YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet


Hallo Andreas,

Vorsicht!

Wenn Du mal die letzten dreißig Jahrgänge von solchen Fachzeitschriften durchblättern würdest, könntest Du unzählige Berichte über revolutionäre Riggs, Bootbauweisen, Stromerzeuger, Bootsantriebe u.s.f. entdecken - die es heute gar nicht mehr gibt oder in der Praxis nie gegeben hat. Das wäre nun ganz lustig, wenn (und davon schreiben die Zeitschriften natürlich nichts) es nicht zahlreiche Geschädigte geben würde, die auf solche optimistischen Prophezeiungen reingefallen wären und dafür immer teuer bezahlt haben.

Blicken wir dagegen mal in der Boots- und Bord-Praxis zurück. Was hat sich denn in den letzten 30 Jahren geändert? Wir benutzen immer noch das gleiche Rigg, den gleichen Dieselantrieb oder die gleichen Lichtmaschinen. Und vor allem die gleichen (Blei-)Batterien. Es hat sich gar nichts Neues ergeben. Es ist technisch nicht einmal was verbessert worden.

Eine kleine Episode aus meiner Anfängerzeit: Als wir uns vor langer Zeit Gedanken machten, um die Welt zu segeln, da war allerorten ein ungeheurer Optimismus für die Atomkraft ausgebrochen. Und als dann die atomgetriebene OTTO HAHN von Stapel lief, schien die Zeit nicht mehr fern, wo alle Schiffe sich dieses "unkomplizierten, gefahrlosen und ungeheuer effektiven Antriebs" bedienen werden. Meine Frage, ob man dann noch rund um die Welt Diesel kaufen könnte, zerstreute, Gott sei Dank, ein Techniker mit den Worten: "Und von was sollen die kleinen Fischerboote in der dritten Welt angetrieben werden - und bewahrte mich so vor weiteren Schnapsideen (Benzinmotor?) wegen meines Bootsantriebs.

Und eine Schnapsidee ist es auch heute, den "Hybridantrieb" in naher Zukunft für Yachten zu prognostizieren. Wobei schon dieser Ausdruck "Hybrid", entnommen aus dem Autobau, bei Yachten nicht richtig ist. Ein Auto mit Hybridantrieb wird mittels Verbrennungsmotor und/oder Elektrizität angetrieben (wobei auch zum Beispiel beim Bremsen Energie rückgewonnen werden kann, was ja bei einer Segelyacht kaum machbar ist). Bei einem Boot mit angeblichen Hybridantrieb wird die Schraube an der Welle immer mittels Elektromotor alleine angetrieben, während der Verbrennungsmotor ausschließlich dazu dient, Strom zu erzeugen.

Der einzige Vorteil eines solchen Systems ist, besser gesagt: "wäre", die Tatsache, dass der Verbrennungsmotor, also der Schiffsdiesel nicht örtlich an der Welle untergebracht werden muss, sondern beliebig im Schiff untergebracht werden kann, was aus Platz- und Gewichtsgründen zum Beispiel bei Katamaranen äußerst vorteilhaft ist.

Der Schwachpunkt all dieser Systeme ist und bleibt die Batterie. Dies ist auch das Problem im Autobau. Und solange wir mit Bleibatterien (deren Prinzip sich in den letzten 100 Jahren trotz der phantasievollen Typenbezeichnungen nicht geändert hat, auskommen müssen, wird sich ein solcher Antrieb in der Praxis nicht durchsetzen können. Zu kläglich sind seine Leistungen, wenn kein Verbrennungsmotor an der Welle hängt, sondern ein Elektromotor, gespeist aus (während der Herstellung und Entsorgung extrem umweltbelastenden) Bleiakkus.

Irgendwie ist es ein Hohn, hier von "umweltfreundlich" zu sprechen, denn schließlich wird die Energie immer mittels Verbrennungsmotor und fossilen Brennstoffen erzeugt, um dann davon ein gehöriges Quantum bei der Umwandlung in Strom wieder zu vernichten. Gerade in der Langfahrtpraxis erlebe ich es täglich, dass angehende Blauwassersegler es nicht glauben können, wie schwach, anfällig und teuer  Batterien sind, auch weil sie schon nach ein paar Jahren entsorgt werden müssen.

