YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet


5,10.2013

Hallo Herr Oelgart,

 

nein, Ihre Fragen sind keineswegs befremdlich, sondern sehr berechtigt. Ich denke, meine Antworten sind auch so, wie Sie befürchtet haben:

1) Die Frage nach dem Wachbleiben bei der Einhandsegelei ist früher sehr kontrovers diskutiert worden. Vor allem die Segelverbände und deren Offiziellen haben moniert, dass der Skipper seiner Pflicht als Schiffsführer, ständig Ausguck zu unterhalten, nicht nachkommen kann, wenn er schläft. Heute werden die Diskussionen weniger hitzig diskutiert, weil man sich bei der Masse an Einhand-Segelunternehmungen quasi daran gewöhnt hat und es halt hinnimmt. Aber nach wie vor gilt international nach Regel 5 KVR auch für Sportboote:

"Jedes Fahrzeug muß jederzeit durch Sehen und Hören sowie durch jedes andere verfügbare Mittel, das den gegebenen Umständen und Bedingungen entspricht, gehörigen Ausguck halten, der einen vollständigen Überblick über die Lage und die Möglichkeit der Gefahr eines Zusammenstoßes gibt."

Dass ein schlafender Skipper dieser Verpflichtung nicht nachkommen kann, liegt auf der Hand, auch dann, wenn das Radar mit eingestelltem Warnsektor auf Standby mitläuft.

Außerdem ist es schon im Eigeninteresse des Einhandseglers, dass er eine Kollision mit einem anderen Schiff vermeidet. Trotzdem kommt es, insbesondere bei Einhandregatten immer wieder zu folgenschweren Kollisionen, wobei sich unter dem Stichwort "verschollen auf See" wahrscheinlich auch solche Fälle verbergen. Jessica Watson und Alan Colas sind nur Beispiele für beide Fälle. 

Die Frage, wie der Skipper trotz seines Schlafbedürfnisses so sicher wie möglich unterwegs ist, lösen zahlreiche Einhandsegler sehr individuell. Denn eines steht fest, ohne Schlaf geht es nicht. Einhandsegler sind keine Übermenschen, die das Naturgesetz, wonach der Körper sein Recht, nämlich das Schlafen, verlangt außer Kraft setzen können.

Einige wenige geben unumwunden zu, dass sie nachts unter Selbststeueranlage durchschlafen, also darauf vertrauen, dass das Meer groß genug ist, eine nahezu unendliche kleine Wahrscheinlichkeit eine Unglückes zu schaffen, jedenfalls in "einsamen" Gegenden ohne Großschifffahrt. Sie befinden sich damit in keineswegs schlechter Gesellschaft, wurde doch in den USA vor einigen Jahrzehnten diskutiert, dass es die Zahl von Flugzeugunfällen ohne eine spezielle Kontrolle des Luftraums nicht steigern würde, wenn man einem "Big-Sky-Control-System" vertrauen würde. Und einige Einhandsegler vertrauen ebenfalls dem Big-Sea-Control-System.

Jedoch, es bleibt ein Spiel mit der mathematischen Wahrscheinlichkeit  - also Theorie. Gegenden auf den Weltmeeren, wo garantiert(!) kein Schiffsverkehr stattfindet, gibt es nicht. Die deutsch Yacht Ole Hoop hat 90 Meilen westlich von Kap Hoorn ihre Epirb ausgelöst, also in wirklich abgelegener Gegend. Bereits nach sechs Stunden hat ein Frachter die Epirb (leider ohne Yacht) aufgefunden. Kurzum: Schifffahrt gibt es im entlegendsten Winkel der Welt, auch wenn es sich um Fischerboote oder eben andere Yachten handelt.

In Büchern liest man immer wieder von minutenlangen Schlafzirkeln, wobei die Schlafperioden von 10 Minuten bis zu einer Stunde angesetzt sind. Um ganz sicher zu gehen, müssten aber die Schlafzeit sehr kurz bemessen sein. Nehmen wir den ungünstigsten Fall: Die Tragweite des Topplichts beträgt bei großen Schiffen 6 Seemeilen. Die Yacht läuft mit 7 Knoten und der Gegenkommer, vielleicht ein schneller Bananendampfer 20 Knoten. Danach kommt es nach weniger als einer Viertelstunde zum Zusammenstoß, wenn auf dem Dampfer vielleicht gerade kaffee gekocht wird. Wenn also der Schlafzyklus länger gewählt ist, dann rechnet der Skipper unter anderem damit, dass er den Gegenkommer auf Grund der hellerleuchteten Aufbaut schon früher sieht, dass der Kollisionsgegner langsamer ist oder aber, dass die Kurse beider Schiff nicht auf einer Linie liegen. Ein Spiel mit der (Un-)Wahrscheinlichkeit. Nicht mein Ding!

2) Es ist so, wie Sie vermuten. Entweder geht der Müll über Bord oder man "beglückt" die  Südseeinsulaner mit dem Dreck - der dann meistens hinter der Hütte mittels Feuer in die Luft gejagt wird.

Auch der verantwortungsvolle Skipper hat keine anderen Möglichkeiten als,

  • so wenig wie möglich Müll mitzunehmen (was immer noch eine ganze Menge ist, man denke an die Getränkeflaschen oder sonstige Verpackungen),
  • unterwegs mindestens die verderblichen Abfälle ins Meer zu entsorgen
  • den Restmüll eben am Ziel abzuliefern.

3) Sie haben recht: Die Kolumbus-Route auf dem Atlantik hat halt die meiste Anziehungskraft und ist am einfachsten. "Ich habe den Atlantik überquert" wirkt halt immer noch auf die Freunde und Bekannten. Die nicht wissen, dass die Überquerung des großen Teichs auf der Passatroute fast immer ein sehr einfaches und bequemes Seestück ist, womit man ganz gut angeben kann. Nicht umsonst hat sich deshalb dort auch fast schon so eine Art Massentourismus entwickelt. Der nautisch wesentlich anspruchsvollere Rückweg über die Azoren (meist) ist nicht mehr so attraktiv, zumal es ja fast immer keine Nonstop-Überquerung ist. Hinzu kommt, dass viele Atlantikeroberer den Heimweg per Luft der unbequemen Rückkehr auf dem Kiel vorziehen.

Herzliche Grüße
Bobby Schenk

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