Hallo
Henry,
das
ist eine
Frage, deren Antwort sicher viele interessiert, die mit dem Gedanken spielen,
mit einem Katamaran auf große Fahrt zu gehen oder damit liebäugeln,
"nur" darauf zeitweise zu wohnen und zu leben.
Vorweg:
Stürme, bei denen es ums Überleben oder ums "Durchkommen" geht,
sind in den Gegenden und während der Zeiten, in denen sich Fahrtensegler auf
der offenen See rumtreiben , viel seltener, als es die allgemeine Literatur
glauben machen möchte. Die meisten "richtigen" Stürme, hab ich an
der Clubbar oder in gemütlicher Cockpitrunde beim Sundowner miterlebt - als
Zeuge vom Hörensagen. Auch ein Orkan war dabei. In den fünf Jahren, als wir
mit einem Kat unterwegs waren und dabei an die 20 Tausend Meilen geloggt
haben, hatten wir kein Wetter, das ich als "Sturm" würde.
Freilich , stürmisch wars schon manchmal, also Bft sieben oder knappe acht.
Beidrehen
ist gerade auf einem Kat eine gute Methode, schlechtes Wetter oder "Wind
von vorne" abzuwettern. Man fühlt sich dann in der Koje wie an
einem ungemütlichen Ankerplatz, während man so mit zwei oder drei Knoten
nach Lee abgetrieben wird. Aber bei einem Sturm, also bei neun und darüber
Beaufort, würde ich diese Methode keinesfalls anwenden. Denn, darüber
sollte wohl Einigkeit herrschen, ein quergeschlagener Katamaran würde allzu
leicht über den Lee-Schwimmer von einer anrauschenden Riesensee, mit denen
von Zeit zu Zeit im Sturm zu rechnen ist, stolpern und, vor allem am
Wellenabhang, seitlich umschmeißen. Das Ende!
Es
gibt also nur die altbekannte Methode des Ablaufens vor dem Sturm. Mit mäßiger
Geschwindigkeit. Man wird zunächst wohl das Groß ganz wegnehmen, dann folgt
die runtergedrehte Fock, bis man vor Top und Takel lenzt. Allerdings kann der
Kat wegen seines naturgemäß gewaltigen Aufbaus und damit großen Windwiderstands
bei großen Windstärken auch ohne Segelfläche eine so hohe
Geschwindigkeit aufnehmen, dass die Gefahr des Überschlags, wiederum
den Wellenabhang hinunter, nach vorne besteht. Ebenfalls das Ende!
Man
wird also versuchen, die Geschwindigkeit so weit es geht , auf sechs bis 10
Knoten zu drosseln. Durch nachgeschleppte Widerstände, also Leinen,
gegebenenfalls mit angehängten Autoreifen, oder mit Hilfe eines
Seeankers. Selbstverständlich mit Bug in Fahrtrichtung, denn andernfalls
wäre die Belastung für die Ruder vielleicht zu stark.
Nach
meinen Beobachtungen könnte das Ruder dabei durchaus eine Selbststeueranlage
übernehmen. Voraussetzung ist ein ausreichend dimensionierter Ruderautomat.
Wenn der (elektrische oder hydraulische) so schwach auf der Brust ist, dass er
bei "normalem Wetter" das Schiff gelegentlich aus dem Ruder laufen lässt,
ist er bei einem Sturm erst recht unbrauchbar, bei einem Kat tödlich. Dann
hilft nichts anderes als der menschliche Rudergänger. Solange er nicht übermüdet,
also voll konzentriert ist.
Es
war zwar vor vielen Jahren auf einem Einrumpfschiff, als wir tagelang in den
Brüllenden Vierzigern vor einem Sturm abliefen. Das Ruder aber bediente
pausenlos eine Windsteueranlage, die wochenlang nicht einmal zuließ, dass die
Stahlyacht querschlug. Man sollte sich vergegenwärtigen, dass für die
Ruderwirkung nicht die Windstärke entscheidend ist, sondern die Fahrt durchs
Wasser. Denn daraus bezieht eine moderne Windsteueranlage ihre Kraft zum
Steuern.
Moderne
Yachten sind heute so ausgestattet, dass bei den langen Törns über die hohe
See fast nie mehr als ein Mann (zum Ausguck) gefordert ist. Der andere (ich
geh mal von der durchschnittlichen Zwei-"Mann"-Besatzung aus) kann
sich vornehmlich in der Koje aufhalten. Und bei schlechtem Wetter eben
"auf Vorrat" schlafen. So bleibt genügend "Manpower", um
das Schiff mittels Selbststeueranlage auf dem rechten Kurs zu halten. Und wenn
die Besatzung dem Ruderautomaten nicht mehr traut, sollte man sich an Rad oder
Pinne in nicht zu langen Zeitabständen abwechseln. Ich könnte beispielsweise
nicht länger als 30 Minuten die nötige Konzentration aufbringen. Für diesen
Fall ein Trost: Kein Sturm dauert ewig.
Und
so ist es sicher kein Zufall, dass bei der Befragung von fast 80 Weltumseglern
nach dem schlimmsten Erlebnis der "Sturm der Stürme" eher die
Ausnahme war - siehe hier!
Bobby Schenk