YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
17.3.2010
Lieber Herr Stuffer,
erwarten Sie bitte von mir zu Ihrer
Frage keine kompetente Detail-Antwort! Die kann niemand auf der Welt zu diesem
Problem geben. Deshalb sucht der Volksmund bei der Blitzproblematik auch nicht Zuflucht bei der
Wissenschaft, sondern bei mehr oder weniger falschen Sinnsprüchen: "Buchen
sollst Du suchen!" oder "Weiden musst Du meiden!". Sicher trifft
die Wahrheit am besten der: "Vor Blitzen sollst Du flitzen!".
Leider können wir Segler kaum vor
Gewittern abhauen, wie es vielleicht ein Flugzeug vermag, welches den
gefürchteten CharlyBravo (Cumulonimbus) umfliegen kann - wenn er denn nicht zu
weiträumig ist und rechtzeitig erkannt werden kann, also nicht ein "embedded
Cb" ist.
Daraus folgt, dass wir der
Gewittergefahr ausgeliefert sind - und zwar hilflos! Die Vorstellung ist
nämlich falsch, jedenfalls in dieser Verallgemeinerung: Ein Blitz schlägt im
höchsten Punkt in der Umgebung ein, sucht sich dann den "nächsten"
Weg ins Wasser, um sich zu entladen. Das passiert nur in einer Vielzahl von
Fällen, was auch zur Erfindung des Blitzableiters geführt hat.
So muss es aber nicht sein. Ich hab
schon auf hoher See Blitzeinschläge ins Wasser, keine 20 Meter neben meinem
Schiff erlebt. Warum haben diese Blitze nicht den höchsten Punkt in
allernächster Umgebung, nämlich den Mast meiner Yacht, ausgewählt?
Ich habe zwei meiner Bekannten bei
einem Blitzschlag verloren. Der eine wurde beim Bergsteigen - keineswegs auf dem
Gipfel, sondern beim Aufstieg von einem Blitz - getötet, der andere bei einem
Radausflug inmitten einer Gruppe von Radfahrern aus heiterem Himmel.
Auch in diesen Fällen erhebt sich
die Frage, warum der Blitz nicht in den höchsten Punkt der Umgebung,
also zum Beispiel im Berggipfel,
eingeschlagen hat?
Auf was ich hinauswill: Es ist
Schicksal, Lebensrisiko, von einem Blitz getroffen zu werden, wenn man sich
"im Freien" aufhält. Denn was hilft mir das, wenn mein Fall
"unwahrscheinlich" ist? Die Konsequenz daraus ist aber die Erkenntnis,
dass man nur wenig gegen einen solchen Schicksalsschlag machen kann.
Mit einiger Wahrscheinlichkeit ist
man auf einer sichereren Seite, wenn man mit einem Stahlboot unterwegs ist und,
vielleicht(!) auch, wenn man bei einem Metallmast möglichst dicke Metall-Kabel am
Mastfuß und an den Wanten/Stagen anbringt und diese durchs Wasser schleift. Eine weitere Möglichkeit ist es, Gebiete mit hoher
Gewitterhäufigkeit zu meiden. Tatsächlich sind in solchen Gebieten
(Balboa/Panama-Kanal, Straße von Singapur) zahlreiche Fälle vorgekommen, wo in
Yachten der Blitz eingeschlagen hat. So haben einige meiner Bekannten zum
Beispiel die schöne Marina Port Dixon in der Malacca-Straße gemieden, weil
dort die Gewitterhäufigkeit überduchschnittlich hoch ist. Es sind in
diesen Gewässern einige Yachten vom Blitz erwischt worden, wie ich schon auf
eine Frage hin (siehe hier)
beschrieben habe. Als wir in der
Marina Sebana Cove, unweit der Straße von Singapur einige Zeit verbrachten, war
man sehr froh, dass dort auch einige Jahre eine der berühmtesten Rennyachten
der Welt, nämlich die 80-Fuß-Yacht Condor of Bermuda (Foto!)
ihren Liegplatz hatte. Denn deren Mast mit geschätzten 35 Meter Länge
überragte alle anderen Mastspitzen um einiges. Man setzte also auf das
St.Florians-Prinzip: "Heiliger Sankt Florian / Verschon mein Haus / Zünd
andere an!". Ob das was geholfen hat? Niemand kann es sagen,
Bei einem Blitzeinschlag in einem
Kunststoff- oder Holz-Schiff ist es ein reiner Zufall, welchen Weg sich der
Blitz ins Wasser sucht. Der hängt auch davon ab, wie
explosiv die Entladung stattfindet. Im ungünstigsten Falle ist es
gleichgültig, ob der Mast an Deck oder auf dem Kiel steht oder ob es sich um eine Gfk-Jolle mit
Doppelboden handelt.
Aus dieser Erkenntnis heraus hab ich
bei meinem letzten Schiff (Kunststoff mit Mast auf Deck) keinerlei Vorrichtungen
gegen Blitzeinschlag getroffen. Ich gebe aber zu, dass ich mich in einem
Gewitter - wie auf dem Bild rechts in der Singapur-Straße - wohler
fühlen würde, wenn ich irgendeine Vorsorge gegen Blitzeinschlag getroffen
hätte. Ja, der Aberglaube!
Bei meinem
34-Fuß-Kunststoffkreuzer während einer Weltumsegelung vor ein paar Jahrzehnten
habe ich bei Gewitter immer dicke Kunststoffkabel vom Mastfuß und von den Hauptwanten
aus durchs Wasser geschleift. Dass unser Schiff von keinem Blitz getroffen
wurde (soweit ich weiß), wird Zufall sein und beweist gar nichts.
Blitzeinschlag sollte man deshalb meiner
Meinung nach unter "Lebensrisiko" abbuchen und keineswegs aus Angst
davor irgendwelche tiefgreifenden Kompromisse, wie ein aufwendiger Umbau einer
Yacht, eingehen.
Mit besten Grüßen
Bobby Schenk
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