YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet


12.8.2012

Sehr geehrter Herr Hadenfeld,

zunächst einmal: Ankern kann man nicht nach starren physikalischen Formeln. Das heißt, man könnte schon, aber das wäre viel zu kompliziert. Denn berücksichtigt müßten werden:

  • Ankertyp und Gewicht

  • Yachttyp und Windangrifssfläche, jeweils nach Winkel zum Wind und Seegang

  • Wind nach Richtung und Stärke

  • Strömung

  • Grundbeschaffenheit

  • Länge und Gewicht der Kette

  • Beschaffenheit eines zweiten Ankergeschirrs

  • Angrifswinkel des zweiten Ankergeschirrs

  • u.s.f.

Sie können an den zahlreichen Faktoren - es sind nicht mal alle - schon erkennen, dass eine rein mathematische Herangehensweise in der Praxis scheitern muß. Ganz offensichtlich haben Sie schon alles Mögliche ausprobiert - und da war bis auf zwei Punkte aus meiner Sicht nichts Falsches dabei. Da ich 10 Jahre lang ebenfalls einen Katamaran gefahren habe, kenne ich die Probleme nur allzugut, insbesondere die erhöhte Newigung eines Katamarans zum Schwojen und damit die Erzeugung zusätzlicher Rucks auf das Ankergeschirr.

Was ich(!) an Ihrer Stelle in jedem Fall anders machen würde, wäre das "Einfahren" des Ankers. Sie schreiben, dass Sie mit 1200 Umdrehungen rückwärts fahren, bis der Anker gefasst hat und geben dann nochmals Kette. Diese 1200 Umdrehungen entsprechen jedoch bei der Windangriffsfläche Ihre hochbordigen Katamarans einem lauen Lüftchen das auf Ihr Schiff drückt. Mag sein, dass der Anker hierbei "gefaßt" hat, beweist jedoch noch lange nicht, ob Der Anker "eingefahren" ist und der Grund im Verhältnis zur Auflagefläche auch haltefähig ist. Was er offensichtlich auch nicht war.

Ich empfehle Ihnen stattdessen folgende Vorgehensweise: Fahren Sie den Anker wie gewohnt "ein" und geben Sie dann "volle zurück" mit der Maschine. Und zwar ein hanze Minute lang (auf die Uhr schauen!). Wenn Ihr Anker das nicht aushält und slippt, dann haben Sie die Gewissheit(!), dass er - vor allem bei drehenden Winden - auch nicht halten wird. Das mag am Grund liegen, aber auch an der Ankergröße und am Typ. Ich hab mal einen Ami neben mir erlebt, der das 10 Mal hintereinander praktiziert hat, bis er sicher war, dass der Anker hält. Von meiner nicht sehr erfahrenen Crew wurde mein Nachbar wegen seine Seemannschaft belächelt. De facto: Das Einzig Richtige, was der getan hat.

Was Sie mit dem zweiten Anker getan haben, ist Verkatten. Ich halte das einfache Ausbringen eines zweiten Ankers für die bessere Lösung. Weil unkomplizierter. Sie schreiben vom "Geraffel". Das haben Sie mit dem zweiten Anker auch, nur nacheinander und damit betriebssicherer. Den gleichen oder ähnlichen Effekt wie beim Verkatten, haben Sie übrigens auch, wenn Sie dem Rat des Jambo-Herstellers (ein anerkannt wirkungsvoller Anker) folgen und sich einen schwereren Anker anschaffen.

Wenn Sie damit rechnen, dass nach Ausfall der elektrischen Ankerwinde das "Geraffel" nicht beherrschbar ist, empfehl ich Ihnen dringend den Einbau einer Pallklinke. Diese einfache Ausrüstungsgegenstand (der übrigens auf allen Yachten früher zu finden war, die sich keine Ankerwinde leisten konnten) erlaubt Ihnen das Einholen auch des schwersten Ankergeschirrs per Hand, allerdings unter hohem Zeitauswand.

Also zusammenfassend mein Rat: Schwerer Anker, Einfahren des Ankers mit Vollgas, Anbringung einer Pallklinke. Damit habe ich in meiner 10-jährigen Katamaranzeit keinen einzigen Versager beim Ankern gehabt. Das Gesagte gilt übrigens auch für hochbordige Einrumpfyachten.

Wenn Sie mehr übere Ankern wissen möchten, sollten Sie einen Blick in mein Büchlein ANKERN werfen.

Mit freundlichen Grüßen

Bobby Schenk

 

 

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