YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet


27.8.2012

Guten Tag, Winfried und Marlene!

Um diese Frage beantworten zu können - letztlich müßt Ihr Euch selber eine Antwort auf Eure Frage durch Ausprobieren geben - sollte man sich ein wenig mit der Entwicklungsgeschichte dieser Besegelung auseinandersetzen. Begonnen hat sie in einer Zeit, als es für Yachten noch keine Selbststeuerung gab, weder elektrische noch Windsteueranlagen. Was dazu geführt hat, dass man nach Besegelungen gesucht hat, unter denen sich eine Yacht selbst gesteuert hat. Weil die Rudergängerei selbst für den fanatischsten Segler nach ein paar Tagen einer Knechtschaft gleichkommt, und das möchte man als jemand, der die große Freiheit auf den Weltmeeren sucht, als allerletztes haben. Wenn Ihr mal das wundervolle Buch "Hundeleben in Herrlichkeit" von Ernst-Jürgen Koch in die Finger bekommt, werdet Ihr bald merken, dass unter "Hundeleben" vor allem das Rudergehen verstanden wird.

Kurzum, die Passatsegel, nichts anderes als zwei gleichgeschnittene Focks (oder Genuas) sind erfunden worden, damit sich das Schiff von selbst - natürlich nur vor dem Wind - steuert. Damals hat man viel rumexperimentiert. Beide Segel an einem Stag, an zwei Stagen (die auf gleicher Höhe aber nicht mittschiffs angesetzt haben), zwei Stagen, die nach der Seite versetzt angebracht waren und so fort. Eine Zeitlang glaubte man, dass die Düse, die zwischen den beiden Stagen entstanden war, die Selbststeuereigenschaften verbessern würde. Vielleicht, vielleicht auch nicht! Die Wetlumsegelyacht (Foto von Scott Kuhner) BEBINKA ist 1970 ohne eine solche ausgekommen.

Wir haben ungefähr alles ausprobiert: Zwei Stagen vorne am Bug, ein Stag mit versetzten Stagreitern, zwei gleich geschnittene Genuas immer an einem Stag gefahren, um sie dann vor dem Wind nach verschiedenen Seiten auszuklappen - und auszubaumen (mindestens eine davon) und so fort.

In Ihrem Fall, unter Berücksichtigung von Alter und Größe des Schiffs, würde ich in jedem Fall empfehlen, beide Focks an verschiedenen Stagen zu fahren. Und zwar vor allem deshalb, weil es dann - ohne Rollfocks - leichter ist, die Gesamtsegelfläche zu variieren. Die Crux bei Vorwinskursen ist ja, wie Ihr schon festgestellt habt, dass der wahre Wind ziemlich schwach wird, sodass mehr Segelfläche notwendig wird. Brist es dann ordentlich auf, kommt Ihr in Schwierigkeiten, wenn beide Segel draussen sind. Auf unserer Weltumsegelung mit einer 10-Meter-Yacht haben wir die Passatsegel  an getrennten Stagen gefahren, was sich als sehr praktikabel herausgestellt hat. Sogar bis 7 oder 8 liefen wir, dann, unter einem Passatsegel, verbunden mit einem leichten Anluven, um eine Hals zu vermeiden. Die Windselbststeueranlage hat den Rest erledigt. Auf einem Transatlantiktörn haben wir auf der 56-Fuß-Yacht SARITA (Photo) zwei Genuas an einem Stag gesegelt, wobei wir aber auch mit acht Mann stark besetzt waren.

Also ganz konkret für Euren Fall: Zwei etwa gleichgeschnittene Focks (Genuas) an zwei verschiedenen Stagen. Zum Setzen und Bergen auf keinen Fall in den Wind gehen (Ihr würdet es bei entsprechender Ozeandünung nur ein einziges Mal versuchen), sondern die Segel nacheinander vor dem Wind hochziehen und gegebenenfalls ausbaumen. Da platt vor dem Wind der Druck im Segel am geringsten ist, ist das mit ein wenig Geduld und Zeit nicht schwierig.

Mast- und Schotbruch!

Bobby Schenk

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