Hallo
Hajo,
das
sind die ersten Worte in meinem schon vor 30 Jahren erschienenen Buch
YACHTNAVIGATION (Delius Klasing - 7. Auflage) Sie wurden gesprochen im Jahre 1579,
vor mehr als 400 Jahren und
haben heute und für alle Zukunft Gültigkeit. Die geeignete(!) Richtung ist
bei der Seefahrt, wie auch sonst, kinderleicht zu ermitteln. Man legt auf der
Seekarte (Papier oder Elektronen) ein Lineal vom Schiffsort zum Ziel, und
segelt dorthin, bis man auf Land trifft oder aus anderen Gründen nicht
weitersegeln möchte. Für die zigtausend Leser dieser Zeilen eine höchst
einfache Aufgabe.
Jahrtausende
lang war das eigentliche Problem in der Navigation, dass man seinen Schiffsort gar nicht oder nur sehr ungenau
bestimmen konnte. Navigierte man mit Hilfe der Gestirne konnte man den
Schiffsort nur zu bestimmten Zeiten bestimmen. Da aber der Schiffsort
jederzeit(!) bekannt sein muss, um den jeweils richtigen Kurs zu steuern,
behalf man sich mit der Koppelnavigation. Ihr Prinzip war simpel und man
tut gut daran, sich gelegentlich ihrer zu erinnern. Vom letzten bekannten
Schiffsort wurde der seitdem abgelaufene Kurs in die Papierseekarte
eingezeichnet und darauf die abgelaufenen Seemeilen abgetragen. Schon war der
neue, der geschätzte (oder wie der Fachmann sagt: der "gegißte")
Schiffsort fertig. Und von da an wurde wie gehabt weiternavigiert. Die
"Koppelnavigation" war damals geradezu das zentrale Thema in allen
Navigationsbüchern.
Heute
liest man den Schiffsort jeweils einfach am GPS ab, er steht ja immer und
fortlaufend zur Verfügung - Problem gelöst! Deshalb ist es nicht mehr
notwendig, ihn zu koppeln. Eine Aussage, die von vielen Navigatoren aus der
Vor-GPS-Zeit aus guten Gründen kritisiert wird, das sei nur der
Vollständigkeit halber erwähnt. Denn ersatzlos gestrichen ist die
Koppelnavigation nicht. Sie
muss
zumindest durch eine kurze Plausibilitätsprüfung, die sich in Gedanken
abspielen kann, ersetzt werden. Kann die GPS-Position stimmen, passt sie zum
vorangegangenen Schiffsort und dem abgelaufen Kurs bei dieser
Schiffsgeschwindigkeit ? Wenn nicht, was ist dafür verantwortlich? Der Strom
(wahrscheinlich), die Abtrift (aber die sollte ja bekannt sein), Steuerfehler
(übermüdeter Mann oder kaputter Automat)) und so fort! Wo sich diese
Prüfung abspielt, auf der Seekarte aus Papier oder mit der grafischen
Darstellung auf dem Notebook, ist egal. Aber sie sollte immer
durchgeführt werden und ein guter Navigator wird möglicherweise nicht
darüber sprechen, aber prüfen wird er - fortlaufend. Er wird auf Frage des
Skippers deshalb auch immer den Schiffsort nennen können. Immer! Das ist
Navigation!
Selbst
wenn die heutigen PCs, auch die Notebooks, Phantastisches leisten, sie können
aus vielerlei Gründen kaputtgehen. Deshalb sollte, ja muss, in einem solchen
Fall ein Backup-System zur Verfügung stehen, ein allgemeiner Grundsatz in der
Navigation. Das kann ein zweites, elektrisch unabhängiges Notebook, oder auch - billiger und besser - eine Papierseekarte sein. Die
muss von der Papierqualität her nicht perfekt sein, sie ist
ja nur Notbehelf. Darum, wenn man sich die Kosten für teure Seekarten
sparen möchte, reicht es auch, die elektronische Seekarte vor Törnbeginn
auszudrucken.
Die Probleme, die Sie angesprochen haben, existieren in der
Praxis nicht. Denn man wird ja nicht alle Törns der nächsten Jahren
ausdrucken, sondern höchstens die detaillierte(!) Strecke vom momentan
anstehenden Törn. Und dann ist es egal, ob man die Ausdrucke mit
Folie versieht, oder sonst wie schützt. Sie müssen ja nur die nächsten
dreißig Tage oder so überdauern.
