YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet


24.1.2014

Hallo Thomas

Ozeansegeln heißt, generell Kompromisse eingehen. Was ja auch die interessante Seite dieser Lebensform ist, weil das Individuelle wie bei fast keiner anderen "Freizeitbeschäftigung" gefördert wird.

Zunächst: Ich sehe in Deiner Frage einige Feststellungen, die ich so nicht unterstreichen möchte. Du beziehst Dich auf die "größte Sorge" beim Hochseesegeln, nämlich unter anderem auf schlafende Wale und treibende Container. Letzteres wurde vor allem in dem Film All is Lost (großer Schauspieler und dilettantisches Drehbuch) hochgespielt. Zwar haben einige von meinen Bekannten angegeben, sie seien mit einem Container kollidiert (und die Versicherung hat diesen Einhandseglern auch das Schiff bezahlt), doch habe ich noch nie einen Container auf hoher See treiben gesehen. Auch nicht andere aus meinem segelnden Bekannten. So sollte ich einmal einen Bericht über diese Gefahr schreiben und habe hierzu einen Fachmann von der Versicherung befragt. Seine Antwort: "Spielt in der Praxis keine Rolle!"

Auch die "schlafenden Wale" sind häufig angesprochen worden und tatsächlich sind Yachtunglücke verbürgt, bei denen es mindestens zu schweren Schäden oder zu Totalverlusten gekommen ist. Tatsache aber ist, dass diese Berichte in den letzten drei Jahrzehnten immer seltener geworden sind. Sei es, weil die Yachten größer geworden sind, sei es, weil sie besser gebaut  wurden (nur noch wenige sind aus Holz), sei es vielleicht auch, weil der Bestand an Walen abgenommen hat, ich weiß es nicht. Zu den bedrohlichsten Ereignissen beim Hochseesegeln gehören sie nicht. Da liegt sicher an erster Stelle das so leicht zu vermeidende Überbordgehen.

Und die "Monsterwellen" oder "Freak Waves"? Die durch Satellitenbilder oder durch glaubhafte Augenzeugenberichte nachgewiesen sind? Deren Häufigkeit viel höher ist als bisher angenommen. Sie kommen praktisch auf jeder offenen See vor, also nicht nur in den hohen südlichen Breiten, im Roten Meer, im Mittelmeer oder auch an der afrikanischen  und an der nordamerikanischen Atlantikküste, wie allein schon diverse Berichte auf dieser Webseite beweisen. Allerdings führt die durch Satelliten gestützte richtige Feststellung der höheren Häufigkeit als bisher angenommen nicht dazu, dass jeder Langfahrtsegler damit konfrontiert wird. Aus deren Sicht sind Monsterwellen extrem selten, ich hab noch nie eine erlebt und die allermeisten Weltumseglerberichte enthalten auch keine solchen Horrorstories. Ich halte sie für den vielzitierten Dachziegel, der einem in der Stadt auf den Kopf fällt.

Allerdings gibt es Gegenden, wo allein schon "normale" Seen furchterregend sein können, wenn Sie tausende Meilen Platz haben, um sich aufzubauen. Und dazu gehören mit Sicherheit die Brüllenden Vierziger, die Roaring Fourties - auch, wenn ich dort noch keine solche außergewöhnliche See erlebt habe. Als meine Frau und ich von Tahiti nach Argentinien sieben Wochen lang durch die offenen Roaring Fourties gesegelt sind, benutzten wir eine stäbige 15 Meter lange (Einrumpf-)Stahlyacht, bei der ich mir nichts Schlimmeres vorstellen hätte können, als vielleicht eine Kenterung mit Mast. Dass dies allerdings nur für eine Einrumpfstahl- oder Aluyacht gilt, beweist der Verlust der deutschen OLE HOOP, einer Kunststoffyacht mit Holzdeck und durchgesteckten Mast, die an einem Freitag, den dreizehnten, samt Mannschaft, 90 Seemeilen vor Kap Hoorn spurlos verschwunden ist. Für einen Katamaran, gleich aus welchem Baustoff, wäre in jedem Fall eine Kenterung das Ende. Zwar mögen die Insassen in dem einen oder beiden schwimmenden Rumpf überleben, doch ist in einem solchen Fall immer von einem Totalverlust auszugehen.

Nun hat es aber eine Reihe Kap-Hoorn-Umrundungen mit Mehrrumpfbooten gegeben. Beispielhaft sei hier der deutsche Katamaran JONATHAN (das Foto ist an einem Ankerplatz beim Kap Hoorn aufgenommen), den der deutsche Weltumsegler Burghard Pieske (Foto unten) mitkonstruiert hat. Der selbst mit der von ihm gebauten Shangri-La (ebenfalls ein Sperrholzkat) in den Siebziger Jahren Kap Hoorn von Ost nach West umrundet hat. Aber, ohne die seemännischen Leistungen der genannten Yachten schmälern zu wollen, diese Richtung hat den Vorteil, dass Du von geschützten Ankerplätzen in Chile aus das Wetter beobachten und Dir eine günstige Wetterlage nutzen kannst. Kommst Du dagegen den langen Weg von Australien oder aus der Südsee, dann musst Du das Wetter so nehmen, wie es Dich packt und damit auch mit sehr hohen Wellen, wenn auch nicht mit Monsterwellen, fertig werden. Dementsprechend sind solche Reisen mit einem Fahrten-Katamaran extrem selten.

Du siehst schon, es läuft auf eine Risikoabwägung hinaus. Und damit sind wir in einem sehr subjektiven Bereich. Der eine poltert: "Was hab ich schon zu verlieren?", der andere duckt sich weg und kalkuliert mit einem "zu hohen Risiko". Der letztere könnte ich sein. Wir haben mit einem gemütlichen 14-Meter-langen Fahrtenkatamaran runde 20 Tausend Seemeilen gesegelt, waren sehr träge, wenn es ans Reffen gehen sollte und haben nie, auch nicht eine Sekunde lang, an eine drohende Kenterung gedacht. Aber in die offenen Brüllenden Vierziger mit einem Kat? Ein klares NEIN! 

Herzliche Grüße
Bobby Schenk

 

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