Besucher fragen, Bobby Schenk antwortet


Lieber Karsten, 
eins vorweg: Es handelt sich bei dem "kardanischen Tisch" um einen halbkardanischen Tisch. Denn er ist nur um die Längsschiffs achse drehbar, so ähnlich, wie wir es auch vom Gasofen für Yachten oder von den Petroleum-Kochöfen kennen.

Wir, Karla und ich , hatten sowohl auf der Weltumsegelung auf dem 34-Fuß-Kunststoffkreuzer THALASSA, als auch auf unserer Kap-Hoorn-Fahrt durch die Roaring Fourties mit der 15-Meter-Stahlyacht THALASSA II einen solchen "gimbaled table", also einen Schwingtisch, auch "kardanischer Tisch" genannt. Lediglich auf unserem 14-Meter-Katamaran sind wir 10 Jahre lang ohne einen solchen Tisch ausgekommen, auf einem Katamaran braucht es sowas nicht. 
Während in früheren Yacht-Zeiten ein "kardanischer" Tisch auf Fahrtenyachten fast die Regel war (Francis Chichester hatte zum Beispiel einen), verschwand mit dem zunehmend rationalisierten Serien-Yachtbau diese Art von Tischen. Einer der Gründe war wohl, dass man immer mehr Kojen in die Schiffe pferchen wollte, und da gewann man mit einem versenkbaren Tisch bei der Dinette-Anordnung zwei zusätzliche Schlafstellen. Versenkbar und halbkardanisch verträgt sich eben nicht.

Ein weiterer Grund war wohl die zunehmende Verwendung von Fahrtenyachten als eine Art Daysailor, also für Kurztörns zwischen zwei Marinas. Da war es der ohnehin an der Seekrankheit dahinschrammenden Besatzung schon zuzumuten, den Tisch, wenn überhaupt unterwegs unten gespeist wurde, mit nassen Tüchern oder mit rutschfesten Matten einigermaßen essensverwendbar zu machen. 
So wurden unsere oben erwähnten Yachten zunächst auch mit einem starren Tisch gebaut. Bei der THALASSA, dem Fähnrich 34, habe ich einfach einen biederen Schreiner beauftragt, mir den vorhandenen Tisch, der auf einem Tischfuß in der Mitte angebracht war, auf halbkardanisch umzubauen. Und der hat halt den Tisch irgendwie um die Längsachse drehbar gemacht, Kugellager oder ähnlich aufwendige Lagerkonstruktionen und ein lange Stange fast bis zum Boden angebracht, an deren Ende ein ziemlich schweres Bleigewicht befestigt war. Pläne hierfür gab es nicht, Zeichnungen wurden nicht gefertigt.

Ähnlich verfuhr die Werft Nord Nederland (existiert meines Wissens nicht mehr), die einen Tisch für acht Personen von vorneherein starr geplant, aber dann drehbar ausgeführt hatte, mit einem schweren Bleigewicht in Bodennähe. Wenn ich mich recht erinnere, hatte das Bleigewicht ein Volumen von insgesamt ungefähr zwei Litern. Für die Benutzung im Hafen konnte der Tisch mit einem Splint starr gestellt werden. 
Im Internet findet sich eine Reihe von (Schwach-)Stellen, wo "Super-Experten" ausführen, ja vorrechnen, dass ein "kardanischer Tisch" im Seegang nicht funktionieren kann. Es mag schon richtig sein, dass sich so ein Tisch gegebenenfalls aufschaukelt, denn eine Yacht dreht sich beim Krängen oder Rollen ja nicht nur um die Längsachse, sondern führt gleichzeitig auch heftige Bewegungen um die Querachse (zum Beispiel stampfen) durch. Das ist vollkommen richtig - theoretisch. In der Praxis jedenfalls funktionieren derartige halbkardanische Tische hervorragend.

Zwei Fakten: Auf unserem 10-Meter-Schiff wurde vor dem Start zum Törn immer(!) der Splint gezogen und dem Tisch das Schwingen erlaubt. Und dies über vier Jahre hinweg und während einer kompletten Weltumsegelung. Bei jedem Wetter wurde der Schwingtisch auch benutzt. Nicht nur zum Essen und Trinken, sondern auch zum sicheren Ablegen von Gegenständen, zum Beispiel Kameras.

Auf der THALASSA II verfuhren wir in gleicher Weise. Manchmal saßen da acht Personen im Passat beim Mittagessen am Schwingtisch und ließen es sich schmecken. Obwohl die seitlich am Tisch Sitzenden die Tischkante manchmal am Kinn und dann wieder am Knie hatten - Gewohnheitssache. Und selbstverständlich dachten wir nicht im Traum daran, den Tisch in Stürmen von achtern her in den Brüllenden Vierzigern festzustellen. Auch beim wochenlangen Gegenanbolzen im Südatlantik Richtung Azoren war der Tisch der (scheinbar) ruhende Pol.

Das Geheimnis: Stoßdämpfer! Nicht aus Metall, sondern Gummistropps um Tischfuss und Bleihalterung, die je nach Länge, Dicke und Anzahl der Buchten für ein paar Cent wunderbar justiert werden konnten. Wir haben dazu mal durch Try-and-Error eine Einstellung bei Test-Törns gefunden - und dabei blieb es jahrelang bei allen Wettersituationen und Segelstellungen.

Noch ein Detail scheint mir wichtig: Die Tische waren mit einer Tischreling (roter Pfeil auf dem Foto links)versehen- vorsorglich, um ein Runterfallen von Geschirr zu vermeiden. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass die Tischreling je funktionieren musste. Und: Abnehmbar muss die Reling sein. Wenn Sie das nicht glauben, haben Sie den Tisch noch nie mit einem Lappen abgewischt, um ihn von Bröseln und Essensresten zu befreien. 

Liebe Grüße 
Bobby Schenk

 

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