Besucher fragen, Bobby Schenk antwortet


Das Böse ist immer und überall

Sehr geehrter Herr Dreher,

"Das Böse ist immer und überall", bringt es die EAV (Erste Allgemeine Verunsicherung) in Ihrem Song aus den 80er Jahren vom Ba-Ba-Banküberfall auf den Punkt. Und tatsächlich wurden wir einmal unmittelbar Zeugen von einem Banküberfall (inklusive Schusswechsel) mitten in der großen Marina von Chaguaramas (Trinidad), wo wir mit unserem Katamaran vor der Passage über die Karibik pausierten.

Das war aber in fünfundzwanzig Jahren "auf See" das einzige Mal, dass wir mit einem Verbrechen in Yachtnähe konfrontiert wurden. Und tatsächlich sind Überfälle oder gar Mordtaten gegen Yachtsleute extrem selten, werden aber durch Presseberichte enorm gewichtet.

Und - das ist mein Hauptargument zu den Diskussionen um Waffen an Bord auf einer Blauwasserfahrt: Stellen wir mal fest: In Deutschland wird mit höchst beunruhigender Regelmäßigkeit über Messerstechereien, Amokläufe, Geldtransportüberfälle, Einbruchsserien durch Gangs aus aller Herren Länder, Amokfahrten mit einem todbringenden Kraftfahrzeug, geplanten Sprengstoffanschlägen oder Morden berichtet. Und trotzdem werden Sie sich hierzulande wohl kaum jemals ernsthaft Gedanken um Ihre Bewaffnung gemacht haben. Eher schon, dass Sie genau aus diesem Grund auf die sicherere Blauwasserfahrt zu gehen.

Das ist auch für unterwegs mit Ihrer Yacht nicht nötig. Zumal die Sicherheits- und Gefährdungslage - siehe oben - in dem angeblich so zivilisierten Deutschland erheblich höher ist, als in manchen, von uns überheblich genannten "Bananenstaaten". Messerstechereien, Vergewaltigungen, Einbruchsserien, Amokfahrten oder ähnliches, die im braven Deutschland fast täglich geschehen, kommen in manchen "Bananenstaaten" ganz einfach nicht vor. Jedenfalls hab ich von derartigen Verbrechen zum Beispiel in Fijii, in Polynesien, in Samoa, in Galapagos oder auf den französichen Inseln in Westindien in neuerer Zeit nichts gehört.

Trotzdem schadet es sicher nicht, wenn man für die große Unternehmung mit allen Eventualitäten rechnet, also zum Beispiel mit Schiffsuntergang, Walkollision, Mastbruch, Blinddarmdurchbruch mitten auf dem Atlantik oder - Albtraum! - mit Wurzelhautentzündung eines Zahnes und so fort. Oder eben auch mit der Bewaffnung zur Selbstverteidigung.

Zu all diesen Punkten und noch viel mehr dürfen Sie sich eine Meinung bilden, so auch zum Thema Waffen, wobei ich jede Ansicht akzeptiere. Denn eine Ideallösung hierfür gibt es nicht. So gebe ich hier keine allgemeinen Verhaltensregeln oder gar quasi seemannschaftliche Grundsätze wider, sondern ausschließlich meine ganz persönliche Meinung.

Oberste Priorität hat, wie Sie mir Recht erwähnen, dass eine Verletzung, gar ein Töten eines anderen Menschen unter allen Umständen vermieden wird. Damit aber sind wir schon bei den Schusswaffen. Denn die bergen immer (!) die Gefahr, daß es zu ihrem Gebrauch und damit zum worst case kommt.

Deshalb fallen die schon mal in der Diskussion um Waffen weg. Ich gebe zu, dass ich früher eine andere Meinung vertreten habe, aber das waren auch ganz andere Zeiten, wo kein Mensch an professionelle Piratenbanden oder an Geiselnahmen durch schwerst bewaffnete Rebellen (bzw. je nach politischer Einstellung „Freiheitskämpfer“) gedacht hat. Das Äusserste an Bedrohung, was man sich vorstellen konnte, war, dass vielleicht ein paar Fischer etwas übergriffig werden und ein paar Dinge stehlen, die sie gut gebrauchen können. Schon der erste bekannte Weltumsegler, Joshua Slocum, hat sich um die vorletzte Jahrhundertwende darüber Gedanken gemacht, wie er sich gegen die "Indianer" (kommt vom Irrtum Kolumbus, er sei in Indien gelandet) in Feuerland verteidigen könne. Er hat nachts Reißnägel aufs Deck gestreut. Aber das nur nebenbei.

