Besucher fragen, Bobby Schenk
antwortet
22.01.2017
Sehr
geehrter Herr Kraushaar,
Nein,
lassen Sie sich nicht irre machen! Wenn Sie mal die frühen Jahrgänge unseres
Fachorgans durchblättern, so stoßen Sie so alle zwei oder drei
Ausgaben auf irgendwelche "revolutionären" Erfindungen im Yachtbau, die
ausnahmslos eines gemeinsam haben: Durchgesetzt haben Sie sich allesamt nicht!
Jetzt
werden Sie sich fragen, warum man dann zunächst überhaupt versucht hat, diese
angebliche Revolutionen in die Praxis umzusetzen. Die Antwort liegt auf der Hand:
Zwischen den Werften tobt ein heftiger Konkurrenzkampf. Und so ist es für sie geradezu überlebensnotwendig,
den Kunden mit Eigenschaften ihrer Yacht anzulocken,
die eben die (scheinheilig freundlich gesagt:) "Mitbewerber" nicht
bieten können. Nachdem heute beim Rigg nichts besonderes mehr
präsentiert werden werden
kann - nahezu ausschließlich werden Sloops angeboten - benutzt man das Unterwasserschiff, um
den unwissenden Schiffskäufer aufs Glatteis zu führen und ihm die eigene Konstruktion (meist ist sie nicht mal neu
erfunden, sondern abgekupfert) aufzureden. Nahezu
immer mit dem Argument, besagte innovative Yacht sei nun mal viel schneller als alle
anderen mit gleicher Schiffslänge. Die Geschwindigkeit (oder auch die Höhe am
Wind) ist ein ideales Argument für den Verkäufer, weil sich das kaum jemals
nachprüfen lässt, schon gar nicht in einer Messehalle kurz vor
Vertragsabschluss.
Das Unterwasserschiff, also Kiel und Ruder, ist eben besonders geeignet, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Statt dass sich der zukünftige Schiffskäufer fragt, warum die jeweilige geniale technische Neuerung erst jetzt "erfunden" worden ist
und warum die Konkurrenz sie nicht auch in ihre Schiffe einbaut, lässt sich der Laie dann breitschlagen.
Erst recht, wenn man solch beeindruckende Argumente an der Hand hat wie zum Beispiel, dass gerade mit diesem Kiel der
America's Cup von der AUSTRALIA II gewonnen wurde. So war es mal vor vielen Jahren Mode, für seine
Yacht bei der Werft ein "Constellation-Ruder" - klingt verdammt gut, oder? -
zu bestellen, weil eine gleichnamige Yacht damals die Silberkanne für sich
entschieden hatte. Eine Zeitlang war es auch Mode, Schiffe zu kaufen, die mit
einem Bulbkiel (aus der Berufsschifffahrt übernommen) ausgestattet waren,
heute kennen höchstens Insider überhaupt noch den Begriff. Und erst recht gilt
dies in besonderem Maße für den von Ihnen genannten Flügelkiel.
Dass
dieser Siegerkiel beim berühmtesten Rennen gewonnen hat, sagt noch lange
nicht, dass er auch für eine Fahrtenyacht, die Sie ja suchen, besondere Vorteile
hätte. Denn ein minimal höheres Geschwindigkeitspotential
wegen des Flügelkiels können eben nur hochgezüchtete 12er-Yachten im oberen
Geschwindigkeitsbereich erzielen, in die Sie mit der gesuchten Fahrtenyacht
niemals vordringen werden.
Sicher,
ganz minimale Vorteile wird er auch Ihnen bringen, nämlich einen etwas
geringeren
Tiefgang bei gleichem Ballastanteil als bei einem herkömmlichen Kiel und - je
nach Form - eine
höhere Standfestigkeit "on the hard" ohne die aber letztlich doch
notwendige Abstützung - was Sie höchstwahrscheinlich niemals brauchen werden.
Der
Flügelkiel wird also für Sie nutzlos sein. Zuletzt jedoch noch die gute Nachricht: Er
schadet auch nicht.
Also,
wenn die von Ihnen gesuchte Yacht ansonsten Ihren
Ansprüchen genügt, wenn Sie vor allem das ganz wichtige nahezu erotische Gefühl haben, dass
es unbedingt diese Yacht sein muss, dann greifen Sie ruhig zu!
Alles
Gute!
Mit
freundlichen Grüßen
Bobby
Schenk

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