Besucher fragen, Bobby Schenk antwortet


Sehr geehrte Frau Th....,

das ist bei weitem nicht das erste Mal, dass ich so ein Mail bekomme. Das Dilemma ist immer das gleiche: Mann ist begeistert vom Segeln und will "aussteigen", also auf Langfahrt gehen - Frau mag nicht, will allerdings den Mann auch nicht verlieren. Die Ausgangslage ist niemals umgekehrt, also Frau will um die Welt segeln und Mann nicht. Einleuchtend, denn Segeln hat neben der romantischen Seite eine überwiegende technische Komponente, und es ist halt ein Naturgesetz, dass sich in der Regel Männer mehr für die Technik (speziell beim Segeln) interessieren als Frauen - Gender hin/Gender her! (nur nebenbei: wenn ich in einem Mail oder Artikel diese zwei diffamierenden Gendersternchen sehe, höre ich sofort auf, zu lesen und klappe das Buch/Yachtzeitschrift/Webseite etc zu).

Ich denke, es ist auch bei Ihnen so, dass Ihr Freund sich rettungslos in die Segelei verknallt hat, denn sonst hätte er sich ja nicht gleich eine ausgewachsene Hochseeyacht für teures Geld angeschafft (mit dem er sich auch eine schicke Eigentumswohnung hätte leisten können). Das ist eine schrille Konstellation, die wir schon einige Male unterwegs miterleben konnten - mit desaströsen Folgen für ihn und für sie.

Sie sollten sich zu allererst darüber klar werden, was Ihnen am Segeln nicht gefällt. Ist es die - verständliche- Angst vor der Seekrankheit, ist es die unbequeme Art zu leben, die gelegentliche Abgeschiedenheit, der mangelnde räumliche und zeitliche Abstand von einander oder ist es schlicht der natürliche Respekt vor der Wassertiefe unter Ihrer Koje? Vermutlich sehen Sie, vor diese Situation gestellt, nur zwei Möglichkeiten: Entweder Sie geben nach oder Ihr Freund. Er wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht tun. Und wenn Sie sich fügen, wird das Problem in Ihnen immer wieder hochkochen und Ihr weiterer gemeinsamer Lebensweg wird so glücklich und umkompliziert nicht sein. Oder aber, Sie spielen das ganze Spiel nicht mit; dann können Sie sich die Konsequenzen ohnehin ausmalen.

Es gibt aber nicht nur zwei Möglichkeiten, es gibt auch einen Ausweg aus der Misere: Wenn es in erster Linie die reine Segelei, also das Fortbewegen unter Segel auf einem Ozean, ist, was Ihnen Angst macht, sollten Sie zunächst Folgendes bedenken: das übliche Blauwasserleben spielt sich nur ein Viertel oder Fünftel der Zeit auf hoher See ab, wie auf dieser Webseite vielfach dargelegt und auch vom großen Meerespoeten Bernard Moitessier oft und nachdrücklich beschrieben. In diesem Falle könnten sie sich doch mit den Interessen Ihres Freundes arrangieren. Wenn er unbedingt über den Atlantik möchte, nehmen Sie halt die dreiwöchige Qual einer Atlantiküberquerung auf sich, um dann ein paar Monate herrlichen Daseins in den West Indies zu verbringen mit allen Annehmlichkeiten, die so ein Langzeiturlaub mit sich bringt: Land und Leute in der Ferne erleben, schöne Restaurants aufsuchen, warmes Klima genießen und das Ganze von einer Yacht aus, wo jeder Tag am Ankerplatz mit einem Sprung ins warme Meer noch vor dem Frühstück beginnt und so fort.

Wenn Sie allerdings die Segelei auch für diese kurzen Zeitabschnitte auf hoher See derart verabscheuen, dass Sie sich nicht einmal dieses gelegentliche Opfer vorstellen können, dann gibt es immer noch eine Möglichkeit, Ihre Verbindung zu retten: Sie lassen Ihren Freund alleine segeln und fliegen ihm dann zu seinen Traumzielen nach, um dort am Urlaubsort eine schöne, meist eine wundervolle Zeit - notfalls auch in einem Hotel - am Ankerplatz zu erleben. Zusätzlicher Vorteil dieser Lösung: Das Zuhause in Europa muß nicht aufgegeben werden, Sie können weiter daheim alles erledigen und so auch Ihrem Freund die Sorge nehmen, dass zu Hause etwas schieflaufen könnte.

Diese Art der Problemlösung ist gar nicht so selten wie Sie vielleicht annehmen. Wir haben mehrere (Ehe-)Paare kennengelernt, die das so handhaben - zur Zufriedenheit beider. Er holt sich eine Crew an Bord (Anhalter auf See gibt es zumeist) oder er segelt, was ja heute nichts Ungewöhnliches ist, alleine weiter.

Diese Alternative der monatelangen Trennug birgt natürlich einige Gefahren für Sie beide. Aber die Tragweite dieses Problems können Sie sicher besser einschätzen als ich.

Wenn Sie allerdings weder das Segeln mögen, noch das vermeintlich unbequeme Leben an Bord an den schönsten Plätzen der Welt, dann werden Sie sich, wie gesagt, darauf einstellen müssen, dass Ihr Freund das Segeln nicht aufgibt. Wenn wider Erwarten doch, dann haben Sie einen Mann zuhause, der sein Leben lang darüber nachsinnen wird, was er alles versäumt und falsch gemacht hat, einen Mann also, der Ihnen noch viel Freude bereiten wird.

Mit freundlichen Grüßen

Bobby Schenk

Bobby

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