Meine Meinung zu Schusswaffen jeder Art, auch keine ohnehin nutzlose Signalpistole (heute hat jeder Funk!) teilen Sie ohnehin: Also keine Schießprügel jeglicher Art und - das Allerwichtigste: Wegen gefährlicher Übergriffe auf Yachten bekannt gewordene Gebiete unbedingt meiden! Dazu gehört in erster Linie Venezuela, das von der Karibik aus zu besuchen natürlich verlockend ist, als No-Go-Gebiet ansehen. Solche Ort wechseln je nach Zeit. Genauere Angaben erhält man leicht vor Ort von anderen Yachtsleuten oder von den Offiziellen. Und, wenn Sie schon mal durch solche No-Go-Gebiete routenbedingt durchsegeln müssen dann ist es sicherer, in Begleitung anderer Yachten in (Funk-) Rufweite zu segeln. Denn eventuelle Gangster werden sich immer auf allein segelnde Ziele konzentrieren.

Man kann aber auch auf dem Schiff Vorsorge treffen, um die Folgen eines - unwahrscheinlichen - Überfalls zumindest abzumildern. Dazu gehört leider auch die Bereitschaft, den Gangstern entgegenzukommen. In den allermeisten Gebieten sind diese ja keine Mördergesellen, sondern nur arme Fischer, die sich mit ein paar Gütern bereichern wollen, die ansonsten für sie unerreichbar wären. Man vermeide deshalb explosive Konfrontationen und "bediene" deren "Wünsche".

Ansonsten sollte man bei Kontakten mit den „Locals" anfangs nicht zu leichtsinnig sein, also nur ausnahmsweise solche Leute aufs Schiff oder gar ins Innere lassen, denn das weckt nur Begehrlichkeiten (genau das hab ich vor dem darauf folgenden nächtlichen Diebstahl von 4000 Dollar nicht beachtet!).

Und wenn Sie sich trotzdem bewaffnen wollen, dann, bitte schön, nur mit Geräten, mit denen Sie keinen nicht mehr gutzumachenden Schaden anrichten können. Amerikaner bevorzugen häufig Pfeffer-Sprays, aber nicht die niedlichen Dinger im Handtäschchen, die hierzulande scheinheiligerweise zur Abwehr von bösen Hunden verkauft werden, sondern große Dosen, die in Amerika ebenso scheinheiligerweise zur Abwehr von Bären oder Wespen verkauft werden. Das Spray reicht mit diesen großen Dosen fünf Meter weit.

Wolfgang Hausner, der auch in letzter Zeit seine Meinung nicht geändert hat - (siehe hier) – erzielte Erfolge mit einer elektrisch geladenen Reling, System elektrischer Weidezaun. Weil Sie dessen Namen schon erwähnt haben: Sie sollten berücksichtigen, dass er zeitlebens ein lonesome fighterwar, der mit normalen Maßstäben nicht zu messen ist. Ich persönlich würde mich auf seinen Lieblingsrevieren in Asien nicht gerne aufhalten, aber ich bin auch kein Wolfgang Hausner. Und Sie auch nicht.

Eine einzige Schusswaffe kann ich Ihnen nahelegen. Nein, es ist nicht die in diesem Zusammenhang öfters empfohlene, naturgemäß großkalibrige (deshalb auch tödliche) Signalpistole, sondern eine Schreckschuss-Pistole, wenn sie nicht von offizieller Seite als "firearm" angesehen wird (so wie in vielen Ländern). Den Tipp hab ich von einem amerikanischen Yachtsmann, der von seinem Besuch in dem genannten Venezuela berichtet hat:

Wann immer er abends auf einem einsamen Ankerplatz angekommen war, hat er seinen Revolver genommen und in die Luft ein paar Schüsse abgegeben. Damit hat er eventuell im Gebüsch versteckte Gangster glauben gemacht, er sei schwer bewaffnet. Zur Nachahmung empfohlen, weil unschädlich!

Beste Grüße

Bobby Schenk

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