Hallo
Thomas
Ozeansegeln
heißt, generell Kompromisse eingehen. Was ja auch die interessante Seite
dieser Lebensform ist, weil das Individuelle wie bei fast keiner anderen
"Freizeitbeschäftigung" gefördert wird.
Zunächst:
Ich sehe in Deiner Frage einige Feststellungen, die ich so nicht
unterstreichen möchte. Du beziehst Dich auf die "größte Sorge"
beim Hochseesegeln, nämlich unter anderem auf schlafende Wale und treibende
Container. Letzteres wurde vor allem in dem Film All is Lost (großer
Schauspieler und dilettantisches Drehbuch) hochgespielt. Zwar haben einige von
meinen Bekannten angegeben, sie seien mit einem Container kollidiert (und die
Versicherung hat diesen Einhandseglern auch das Schiff bezahlt), doch habe ich
noch nie einen Container auf hoher See treiben gesehen. Auch nicht andere aus
meinem segelnden Bekannten. So sollte ich einmal einen Bericht über diese
Gefahr schreiben und habe hierzu einen Fachmann von der Versicherung befragt.
Seine Antwort: "Spielt in der Praxis keine Rolle!"
Auch
die "schlafenden Wale" sind häufig angesprochen worden und
tatsächlich sind Yachtunglücke verbürgt, bei denen es mindestens zu
schweren Schäden oder zu Totalverlusten gekommen ist. Tatsache aber ist, dass
diese Berichte in den letzten drei Jahrzehnten immer seltener geworden sind.
Sei es, weil die Yachten größer geworden sind, sei es, weil sie besser
gebaut wurden (nur noch wenige sind aus Holz), sei es vielleicht auch,
weil der Bestand an Walen abgenommen hat, ich weiß es nicht. Zu den
bedrohlichsten Ereignissen beim Hochseesegeln gehören sie nicht. Da liegt
sicher an erster Stelle das so leicht zu vermeidende Überbordgehen.
Und
die "Monsterwellen" oder "Freak Waves"? Die durch
Satellitenbilder oder durch glaubhafte Augenzeugenberichte nachgewiesen sind?
Deren Häufigkeit viel höher ist als bisher angenommen. Sie kommen praktisch
auf jeder offenen See vor, also nicht nur in den hohen südlichen Breiten, im
Roten Meer, im Mittelmeer oder auch an der afrikanischen und an der
nordamerikanischen Atlantikküste, wie allein schon diverse Berichte auf
dieser Webseite beweisen. Allerdings führt die durch Satelliten gestützte
richtige Feststellung der höheren Häufigkeit als bisher angenommen nicht
dazu, dass jeder Langfahrtsegler damit konfrontiert wird. Aus deren Sicht sind
Monsterwellen extrem selten, ich hab noch nie eine erlebt und die allermeisten
Weltumseglerberichte enthalten auch keine solchen Horrorstories. Ich halte sie
für den vielzitierten Dachziegel, der einem in der Stadt auf den Kopf fällt.
Allerdings
gibt es Gegenden, wo allein schon "normale" Seen furchterregend sein
können, wenn Sie tausende Meilen Platz haben, um sich aufzubauen. Und dazu
gehören mit Sicherheit die Brüllenden Vierziger, die Roaring Fourties -
auch, wenn ich dort noch keine solche außergewöhnliche See erlebt habe. Als
meine Frau und ich von Tahiti nach Argentinien sieben Wochen lang durch die
offenen Roaring Fourties gesegelt sind, benutzten wir
eine stäbige 15 Meter lange (Einrumpf-)Stahlyacht, bei der ich mir nichts
Schlimmeres vorstellen hätte können, als vielleicht eine Kenterung mit Mast.
Dass dies allerdings nur für eine Einrumpfstahl- oder Aluyacht gilt, beweist
der Verlust der deutschen OLE HOOP, einer Kunststoffyacht mit Holzdeck und
durchgesteckten Mast, die an einem Freitag, den dreizehnten, samt Mannschaft,
90 Seemeilen vor Kap Hoorn spurlos verschwunden ist. Für einen Katamaran,
gleich aus welchem Baustoff, wäre in jedem Fall eine Kenterung das Ende. Zwar
mögen die Insassen in dem einen oder beiden schwimmenden Rumpf überleben,
doch ist in einem solchen Fall immer von einem Totalverlust auszugehen.
Nun
hat es aber eine Reihe Kap-Hoorn-Umrundungen mit Mehrrumpfbooten gegeben.
Beispielhaft sei hier der deutsche Katamaran JONATHAN (das Foto ist an
einem Ankerplatz beim Kap Hoorn aufgenommen), den der deutsche Weltumsegler
Burghard Pieske (Foto unten) mitkonstruiert hat. Der selbst mit der von ihm gebauten Shangri-La
(ebenfalls ein Sperrholzkat) in den Siebziger Jahren Kap Hoorn von Ost nach
West umrundet hat. Aber, ohne die seemännischen Leistungen der genannten
Yachten schmälern zu wollen, diese Richtung hat den Vorteil, dass Du von
geschützten Ankerplätzen in Chile aus das Wetter beobachten und Dir eine
günstige Wetterlage nutzen kannst. Kommst Du dagegen den langen Weg von
Australien oder aus der Südsee, dann musst Du das Wetter so nehmen, wie es
Dich packt und damit auch mit sehr hohen Wellen, wenn auch nicht mit
Monsterwellen, fertig werden. Dementsprechend sind solche Reisen mit einem
Fahrten-Katamaran extrem selten.
Du
siehst schon, es läuft auf eine Risikoabwägung hinaus. Und damit sind wir in
einem sehr subjektiven Bereich. Der eine poltert: "Was hab ich schon zu
verlieren?", der andere duckt sich weg und kalkuliert mit einem "zu
hohen Risiko". Der letztere könnte ich sein. Wir haben mit einem
gemütlichen 14-Meter-langen Fahrtenkatamaran runde 20 Tausend Seemeilen
gesegelt, waren sehr träge, wenn es ans Reffen gehen sollte und haben nie,
auch nicht eine Sekunde lang, an eine drohende Kenterung gedacht. Aber in die
offenen Brüllenden Vierziger mit einem Kat? Ein klares NEIN!
Herzliche
Grüße