Besucher fragen, Bobby Schenk antwortet


Hallo Michael Fuchs,

Ihr Fall berührt mich saher, denn einer so nebensächlichen Schwäche wegen von den Freuden des Fahrtensegelns ausgeschlossen zu sein, finde ich - gelinde gesagt - schade. Deshalb bin ich voll auf Ihrer Seite, wenn Sie nach einer Möglichkeit suchen, doch noch zu einer eigenhändigen Weltumsegelung zu kommen.

Zunächst ist festzustellen, dass es hiezulande nach internationalem Gesetzesrecht durchaus korrekt ist, Ihnen die Qualifikation als Schiffsführer zu verweigern. Und das ist auch in anderen Ländern so, die sich - wie die meisten - an die Kollisionsverhütungsregeln (KVR) halten. Denn die Regel 5 lautet in der deutschen Übersetzung:

"Jedes Fahrzeug muß jederzeit durch Sehen und Hören sowie durch jedes andere verfügbare Mittel, das den gegebenen Umständen und Bedingungen entspricht, gehörigen Ausguck halten, der einen vollständigen Überblick über die Lage und die Möglichkeit der Gefahr eines Zusammenstoßes gibt."

Da die gesetzlich  vorgeschriebene Lichterführung neben WEISS vor allem auf ROT und GRÜN abstellt, wird man nichts dagegen einwenden können. Auch wenn die Praxis, je nach Land, erheblich davon abweicht. Siehe unten das Foto von Thailand, wo es von allen möglichen Lichtern, die die KVR nicht erwähnen, besonders auf Fischerbooten nur so wimmelt. Es ist zwar ganz lustig, wenn es um einen herum nach Blau, Rot, Gelb und Grün flasht und funkelt, aber des nachts zur Orientierung in diesen Gewässern nutzt man besser Radar, Ais oder ein Nachtsichtgerät.

Auch bei den gesellschaftlich durchaus akzeptierten Einhandseglern auf den Weltmeeren nimmt man fast widerspruchslos die Tatsache hin, dass der schlafende Einhandsegler, der im Wesentlichen auf die einsame Weiträumigkeit eines Ozeans vertraut, nicht rund um die Uhr seinen gesetzlichen(!) Verpflichtungen nachkommen kann, auch wenn er während der Abwesenheit an Deck auf alle möglichen technischen Hilfsmittel (Radarwarner etc) vertraut.

Aber diese Einwände werden Ihnen - Gesetz ist Gesetz - in der Praxis wenig helfen. Man wird nichts gegen die Praxis, eine volle Sehfähigkeit für einen Yacht-Führerschein zu verlangen, ausrichten können.

Was Sie aber möglicherweise weiterbringt: Deutsche Führerscheinvorschriften sind nationale Gesetze, gelten also nur für deutsche Gewässer, vielleicht noch in der EU aber sonst nirgendwo. Wenn also ein ausländischer Hafenkapitän (niemals die Marina!), zum Beispiel in Tunesien,  die Vorlage eines gesetzlichen Führerscheins von einem deutschen Segler verlangen würde, dann könnte man das mit dem Argument abwehren, dass es so einen  Führerschein für ein tunesisches Gewässer in Deutschland nicht gibt und er darum eben nicht erforderlich ist.

Was Ihnen aber ebenfalls der Praxis wenig weiterhelfen würde. Wie mir vor vielen Jahren, als ich einem türkischen Beamten dann doch meinen deutschen Führerschein vorzeigen musste. Übrigens der einzige Fall, wo von mir verlangt worden war, einen Führerschein vorzulegen - anders, als der Nachweis über das Eigentum an der Yacht oder deren Besitzverhältnisse!

Je weiter Sie sich aber von den EU-Gewässern entfernen, umso sicherer werden sie auch ohne deutschen Führerschein sein. Man stelle sich mal plastisch vor, welchen Überblick über "erforderliche Führerscheine" ein Hafenkapitän zum Beispiel in Indonesien haben müsste, bei dem gewiss  Segler aus an die hundert Ländern einkehren. Er wird wahrscheinlich gar nicht erst nach dem Führerschein fragen. Und wenn, dann wird er sich mit irgendeinem Dokument, das so aussieht wie ein Führerschein, begnügen.

