Besucher fragen, Bobby Schenk antwortet


24.02.2017

Sehr geehrter Herr Zorn,

Beim Yachtbau handelt es sich angesichts der im Vergleich zur Produktion von Automobilen geringen Stückzahlen um eine Art Bastelei; bekannte Werften bauen zwei Dutzend Boote pro Jahr, die Autoindustrie aber Hunderttausende. Es ist also nicht verwunderlich, dass viele, die über den Schiffsbau nachdenken, regelmäßig Ideen einbringen, wie man die Herstellung von Yachten noch praktischer, noch rationeller, noch vernünftiger gestalten, kurz, wie man es besser machen könnte. Immerhin, als Jollensegler stellen Sie hier einen Gedanken zur Diskussion, der zunächst durchaus vernünftig erscheint. Denn ein hochseetüchtiges Segelboot, jedenfalls ein Einrümpfer, braucht einen Ballastkiel, um die wichtigste Eigenschaft, nämlich die Kentersicherheit, zu gewährleisten. Es leuchtet sicher auch Laien ein, dass diese Steifheit vom Gewicht des Kiels und dann noch nach den Hebelgesetzen vom Tiefgang abhängt - Prinzip des Stehaufmännchens. Kurzum, je schwerer der Kiel im Verhältnis zur Verdrängung im Wasser, desto besser! Denn er soll ja Steifheit aber auch möglichst wenig Widerstand im Fahrstrom bieten, um die Schnelligkeit der Yacht nicht zu reduzieren.

Aus diesem Grunde wird als Standardmaterial für den Kiel beziehungsweise seine Füllung meist Blei verwendet, denn dieses Metall hat im Vergleich mit fast allen Metallen eine sehr hohe Dichte, ist also, auch unter Berücksichtigung des Preises als Ballaststoff im Kiel ideal. Deshalb wird im Kunststoffbau grundsätzlich ein Bleikiel verwendet, im Stahlbau allein aus Kostengründen auch Eisenschrott.

Wir sprechen bei den für uns üblichen Batterien von "Bleibatterien" (vor allem dann, wenn wir sie per Hand transportieren müssen), weil ihr Gewicht zum größten Teil von den Bleiplatten in den Batterie-Gehäusen stammt. Was liegt also näher, als solche für jede Yacht notwendige Ausrüstungsgegenstände gleich als Ballast zu verwenden?

Mit dem kleinen Einmaleins lässt sich die Angelegenheit jedoch leicht relativieren, und dann fasziniert diese Lösung gar nicht mehr. Als Beispiel hab ich mir im Internet eine 100 Ah-Batterie ausgesucht, so oder ähnlich wie sie auch in den Schiffsbäuchen verwendet wird. Ihre Masse sind: 35,3 x 17,5 x 19 cm. Das ergibt einen Platzbedarf von 11, 7 Liter. Das spezifische Gewicht von Blei (= das Gewicht von einem Liter) beträgt 11,34 Kilogramm. Das ergäbe dann für die Batterie, wäre sie zur Gänze aus Blei 133 Kilogramm!

Ein ganz schöner Batzen, den wir wohl kaum mehr tragen könnten. Tatsächlch indessen beträgt das Gewicht der 100 Ah-Batterie laut Katalog nur 19 Kilogramm!

So ist der Ausdruck "Bleibatterie" also ziemlich irreführend, weil sie gerade mal ein Sechstel von dem auf die Waage bringt, was man auf Grund des Wortes "Bleibatterie" erwarten könnte. Und damit ist sie auch als Ballast und Ersatz für den Bleikiel fast unbrauchbar. Zumal die Überlegung, sie zumindest teilweise als Ersatz für den Bleikiel zu verwenden, noch eine Reihe weiterer Schwachpunkte hat:

Zum einen muß sie immer gut belüftet werden, damit sich beim Laden der Batterie kein explosives Knallgas bilden kann. Außerdem müsste sie gut zugänglich sein, um beispielsweise den Stand der Säure und die Säuredichte regelmäßig messen zu können, wenn sie nicht "wartungsfrei" ist. Und schließlich wären ihre Form und ihre Masse nicht gerade optimal geeignet, um sie an Stelle des Ballastes unterzubringen. Zwei dieser Batterien nebeneinander im Kiel ginge gar nicht!

Immerhin wird das geringere Gewicht der Batterien beim Bootsbau insofern berücksichtigt, als die Batteriebänke meist unter den Bodenbrettern zu finden sind.

Sie sehen, es ist nicht gerade leicht im Bootsbau Verbesserungen zu "erfinden", haben sich doch im Laufe von hundert Jahren schon so viele Segler und Bootsbauer darüber den Kopf zerbrochen. Und wenn Sie die Entwicklung der Fahrtenyachten über die letzten fünfzig Jahren verfolgen würden, so könnten Sie feststellen, dass die meisten den Reklamesprüchen zufolge "revolutionären Erfindungen und Entwicklungen" im Laufe der Zeit sang- und klanglos wieder verschwunden sind.

Mit freundlichen Grüßen

Bobby Schenk 

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