Selbst
das staatliche BSH (Bundesamtes fuer Seeschifffahrt und Hydrographie) erklärt elektronische Seekarten heute für zulässig. Bei gewerblichen
Fahrzeugen müssen diese allerdings gewisse Voraussetzungen erfüllen,
ausdrücklich genehmigt sein. Für die Sportschifffahrt gibt es keine
Vorschriften, wie die Navigation durchzuführen ist. Aber kann es deshalb jeder
machen, wie er lustig ist? Von Gesetzes wegen, ja, aus Gründen der
Seemannschaft - ungern bring ich hier diesen so diffusen Begriff, aber es gibt
nichts Besseres - nein! Die Mindestanforderungen werden immer sein: Exakte
Schiffsortbestimmung, Plausibilitätsprüfung und daraus folgend:
Kursfestlegung. Dass bei der Benutzung von Papier keine Übersegler (das sind
Karten, die ein riesiges Gebiet abdecken) zur Navigation benutzt werden
dürfen, ist wohl jedem der zigtausend Leser dieses Artikels klar. Denn wie
kann ich den Kurs von Bequia nach Trinidad bestimmen, wenn links auf dem
Papier Panama und rechts die Kapverden drauf sind. Zudem besteht bei
Überseglern immer die Gefahr, dass winzigste Details, Riffe
und so, gar nicht abgebildet werden können, weil sie höchstens nur noch
Pünktchen auf dem Papier wären. Deshalb finden sie in jedem
Navigationsbuch für Anfänger die Warnung, dass aus Sicherheitsgründen
Detailkarten benutzt werden müssen(!).
Ob
ich nun den Übersegler benutze oder auf der elektronischen Karte rauszoome,
das heißt, das abgedeckte Gebiet vergrößere, kommt aufs Gleiche hinaus: Details können verschwinden. Wenn man also
elektronische Karten benutzt, dann muss man man auch fähig sein, mit diesen elektronischen
Hilfsmitteln umzugehen.
Gleiches gilt für jede Technik,
und es gilt umso mehr, wenn einem Menschen anvertraut sind. Aus aktuellem Anlass
ist hier der Name VESTAS natürlich nicht zu vermeiden. Bei diesem Kapitalcrash
auf einen Inselarchipel einer mit Vollprofis besetzten Segelyacht fällt immer
wieder der die Fakten verwischende Ausdruck "Zoomfaktor". Der aber weist
darauf hin, dass eben der Übersegler auf dem Bildschirm zur Navigation (vor
Antritt des Törns, wie der Navigator betont hat) benutzt wurde. Ein
fundamentaler Fehler! Aber noch was anderes lässt sich aus den Angaben der
Schiffsführung rauslesen. Die Plausibilitätsprüfung, erst recht eine
Koppelnavigation, kann gar nicht stattgefunden haben, denn auf einem
Übersegler würden die Pünktchen, welche die Schiffsorte bezeichnen, viel zu nahe beieinander liegen, um daraus
Rückschlüsse ziehen zu können. Man müsste dabei zwangsläufig auf
detailliertere Karten, Papier oder Elektronik, das ist gleichgültig, ausweichen. Und
dann würde einem die Gefahr auf dem gewählten Kurs entgegenleuchten.
Der
Navigator der VESTAS hat erklärt:
"Ich kann euch versichern, dass wir vor jeder Etappe sehr fleißig unsere Route studieren, und ich benutze sowohl Google Earth, Papierkarten und andere Werkzeuge. Aber unsere geplante Route änderte sich kurz, bevor wir ablegten, und mit dem Fokus auf den Start und die heiklen Bedingungen nahm ich fälschlicherweise an, dass ich genug Informationen mithätte, um die Änderungen zu studieren, während wir unterwegs sind.":
Ehrlich,
aber nicht sehr klug gewählt waren diese Worte.
Aus
dieser - inzwischen gelöschten - Erklärung ergibt sich nämlich, dass auf der
VESTAS nicht schlecht,
sondern dass
dort zur Unfallzeit und Stunden zuvor gar nicht navigiert wurde.
Dazu passt, dass der
Navigator selbst angegeben
hat, dass er zur Erklärung erst mal seine beiden Notebooks befragen müsse
und zur Zeit des Unglücks, das immerhin neun Menschen in Lebensgefahr gebracht
hat, geschlafen habe. Und dass der Skipper bei der Frage der Verantwortlichkeit
ursprünglich auf seine "Abteilung", also auf den bemitleidenswerten Navigator
verwiesen hat.
Aus
Kreisen, die sich fürs Regattasegeln besonders interessieren, hier
insbesondere von Jollenseglern, werden
Kritiker auf einen zukünftigen Untersuchungsausschuss verwiesen. Nun, im Falle eines
beispielsweise vom Navi fehlgeleiteten Geisterfahrers auf der Autobahn, brauch ich keinen Untersuchungsausschuss, um
für mich zu einer Beurteilung zu kommen. Und im Falle der VESTAS ebenfalls nicht. Vor
allem dann nicht, wenn
die Gutachter von der Leitung der Regatta, also quasi von der eigenen Partei
selbst eingesetzt werden.
Und
dem weiteren Vorwurf seitens dieser Kreise, beim Regattasegeln würden eben
andere Maßstäbe herrschen, und man solle das nicht so eng sehen, halte ich
den allgemein gültigen Satz entgegen:
"Sicherheit hat stets oberste Priorität."
(Übrigens,
diesen bemerkenswerten Satz hab ich wortwörtlich nach dem Unfall der VESTAS
gefunden in der Pressemitteilung von Volvocars zum aktuellen Volvo-Race)
Mit
freundlichen Grüßen
Bobby
Schenk