tropfen" ist und was vielleicht ausreichend ist, wenn man davon ausgehen kann, dass in wenigen Stunden, oder höchstens einem Tag die Rettung naht. Dies ist unter normalen Umständen in unseren Gewässern der Fall, also in Nord- und Ostsee.

Anders sieht es aus, wenn der Seenotfall in Gebieten eintritt, die nicht von einem guten Rettungssystem abgedeckt sind. Dazu zähle ich nicht nur die großen Meere, sondern auch das östliche Mittelmeer. Dort sollte man entsprechend vorsorgen, also entweder ausreichend Wasser in die Rettungsinsel mitnehmen oder in ihr über Vorrichtungen verfügen, mit denen sich Wasser trinkbarer Qualität produzieren lässt. Nahezu alle Langfahrtsegler, die ich kenne, haben für den Fall vorgesorgt, indem sie neben der Rettungsinsel zum Beispiel gefüllte Wasserkanister für den Fall des Falles bereithalten. Ideal ist dies aber nicht! Denn je nach Unglücksfall, zum Beispiel Feuer an Bord) kann so wenig Zeit zur Verfügung bleiben, dass außer der Rettungsinsel keine weiteren Gegenstände von Bord mitgenommen werden können. Hinzu kommt eventuell Panik der Schiffbrüchigen, die gelegentlich vernünftiges Handeln ausschließt. Deshalb halte ich auch die von Ihnen angesprochene Windkraftanlage zur Wassergewinnung für nicht sinnvoll. Dann schon eher gefüllte Wasserkanister, die wenigstens ein paar zusätzliche Überlebenstage gewährleisten.

Und wie steht es damit, entsprechende Vorrichtungen zur Süßwassergewinnung in die Rettungsinsel beipacken zu lassen? In Frage kommen hierbei nur Vorrichtungen, die es ermöglichen, mit (Rettungsinsel-)Bordmitteln Süßwasser zu gewinnen. Seit vielen Jahren gibt es hierzu die sogenannten "Solar Stills", das sind kleine Plastikinselchen, mit denen mittels Destillieren von Seewasser trinkbares Wasser gewonnen werden kann. Selbst wenn optimale Bedingungen herrschen, also reichlich Sonnenschein zum Destillieren, ist die Ausbeute denkbar gering. Ein Viertel Liter pro Tag ist das Maß aller Dinge. Viel leistungsfähiger dagegen ist ein handbetriebener Wassermacher, mit dem es ohne große Anstrengung möglich ist, innerhalb einer halben Stunden ein oder zwei Glas Trinkwasser zu produzieren. Dies haben wir in der Praxis ausprobiert, und zwar mit diesbezüglich unerfahrenen Personen, die so einen Watermaker zum ersten Mal in der Hand hatten - siehe Fotos.

Jedoch, was hier nach einer Ideallösung aussieht, hat einen gewichtigen Haken. Diese Wassermacher sind wartungsbedürftig! Man kann ihn also nicht einfach der Rettungsinsel beipacken und dann vergessen. Wird nämlich die sehr empfindliche Membran nicht jedes Jahr (mindestens) mit einem Biozid "gepickelt", dann blockiert diese Membran, der Wassermacher ist nicht mehr einsatzfähig. Dies gilt auch für ein fabrikneues Gerät. Eine solche Lösung empfiehlt sich also nur dann, wenn gewährleistet ist, dass die Rettungsinsel und damit auch der Wassermacher pünktlich jedes Jahr einem fachgerechten Service zugeführt wird. Und gerade bei Langfahrtseglern, die ja besonders auf einen Wassermacher in der Rettungsinsel angewiesen wären, ist dies nicht gewährleistet.

Warum aber hat diese Frage heut keine so große Bedeutung mehr wie vor ein paar Jahrzehnten? Dank moderner Satellitentechnik erfolgt heute über eine Epirb im Seenotfall eine Alarmierung der Außenwelt innerhalb von Minuten. Damit ist es in nahezu allen Gebieten der Erde möglich, Schiffbrüchige in wenigen Stunden, höchstens in ein oder zwei Tagen, aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Das gilt auch für sogenannte abgelegene Seegebiete - siehe den Unglücksfall der deutschen Segelyacht Ole Hoop, wo immerhin die Epirb von einem Frachter kurz nach dem Unglück aufgenommen werden konnte.

Bevor ich also Vorrichtungen zur Wassererzeugung mit in die Rettungsinsel nehmen würde, hätte die Epirb hierfür Priorität, dann die Wasserkanister...

Aber selbst, wenn die Epirb nicht mehr rechtzeitig aktiviert werden konnte (was eigentlich nicht vorstellbar ist, nachdem diese auch über eine automatischen Aktivierung verfügt) ist noch nicht alles verloren, wie das Beispiel von Maralyn und Maurice  Bailey zeigt: 1973 mussten sie auf dem Weg nach Galapagos ihre Yacht verlassen und wurden erst nach 118 Tagen aus der Rettungsinsel gerettet. Sie hatten ursprünglich weder ausreichend Wasser dabei noch eine fabrikmäßige Vorrichtung zur Wassererzeugung.

Einen schönen Gruß

Bobby Schenk

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