YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Lieber Herr Humpert,
aber natürlich interessiert dies andere
Segler, denn jeder Fahrtensegler kann mal in diese Situation kommen. Vorab Eins:
Nachher ist man immer klüger. Und wenn ich hier von Fehler spreche, dann ist
dies keineswegs abwertend gemeint, sondern stellt meine Meinung - vom
Schreibtisch aus überlegt - dar.
Dass hier etwas nicht optimal lief, ist
klar, denn Ihre Yacht hat sich losgerissen und nur, weil ansonsten für Sie gute
Bedinungen herrschten (zum Beispiel die von Ihnen angeordnete Ankerwache) und
erreichbares Lee konnten ein Unglück für Ihre Yacht und unter Umständen auch
für Ihre Mannschaft und Sie persönlich vermieden werden. Das hätte auch
richtig schief gehen können!
Wie gesagt - meine persönliche Meinung:
Zunächst erscheint mir die Dimensionierung der Ankerkette mit 8 Millimeter für
eine Hallberg Rassy 42 Fuß aus den achtziger Jahren, wo man noch erheblich
stabiler und damit schwerer baute als heute, nicht ausreichend für schwere
Wetterbedingungen, die Sie ja hatten. Zum Beispiel war meine Fähnrich 34, mit
der wir um die Welt gesegelt sind, die ja bei weitem nicht das Gewicht Ihrer
Yacht erreicht hat, ebenfalls mit einer 8-Millimeter-Kette ausgestattet. Dass
Sie diesen Mangel nachträglich erkannten, ergibt sich ja auch daraus, dass Sie
nun mit 10 Millimeter, die "richtige" Stärke für Ihre Yacht, fahren.
Sicher ist damit die Stärke der Kette eine der möglichen Ursachen für das
Beinahe-Unglück. Denn schließlich ist nicht der Anker ausgebrochen, sondern
die Kette gebrochen.
Bestimmt haben Sie nicht zuviel Kette
gesteckt! Rechnet man die Bughöhe Ihrer Yacht zur Wassertiefe dazu, so ergibt
sich ein Verhältnis zur Kettenlänge von nicht einmal eins zu fünf. So wenig
Kette würde ich(!) nur dann stecken, wenn ich mir guten Wetters während der
Nacht sicher wäre. Bei Mistralverhältnissen darf man aber darauf nicht bauen.
Ich hätte bei den von Ihnen geschilderten Verhältnissen mindestens mit 50
Meter Kette geankert. Das kann ich deshalb behaupten, weil ich grundsätzlich
mindestens soviel Kette stecke - nach dem Motto: Zu viel Kette kanns gar nicht
sein. Und wenn der Platz zum Schwojen nicht ausreicht, dann taugt der Ankerplatz
für mich(!) nicht. Ob allerdings in Ihrem Fall damit der Bruch der Kette
vermiedenworden wäre, ist zumindest zweifelhaft.
Das
Setzen des Besansegels, auch das haben Sie erkannt, war nutzlos. Ja sicher für
die Havarie förderlich, denn bei solchen Wind-(Sturm-)Verhältnissen erhöhen
Sie nur den Windwiderstand, während Sie das Schwojen (wie Sie ja festgestellt
haben) nicht vermeiden können.
Es ist höchstwahrscheinlich, dass für
das Geschehen drei Ursachen in Frage kommen können: Erstens die schwache Kette,
zweitens die zu kurze Kette und drittens, das ist wohl die Hauptursache, dass
der durch das Schwojen erzeugte Ruck auf das Ankergeschirr nicht abgefedert
worden ist. Dass also die Kette schlicht gerissen ist. Wie läßt sich aber der
gefährliche und in Ihrem Fall verhängnisvolle Ruck auf das gesamte
Ankergeschirr vermeiden?
Sehr
einfach mit einem Kostenaufwand von vielleicht 10 Euro. Bringen Sie an einem der
oberen Kettenglieder einen Schäkel an, den Sie mit einem Tampen verbinden und
diesen auf die Vorschiffsklampe so belegen, dass die Kette leicht durchhängt.
So wie es dieser erfahrene Langfahrtsegler auf dem Foto oben macht. Der Ruck,
der beim unvermeidlichen (!) Schwojen entsteht, wirkt dann nicht aufs
Ankergeschirr, sondern zunächst einmal auf den Tampen, der auf Grund seiner
konstruktionsbedingten Elastizität (Kunststoff-Leine!), den Ruck zumindest
stark dämpft. Noch praktischer ist die Verwendung eines billigen Pelikanhakens,
weil der nicht mühselig in die Kette eingeschäkelt werden muß.
Noch etwas hätte ich(!) im Vorfeld zur
Gefahrenabwehr unternommen. Denn wie Sie ja ausführten, wissen Sie ja um das
Windstärkenpotenzial des Mistral generell und im Speziellen mit Venturi-Effekt.
Warum haben Sie nicht von vorneherein einen zweiten Anker - in einem Winkel zum
ersten Anker von 30 bis 60 Grad - ausgebracht? Der hätte nicht das Schwojen
verhindert, aber Sie hätten damit nach dem Bruch sozusagen eine zweite
Verteidigung gehabt. Hier lass ich den Spruch "nachher ist man
klüger" nicht auf mir sitzen, denn ich ankere grundsätzlich mit 50 Meter
Kette mindestens und praktisch immer mit einem zweiten schweren Anker, den ich
mit dem Beiboot ausbringe.
Ich erlaube mir ausnahmsweise (aus
Lerngründen) den Hinweis, dass ich sicher viele hundert Male schon geankert
habe, auch unter schwierigsten Bedinungen, dass ich aber in meinem ganzen
Seglerleben nicht ein einziges Mal in Schwierigkeiten geraten bin - ausgenommen
die wenigen Fälle, wo andere Yachten in mein Ankergeschirr getrieben sind.
Mast- und Schotbruch und - in Ihrem Falle
- Hals- und Beinbruch!
Bobby Schenk

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