Besucher fragen, Bobby Schenk
antwortet
24. September 2016
Hallo,
selbstverständlich kann man mit einem Budget von 50.000 € für Schiff und Lebensunterhalt zehn Jahre lang auf Langfahrt
gehen und vielleicht auch um die Welt segeln. Oder sich in der Karibik
durchschlagen oder in der Südsee sich bei den angeblich so
gastfreundschaftlichen Einheimischen durchfüttern lassen.
Wenn,
a) das Schiff nicht mehr als ca. 25 Tausend bis 30 Tausend Euro in der Anschaffung kostet.
Dafür sollte man eine GFK-Yacht um die 10 Meter bekommen. Sie sollte nicht älter als 30 Jahre sein, und sie darf keine Osmose haben. Diese sollte auch nicht zu erwarten sein, was allerdings bei alten Kunststoffschiffen nicht garantiert werden kann. Besser wäre eine Yacht, die schon Osmose gehabt hat, welche aber fachmännisch(!) durch einen Spezial-Reparaturbetrieb saniert worden ist.
b) die Aufrüstung zur Blauwasseryacht für ein paar tausend Euro durchgeführt werden kann.
Hierfür sind unbedingt notwendig ein Sonnensegel, ein brauchbares Beiboot und ein tüchtiges Ankergeschirr. Denn letzteres wird wahrscheinlich an die 70 Prozent der Reisezeit eingesetzt werden müssen; schließlich wird man sich den Aufenthalt in der Marina oder im Hafen nicht leisten können. Außerdem benötigt man eine Wind-Selbststeueranlage, die es gebraucht (und bewährt) geben sollte.
Auf irgendwelche elektronische Spielereien muss man verzichten; dafür darf kein Geld ausgegeben werden. Unverzichtbar ist heute aber ein Notebook für unter 500 Euro, zwei einfache GPS für jeweils 100 Euro und ein AIS. Das reicht für eine sichere Navigation! Wenn man's kann.
c)
der Skipper handwerklich begabt ist.
Denn bei diesem Budget sind selbstverständlich ein Werftaufenthalt oder Reparaturen durch teure und obendrein häufig unfähige "Local Specialists" nicht drin.
d) der Skipper Restaurantbesuche und Alkohol meidet.
Letzter Punkt kann leider sehr ins Geld gehen. Stellen wir uns vor, jemand ist pro Tag vier Dosen Bier "gewöhnt". Dieser Stoff ist nahezu nirgends billig. Mit mindestens einem Dollar pro Dose muss gerechnet werden. Macht, vorsichtig kalkuliert, pro Jahr 1500 Euro, also in 10Jahren 15 Tausend. Damit wäre praktisch das gesamte Budget ausgegeben.
e) der Skipper kerngesund ist, und zwar über den gesamten Zeitraum.
Denn Arztbesuche oder gar Krankenhausaufenthalte gibt das wenige Geld für 10 Jahre nicht her.
f)
der Skipper fleißig ist.
So ein altes Schiff kann in kurzer Zeit vergammeln. Voraussetzung auch für einen Low-Budget-Segler ist aber eine Yacht, auf die er sich verlassen kann und wo alles funktioniert. Sämtliche Reparaturen müssen vom Skipper durchgeführt werden. Und dennoch wird es sich nicht ganz vermeiden lassen, dass Ersatzteile angeschafft und bezahlt werden müssen.
g) der Skipper tauchen kann.
Hier ist nicht die Rede von einem Sporttaucher, der alles über Dekompressionstabellen weiß, sondern von einem sportlichen Schwimmer, der auch mal mit dem Schnorchel ein paar Meter tief tauchen und ohne Atemgerät schon mal eine Minute unter Wasser verbringen kann. Denn das Unterwasserschiff neu malen ist nicht finanzierbar (Travelift und Farben). So gilt es per täglichem Schnorcheln und Bürsten, den Rumpf vom Bewuchs freizuhalten, damit die Yacht in seeklarem Zustand verbleibt.
Auf diese Weise kann man sich das Rausholen der Yacht Jahre lang ersparen.
h) der Skipper nicht mit Nebeneinnahmen rechnet.
Selbstverständlich ergeben sich im Laufe der Zeit, wenn auch selten, Gelegenheiten, wo der Segler auf anderen Schiffen gegen geringes Entgelt mitarbeiten oder reparieren kann. Aber verlassen darf man sich darauf nicht. Auch muss berücksichtigt werden, dass an vielen Ankerplätzen die Behörden streng darüber wachen, dass hier kein Ausländer ohne eine Arbeitsgenehmigung Geld verdient.
Gleiches gilt für die Idee, die Bordkasse durch Verchartern aufzubessern. Darüber wiederum wachen strikt die einheimischen offiziellen Charterfirmen. Im übrigen sind die Chancen einer solchen nicht sehr attraktiven Sparyacht, Gäste zu bekommen, ohnehin mehr als minimal.
i) der Skipper auf Rückversicherungen verzichten kann.
Renteneinzahlungen oder Krankenversicherungen sind nicht drin. Für jüngere Segler mag dies bei altersgemäßem Optimismus eine Option sein. Auch sonstige Versicherungen (Kasko fürs Schiff) sind nicht bezahlbar. Eine Ausnahme ist allerdings die (nicht sehr teure, aber immerhin, ein paar Euro sind es auch) Haftpflichtversicherung fürs Schiff, die in manchen Ländern gesetzlich vorgeschrieben ist.
j) der Skipper Glück hat.
Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Da kann schon mal das eine oder andere kleine Unglück geschehen: Ein Sturm, der die Segel zerfetzt, eine Grundberührung mit nachfolgendem notwenigem Aufenthalt auf dem Trockenen, eine unvorhergesehene Krankheit oder ganz banal Versorgungsschwierigkeiten. All diese Ereignisse können ein solches Unternehmen gefährden. Damit dies nicht geschieht, braucht man also das berühmte "Quentchen Glück".
k) der Skipper über gesundes Selbstvertrauen verfügt, mental also ok. ist.
Das sind schon eine Menge Voraussetzungen für diesen Spartrip. Ob der unter diesen Bedingungen befriedigt, ja auch Spaß macht, kann nur subjektiv beantwortet werden.
Der berühmte österreichische Kat-Segler Wolfgang Hausner hat es mal auf einen Nenner gebracht und von sich behauptet, er bräuchte "one dollar - one day". Das hat bei vielen Unruhe erzeugt, verbunden mit dem Selbstvorwurf: "Ich versäum da was!". Diese haben dabei vergessen, dass sie eben nicht so eine starke Persönlichkeit sind wie Wolfgang. Der wohl alle obigen Bedingungen mehr als erfüllt hat. Das war allerdings
fast vor einem halben Jahrhundert. Wenn man das auf die heutige Zeit projiziert, dann bewegt man sich zwar in einem ähnlichen Rahmen, aber es ist eher schwieriger geworden. Segler werden mancherorts in Marinas gezwungen, an Ankerplätzen wird abkassiert, Leuchtfeuer-Gebühren werden erhoben, Yachtis sind nicht mehr die "jungen sympathischen Leute", sondern wohlhabende Rentner, gammelige Aussteiger, Millionäre oder gar Drogenschmuggler.
Trotzdem: Unter den genannten Voraussetzungen könnten Sie das schaffen.
Ich nicht!
LG
Bobby
Schenk

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