Als die LAGOON 420 genau mit diesem Antrieb auf den Markt gekommen ist, hagelte es hier regelrecht Anfragen zu diesem Antrieb. Wobei ich nicht begreife, warum ausgerechnet Segler, die sich ja von der konservativen Lebensphilosophie her dem ältesten Bootsantrieb der Weltgeschichte verschrieben haben, geradezu gierig nach unerprobten technischen Neuerungen lechzen. Inzwischen ist es wieder verdächtig ruhig geworden um diesen Antrieb in Serienyachten. Ja, einige dieser Katamarane sind auf konservativen Antrieb, also zwei Dieselmotoren an der Welle, zurückgerüstet worden. Dass damit für diese Fortschritts-Leichtgläubigkeit mit einem kleinen Vermögen bezahlt werden musste, kann sich jeder leicht ausrechnen.

Grund hierfür dürfte nicht die fehlende Zuverlässigkeit sein, sondern schlicht und einfach die erbärmlichen Leistungen solcher Antriebe, wenn Sie Ihre Leistung aus der Batterie beziehen. Stellen Dir mal vor, es wird Dir ein Schiffsdiesel angeboten, der Deiner NOEL gerade mal drei Knoten, vielleicht auch vier Höchstgeschwindigkeit verleiht und dieser nur einen Tank für ein paar Dutzend Meilen bietet! Damit ist dieser Antrieb doch allenfalls bei Hafenmanövern zu benutzen und auch nur dann, wenn kein Wind geht. Und bei Seegang gegenan, kannst Du überhaupt vergessen, dass Du auch einen mechanischen Antrieb an Bord hast. Also, zu mehr als Schleichfahrt bei Flaute und glatter See reicht es aus den Batterien nicht!

Im Ergebnis ist so ein lahmer Flautenschieber erheblich teurer als Dein jetziger Antrieb, denn alle vier bis fünf Jahre solltest Du an die Neuanschaffung der umfangreichen Batteriebank denken. Wenn Hersteller/Verkäufer hier Dir etwas von 10 Jahren erzählen, dann frag doch bitte diese Herren, warum die Garantie auf diese Batterien nicht 10 Jahre beträgt?

Denk daran: Das voll praxistaugliche Elektroauto hat bisher noch keine Autofirma auf den Weg gebracht. Weder Mercedes, noch Toyota, noch Kia, noch Lada, noch...

Warum wohl?

Es ist also nicht verwunderlich, dass ich in der Hochseesegelpraxis kaum einem "Elektro-Segelboot" begegnet bin. Doch zwei Ausnahmen kenn ich.  Da ist einmal die RAROIA (Foto links), die erste Yacht, die mit einem Elektroantrieb die Welt umsegelt hat (hier). Wer die Skipper Anette und den Elektroingenieur Sven kennt, weiß, dass dies weniger eine technische, sondern mehr eine persönliche Leistung ist.

Die zweite Yacht, bei der ich einen Elektroantrieb erlebt habe, war ein 42-Fuß-Katamaran, den sein Eigner ein Jahr lang auf einen solchen Antrieb umgebaut hat, um damit nach England zurückzukehren. Die Jungfernfahrt mit Hybridmotor endete nach insgesamt sechzig Meilen in einer Marina. Dort liegt der Kat, seitdem nicht mehr bewegt, mit dem Schild "FOR SALE".

Die Tatsache, dass ich persönlich unter Tausenden von Yachten nur ganze zwei mit Elektroantrieb erlebt habe, sagt eigentlich schon viel aus über die Praxistauglichkeit von Elektroantrieben auf Hochsee-Yachten.

Ob die angebliche Wartungsfreiheit eines Elektroantriebs gegenüber einem primitiven Dieselmotor um so vieles überlegen ist, wage ich zu bezweifeln, weiß ich aber nicht, weil mir, wie gesagt, eine solche Yacht kaum je, siehe oben, untergekommen ist (die RAROIA führte einen Ersatzmotor mit sich - Foto rechts). Allerdings habe ich mich ein paar Stunden lang mal mit dem Chefingenieur eines Passagierschiffs  (mit Elektromotoren an Azipods) über genau diese Probleme unterhalten. Und der meinte, dass so ein Elektroantrieb, jedenfalls auf seinem Schiff (MS EUROPA), um ein Vielfaches serviceaufwendiger ist, als große Schiffsdiesel an Wellen. Erstaunlich! 

Also, das wäre nichts für mich! Ich stiege aber auf eine solche Lösung sofort um, wenn sie allgemein im Automobilbau weltweit vertreten ist. Und(!)  sich danach mindestens 10 Jahre in der Autopraxis bewährt hat. Ich denke, dass dies, wenn überhaupt, so in 20 oder 30 Jahren der Fall sein wird.

Immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel

Bobby Schenk

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