Wovon ich allerdings ausdrücklich abrate, ist es, sich eine Fälschung eines "echten" Führerscheins zuzulegen, denn das wäre wohl überall strafbar. Aber es gibt eine Reihe von Segelschulen oder auch Charterunternehmen, die ihnen sicher einen Befähigungsausweis zum Führen einer Yacht ausstellen würden. Das ist nicht strafbar und auch korrekt. Der Hafenkapitän fernab von Europa wird sich auch damit begnügen, vor allem, wenn der Schein in englischer Sprache für ihn lesbar ist. Ich(!) würde in Überseegebieten auch nicht davor zurückschrecken, mir selbst einen Fantasieführerschein herzustellen. Auch das ist nicht strafbar, solange ich nicht den Ausstellernamen einer existierenden Firma, Segelschule, ADAC oder gar Behörde verwende.

Was viele nicht gerne hören: Selbst unter den deutschen Weltumseglern gibt es eine Reihe von erfolgreichen Seglern, die jdenfalls nicht einen deutschen Segelschein vorweisen können, weder den Sportküstenschifferschein (SKS) und schon gar nicht den Sporthochseeschifferschein (SHS). Und die allermeisten amerikanischen Langfahrtsegler lächeln diese Problematik gegenüber Hafenbehörden in aller Welt mit dem Hinweis weg, dass es in den USA, so wie in vielen Ländern, gar keinen staatlichen Segelschein gibt.

Hierzu ist vielleicht auch ein kurzer Rückblick ganz aufschlussreich. Lange gab es in Deutschland überhaupt keine behördlichen Bootsführerscheine. Der DSV (=deutscher Seglerverband - ein Verein wie der Name sagt und ganz sicher keine Behörde), hatte sich die Lücke im Scheinwesen zunutze gemacht und seine eigenen Scheine herausgegeben, wobei er wegen der Daseinsberechtigung seines Papiers immer den Anschein erwecken wollte, dass diese Scheine "amtlich" (er hat sogar fälschlich seine Mitteilungen als "amtlich" bezeichnet) sind. Daneben aber gab es auch andere "Segelverbände", die ebenfalls Scheine herausgegeben haben - nach Besuch ihrer Segelschule versteht sich.

Freunde und ich haben uns schon vor vielen Jahren über dieses Führerschein-Wildwest lustig gemacht, indem wir ebenfalls einen Segelschein gedruckt haben, wobei als Herausgeber eine nicht existierende  "Unabhängige deutsche Seefahrer-Kameradschaft" (UDSK) fungierte. Man konnte für 10 D-Mark so einen einen Schein erwerben, wobei man nur auf dem Bestellschein angeben musste für welches Fahrtengebiet er gelten sollte. Nebenbei: Die männlichen Besteller haben fast immer als Geltungsbereich "ohne Beschränkungen" also weltweit, angekreuzt, während für die bessere Hälfte meist nur gönnerhaft "binnen" geordert wurde. Der Vollständigkeit: Der Erlös aus dieser Protestaktion in Höhe von ein paar hundert Mark wurde anschließend vollständig an die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger abgeführt.

Ich habe übrigens auf dem Heck meiner Weltumsegelyacht den Namen der ominösen Gesellschaft aufgebracht und wurde häufig dann gefragt, wo denn UDSK liege. Den UDSK-Schein (siehe Foto - der Rauschknoten statt Kreuzknoten war beabsichtigt!) habe ich dann auch öfters bei der Einreise den Behörden testweise vorgelegt, ohne dass jemals irgendeiner daran Anstoß genommen hätte.

Sie sehen, es ginge auch so! Ob Sie sich aber dabei wohlfühlen, ist eine ganz andere Sache.

Seglergrüße Bobby Schenk

P.S. Und um allen scheinheiligen Kritikern vorzubeugen: Ich hab alle (gesetzlichen und DSV-) Segel-Führerscheine, auch die höchsten, legal nach dem Bestehen der entsprechenden Prüfungen erworben.

zur Home-Page

Page by Bobby Schenk
E-Mail: mail@bobbyschenk.de

URL of this Page is: https://www.bobbyschenk.de/quest/f354.html

Impressum und Datenschutzerklärung