Hallo
Wolfgang,
na
gut, wenn ein Charterschiff so ausgerüstet ist, kann man nichts anderes
machen als
ihr versucht habt. Allerdings ist diese Ausrüstung - Trosse mit 10
Meter Kettenvorlauf - bei weitem nicht optimal.Wie Du ja erlebt hast. Das
ist der Grund, warum ich vehement gegen einen Kettenvorlauf beim Zweitanker
bin. Trosse mit Kettenvorlauf als Ankergeschirr ist ein Kompromiss aus den
Nachteilen von Kette und Trosse.
Wofür
soll der Kettenvorlauf denn auch gut sein? Dass die Trosse nicht durchscheuern
kann? Ich hab vielleicht ein halbes Tausend Ankermanöver mit Trosse in allen
möglichen Gewässern bis hin zu korallenübersäten Lagunen durchgeführt, hab aber noch
nie erlebt, dass eine Trosse verloren gegangen wäre. Hab das auch nicht bei
Nachbarn am Ankerplatz gesehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Trosse mit
Kettenvorlauf wegen Scheuerns an einem Felsen bricht, ist nahezu die gleiche wie bei der
Trosse ohne Vorlauf. Wenn wenig Zug auf das Ankergeschirr kommt,
dann liegt die Kette doch nahe am Grund und die Trosse kann sich genausogut
einen Fels-oder scharfkantigen Steingrat suchen, um dort beschädigt zu
werden. Die leichtere Handhabung eines Ankergeschirrs mit Kettenvorlauf ist
kein Argument für diese Lösung. Auf größeren Yachten ist das Gegenteil der
Fall - siehe unten.
Den
Nachteil des Kettenvorlaufs haben Sie gut beschrieben. Man ist mit dem
Zweitanker eben in der Manövrierfähigkeit erheblich eingeschränkt. 10 Meter
Kettenvorlauf haben nämlich bei richtiger Dimensionierung auf einem
größeren Schiff ein erhebliches Gewicht. Und das stört gewaltig, wenn man den Zweitanker mit dem Beiboot einholen möchte.
Über ein Ankerspill geht es auch nicht gut, denn man müsste von Trosse auf
Kette umswitchen, was schwierig sein wird, zumindest dann, wenn ein
erhebliches Gewicht oder Zug auf dem Geschirr steht.
Ohne
Kettenvorlauf ist es dagegen ein Kinderspiel den Anker mit dem Beiboot einzuholen, ohne die
Yacht, das Mutterschiff zu bewegen: Ein Mann befindet sich auf dem Vorschif
und gibt Lose in die Trosse, während sich der Mann im Beiboot an der
Trosse zum Anker hin verholt. Über dem Anker bricht er diesen durch
fortwährendes Dichtholen und Belegen der Trosse aus (wie auf der Zeichnung
von John Bassiner in meinem Buch ANKERN - siehe hier!
- beschrieben.
Das
Wichtigste hierbei: Sich Zeit lassen, nicht hudeln und geduldig warten, bis
sich die belastete Seite des Beibootes leicht hebt. Dann ist der Anker
ausgebrochen. Funktioniert auch mit einem Schlauchboot.
Nicht
gescheit wäre es, den Zweitanker nun an Bord des Beibootes zu nehmen. Denn
dabei liefe man leicht Gefahr, das Beiboot beschädigen und in Kentergefahr zu
bringen. Nein, der
Anker wird nur soweit geholt, dass er über Grund schwebt, dann holt der Mann auf
dem Vorschiff das Dingy gemächlich an der Trosse zum Schiff. Man kann sich
dabei eine Menge Zeit lassen, denn nach wie vor hängt die Yacht ja sicher vor
dem Hauptanker.
Wenn
das Beiboot zum Schiff verholt ist, dann kann von dessen Bord aus der
Zweitanker leicht an Deck genommen werden, denn hierfür steht ja jede Menge
Geschirr zur Verfügung (Fall, Spi-Fall etc).
Dringend
abzuraten ist von der denkbaren Möglichkeit, den Zweitanker mit der Yacht
aufzuholen. Selbst wenn diese genügend Kette gibt, ist sie noch lange nicht
voll manövrierfähig. Ich habe auf dem Hardstand genügend Yachten gesehen,
deren Unterwasserschiff erheblich verschrammt und verkratzt war. Die Ursache:
Herumfahren auf dem Ankerplatz, gefesselt mittels Kette an den Grund.
Umgekehrt, wenn man also zuerst den Hauptanker aufholen möchte, solange die
Yacht noch am Zweitanker gefesselt ist, kann man dabei leicht der Trosse
ins Gehege kommen und diese sich - gerade bei den modernene Kurzkielern - um
Saildrive oder Ruder wickeln.
Sie
sprechen mich auch auf die von mir vorgeschlagene Lösung des Sicherns der
Trosse mittels Boje an. Dabei wirft man den Tampen der Trosse mit angehängter
Boje oder Fender einfach ins Wasser. Man geht also ankerauf und holt dann -
frei von Kette und Anker - mittels Ankerwinde auf dem Vorschiff in Ruhe den
Zweitanker ein.
Die
gesicherte Trosse über Bord zu geben und später wieder einzuholen,
habe ich nur für den Notfall vorgeschlagen. Dass das Ankergeschirr von
Fischern oder "Segelkameraden" geklaut
worden ist, hab ich noch nicht erlebt.
Mit
ganz herzlichen Grüßen.
Bobby Schenk