Besucher fragen, Bobby Schenk antwortet


Hallo Michael,

Über diese Frage mögen manche lächeln, aber so abwegig ist sie gar nicht.

Auch wenn in der Zeit der immer größer werdenden Yachten dieses früher sehr ernste Problem heute scheinbar in den Hintergrund getreten ist.

Die Fakten: Der Mensch kann ohne Nahrung ein paar Wochen leben, ohne Flüssigkeit, also an erster Stelle Wasser, nur ein paar Tage. Der Bedarf an Flüssigkeit ist so gering, dass man sich zu Hause an Land kaum Gedanken darüber macht, wieviel Wasser man zum Überleben braucht. Anders ist es auf Yachten, denn dort fließt nicht endlos Süßwasser, wenn man den Hahn aufdreht; irgendwann wird der Strahl versiegen.

Mancher wird sich hier z.B. vor einer Atlantiküberquerung nicht den Kopf zerbrechen, denn er hat ja einen Watermaker (Foto - Meerwasser-Entsalzungsanlage) an Bord, der durchaus wohlschmeckendes Süßwasser produzieren kann, sodass die Gefahr des Verdurstens während des Törns nicht besteht - solange die durchaus empfindliche Anlage funktioniert - und genügend Strom vorhanden ist.

Im übrigen sind unsere heutigen Yachten auch so groß, dass im normalen Konservenvorrat genug Flüssigkeit vorgehalten wird, um eine ernsthafte Gefahr des Verdurstens so schnell nicht aufkommen zu lassen.

Trotzdem, wenn man bedenkt, wie viele Einrichtungen auf einer Segelyacht der Sicherheit dienen, von der Rettungsinsel angefangen bis zu den Feuerlöschern, sollte man auch einen Trinkwasservorrat an Bord haben, der unter allen Umständen, also auch bei zeitraubenden Notfällen wie Mast-/Ruder-Bruch, fürs Überleben sorgt.

Wie viele Liter? Die Antwort gibt unsere Tankkapazität, die Anzahl der Segler und die Reisedauer. Hierbei sollte man, wenn wir bei einer Atlantiküberquerung bleiben, die ohne Zwischenfälle um die 20 Tage dauert, aus Gründen der Sicherheit von der doppelten Reisedauer ausgehen, also von 40 Tagen.

Würde man das vorhandene Süßwasser nur trinken, so käme man also bei zwei Liter pro Person und einer dreiköpfigen Besatzung schon mit 240 Liter Wasser aus. Nun ist es aber lebensfremd, die Wassermenge nach der Formel zu berechnen, dass jedes Besatzungsmitglied ca zwei Liter zum Überleben braucht. Wie segeln ja aus Freude an dieser wunderbaren Fortbewegung und wollen einen gewissen Lebensstandard auch unterwegs aufrechterhalten und nicht dahinvegetieren. Dazu gehört aber zusätzliches Wasser mindestens für die Körperpflege. Und das wirft obige Berechnung einer Mindestmenge über den Haufen.
Auf zahlreichen Atlantiküberquerungen, an denen ich als Skipper beteiligt war, haben wir uns deshalb folgende Regeln gegeben:

1)Süßwasser darf nur für leichte Körperwäsche (Hände, Gesicht, Zähne) verwendet werden!

 Um das Salzwasser nach einer Eimerdusche mit Meerwasser, einem salzigem Bad, gesichert am Heck, oder nach der Arbeit in schlechtem Wetter an Deck loszuwerden, darf die Süßwasserdusche an der Badeleiter, die ja auf den meisten Yachten zur Standardausrüstung gehört oder gehören sollte, verwendet werden. Dies dient dem Wohlergehen aller, denn wenn man mal auf der Haut oder gar an den Kleidern Salzwasser, und seien es auch nur wenige Kristalle, ins Schiffsinnere eingeschleppt hat, dann wird mit der Zeit alles klamm, insbesondere die Sitzgarnitur. Wer übrigens schon zu Hause oder am Steg wissen möchte, wieviel eine Süßwasserdusche verbraucht, kann das leicht feststellen, indem er die Zeit für eine sparsame Ganzkörperdusche stoppt und dann genauso lange die aufgedrehte Brause in einen Eimer hält. Es werden wohl so an die fünf bis 15 Liter sein.

2) Süßwasser darf - ohne Limit - zum Trinken und Kochen verwendet werden.

Aber auch da lässt sich Süßwasser sparen. Zum Beispiel kann man Spaghetti in verdünntem Salzwasser kochen und so. Abspülen findet mit Salzwasser statt. Um folgende Einschränkung deutlich zu machen: Haarewaschen unter keinen Umständen! Ein Lob besonders an die weiblichen Mitsegler, die das ohne hörbares Murren sehr diszipliniert mitgemacht haben.

Um jetzt mal eine Zahl zu nennen: Auf einer 35 Tage währenden Atlantiküberquerung zu zweit haben wir unter Einhaltung obiger Regeln ca 240 Liter aus unserem 300 Liter fassenden Wassertank verbraucht. Zu acht verbrauchten wir ein anderes Mal für in 20 Tagen ca 800 Liter aus dem 1000-Liter-Tank.

Es gibt auch ein paar bewährte Tricks, wie man Wasser im täglichen Bordleben sparen kann (Wassersparer) oder auch wie man Wasser unterwegs auch ohne Watermaker mit einer Wasserauffanganlage das köstliche Nass gewinnen kann.

Selbstverständlich wird man neben dem Wasser im Haupttank der Yacht einen nennenswerten Wasservorrat in Kanistern oder eben in Plastikflaschen dabei haben. Schon wegen eines Seenotfalls, bei dem die Mannschaft in die Rettungsinsel muss. Es wird kaum einen Blauwassersegler geben, der hier nicht einen Extravorrat in einem oder mehreren tragbaren Kanistern vorhält. Denn der weiß, dass er in der Insel lediglich ein paar Dosen Wasser, sicher weniger als fünf Liter, vorfinden würde.

Wenn es ums Überleben in der Rettungsinsel geht, darf folgender Hinweis nicht fehlen:
Die Engländer Maurice und Maralyn Bailey mußten 1973 auf dem Weg nach Galapagos nach einer Walkollision ihre neun Meter lange AURALYN verlassen und in die Rettungsinsel gehen. Nach unglaublichen 118 Tage in der Insel wurden die beiden lebend von einem vorbeifahrenden Schiff aufgenommen. Wenn man sich Gedanken wegen des Trinkwasservorrates auf einer tausende von Meilen dauernden Langfahrt macht, sollte man im Schrifttum nachlesen, wie die beiden diese unvorstellbare Tortur überlebt haben. Bestimmt nicht, weil sie Seewasser getrunken haben, was tödlich gewesen wäre!

Mit freundlichen Grüßen
Bobby

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