Besucher fragen, Bobby Schenk antwortet
Hallo Jürgen
die Frage ist mehr als berechtigt. Dass sie von einer "Land-Ratte" kommt, überrascht, denn sie beweist mehr Voraussicht als viele beginnende Weltumsegler haben. Diese decken sich nämlich oft mit den Gastlandflaggen aller Länder ein, die sie anlaufen wollen. Und das ist reichlich kurzsichtig, denn es braucht nicht einmal Corona, um zu prophezeien, dass dieser Plan höchstwahrscheinlich nicht aufgeht. Es kann alles Mögliche dazwischenkommen, so z.B. ein heißer Tip für ein tolles Ziel oder eine Neugestaltung der Flagge auf Grund einer Revolution, was heutzutage gar nicht so unwahrscheinlich ist. Der Vorrat an Gastlandflaggen an Bord wird auch bei einem Abbruch der Reise überflüssig. Dabei muss man bedenken, dass diese Tücher für Dutzende von Ländern ja nicht ganz billig sind. Und auf einen Wiederverkauf am Ankerplatz kann man kaum hoffen, denn wer kauft schon in Barbados die Gastlandflagge für Senegal oder so.
Aber ohne Gastlandflagge unter der Steuerbord-Saling geht es nicht, auch wenn es tatsächlich Länder gibt, wo die Immigrations-Leute höchstens mal mit der Schulter zucken, wenn eine schon äußerlich ziemlich verhaute Yacht einlauft, der man es ansieht, dass die Typen drauf in schmutzigen Shorts nicht sehr viel Geld ins Land bringen. Es kann aber auch sein, dass manche Länder das sehr eng sehen, oft schreibt sogar das Gesetz die Führung einer Gastlandflagge vor. Und in manchen countries empfinden es die locals als Ehrverletzung, wenn man ihnen nicht durch Zeigen der Gastlandflagge den erforderlichen Respekt zollt. Selbstverständlich sollte man dem Gastland Repekt zeig3en. Dazu gehört auch das Erscheinen der Gastlandflagge. Respekt vor der Liebe zum eigenen Land, das der Ami hier demonstriert, aber die Größen der beiden Flaggen stehen doch in geradezu verletzender Weise in einem auffälligem Missverhältnis. In der Türkei nahm mich mal der Hafenkapitän zur Seite und deutete missbilligend in meine Saling: "Da solltest Du mal ordentlich die Gastlandflagge führen!" Meine Antwort, da wären halt noch die Falten vom Zusammenlegen zu sehen, verschluckte ich und holte mir aus dem Marinabüro eine neue Flagge.
Kurzum, wir kommen ohne passende Gastlandflagge nicht durch, aus welchen Gründen auch immer, andererseits können wir nicht 193 Flaggen (so viele Länder gibt es zur Zeit nach Wikipedia) mitführen – so viel Stauraum hätten wir auch gar nicht.
Was tun? Das nächste Ziel mit Ausweichhäfen werden wir ja zu Beginn durchaus kennen, so dass wir uns beim Shipchandler eindecken können. Wenn wir im Pazifik angekommen sind, dann können wir uns darauf bereits in Panama vorbereiten, dort hat der Händler, notfalls das ekuadorische Konsulat, bestimmt diese Flagge vorrätig. Und von dort geht es ja einigermaßen sicher nach Polynesien, also brauchen wir die "drapeau tricolore" , also die Trikolore. Was aber ist, - in Corona-Zeiten gar nicht so unwahrscheinlich - wenn der Gendarm auf den Marquesas-Inseln die Einreise verbietet und uns zum Weitersegeln auffordert. Dann bräuchten wir schon die Flaggen von Tonga, Fiji, Cook-Inseln - und so weiter.
Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als uns die passende Flagge mit Bordmitteln zu basteln. Es ist kein großes Geheimnis, dass dazu oftmals Reste von einer Unterwäsche herhalten müssen. Was aber ist, wenn die Flagge ein Emblem in der Mitte hat? Dann wird man sich mit einem Satz Edding hinsetzen und das Emblem mehr oder weniger genau in den Stoff hineinmalen müssen. Wem das nicht so gut gelingt, der beruhige sich damit, dass aus der Entfernung von mindestens 20 Meter das Emblem kaum als "home made" zu erkennen ist. Eine solche Flagge sollte aber alsbald nach Ankunft gegen die gültige ausgetauscht werden. Vorsicht: Bei fremden Flaggen könnte es schon mal vorkommen, dass sie kopfüber gesetzt werden. Das wäre als "Notsignal" zu deuten, oder - genauso schlimm - als Beleidigung des Gast-Staates.
Liebe Grüße an die (Noch-) Landratte
Bobby Schenk
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