Besucher fragen, Bobby Schenk antwortet
Hallo Herr Drache,
es freut mich wirklich, wenn Segler im Rentenalter noch so große Pläne haben, und ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Unternehmung.
However, ich glaube, bei der Planung Ihrer Langfahrt liegen Sie komplett schief, wofür Sie aber rein gar nichts können. Schuld sind mal wieder die Tausende von Kommentaren im Internet, von denen man nicht weiß, ob sie von einem Mathematikstudenten stammen, der mal auf einer gemieteten Jolle auf dem Kleinhuder Meer ein paar Runden gedreht hat, oder von einem Weltumsegler, der zweimal um die Welt gerauscht ist.
Sie können sich bei Weltumseglern aller Nationen erkundigen und werden kaum Beifall finden für Ihr Projekt.
Schuld sind auch ein paar Langfahrtsegler, die ihre Weltumsegelung als was ganz Besonders aufwerten wollen, indem Sie ihre ohnehin tolle Leistung mit Attributen wie "abseits der ausgetretenen Route" oder "in extreme Reviere" oder Ähnlichem versehen.
Sie merken, ich störe mich an der Formulierung "überfüllte Blauwasserroute", auf die Sie offensichtlich reingefallen sind. Denn da wird einerseits der Eindruck erweckt, dass diese Route risikolos ist, sodass man sich nicht besonders vorbereiten muß, sondern einfach barfuß aufs Boot springen und losskippern kann, anderseits, dass diese Route um die Welt kindisch sei. Beides ist grundfalsch!
Auf dieser Route, also dem Segelweg nach Westen um die Welt, aus seemannschaftlichen Gründen meist in Äquatornähe, gibt es im Passat zwar meist schönen Segelwind von achtern her, aber neben Flauten selbstverständlich auch Stürme oder gar tropische Hurricanes. Und wenn man dann am Jahresende, also zu Beginn der Hurricane-Season, in der man den Orkanen zu entgehen versucht, die Yacht nach Neuseeland oder Australien segelt und dann im Frühjahr wieder in die Passatregion, dann kann man es auch mit "ordinären" Stürmen zu tun bekommen, denen schon zahlreiche Yachten zum Opfer gefallen sind.
Dass bereits die tropischen Riffe auf der "Barfußroute" übersät sind mit Wracks von Yachten, ist bekannt. Klar, die Sturmhäufigkeit ist auf dieser Route vielleicht geringer als in den hohen Breiten (z.B.Nordsee, Südspitze Feuerland), aber wenn Sie die klassische längere Weltumsegelungsroute nach Westen um das Kap der Guten Hoffnung wählen, wird es auch nicht gemütlicher, dann man spricht hier auch vom "Kap der Stürme", und gemeint ist da eben nicht das berühmte und berüchtigte Kap Horn.

Also, jetzt verstehen Sie sicher, warum ich den geringschätzigen Begriff "Barfußroute" nicht mag.
Der zweite Unsinn, der sich hier im Internet findet, ist, dass diese Route "überlaufen" sei. Das ist schlicht falsch. Nehmen Sie die "klassische" Südsee, nämlich Polynesien: Tatsächlich gibt es in Polynesien derzeit - grob geschätzt - an die zweitausend Yachten, also ungefähr so viele, wie sich derzeit in der Marina Punat in Kroatien befinden. Aber diese Menge verteilt sich auf ein Gebiet so groß wie Europa - mindestens. Wenn Sie beispielsweise Papeete verlassen haben, wird es die Regel sein, dass sie in den Tuamotus schon mal 5 Yachten in der Lagune finden. Und gelegentlich wird es auch passieren, dass Sie eine Lagune verlassen, weil es ihnen mangels weiterer Ankerlieger zu langweilig wird. Gleiches gilt für Indonesien sowie Neuguinea, und selbst in Malaysien sind die grandiosen Marinas oft nur zur Hälfte besetzt.
Der indischen Ozean hingegen ist seglerisch uninteressant. Dort ist es fast nicht möglich, einsame Plätze zu finden, die auch vom Segelwandern her ansprechend sind. Von Südostasien (Thailand oder Malaysien) mal abgesehen.
Ich rate Ihnen von Ihrem "antizyklischen" Vorhaben ab. Erstens sollten Sie nicht nur gegen Wind und Strom segeln, und zweitens ist diese Route um ein Vielfaches gefährlicher als jede andere Route in Äquatornähe. Wenn Sie Plätze suchen, die nicht so überlaufen sind, dann ist das wohl am hintersten Ende der Rangliste der Suezkanal. Wenn man da durch ist, befindet man sich "zur Belohnung" nach der teuren und backschichheischenden Passage in einem Gebiet, das für alle Seefahrer der Welt das berüchtigste ist und das unter den Yachtsleuten auch schon Tote gefordert hat. Mag sein, dass es in jüngster Zeit weniger Zwischenfälle gegeben hat. Aber Zufall ist es nicht, dass die Bundeswehr eines ihrer wenigen funktionstüchtigen Schiffe in dieses Gebiet geschickt hat, um die Schifffahrt, auch deutsche Yachtsegler, zu beschützen, was in der Praxis gegen die schwer bewaffneten (Raketenwerfer) Speedboote der Piraten allerdings kaum möglich ist. Ich hab darüber mit unzähligen Seglern gesprochen (darunter auch ein paar meiner Referenten beim Blauwasserseminar), die hier heil, besser gesagt "erfolgreich", durchgekommen sind, und deren Resumee war übereinstimmend: "Nie wieder!". Und das waren kein Feiglinge!
Nur der Vollständikeit halber: Wenn Sie unter "überlaufener Barfußroute" verstehen "von Weltumseglern überlaufen", dann haben Sie insofern recht, als sich die allermeisten Weltumsegelungen auf der Passatroute - mit einigen Abweichungen - abgespielt haben. Auf dieser Webseite finden Sie die Routen von über hundert Weltumsegelungen unter Who-is-Who im Weltumsegeln, da können Sie dies nachlesen. Der Grund hierfür sind in erster Linie seemannschaftliche Erwägungen, und das ist ja nicht falsch.
Ungern gebe ich in meinen Antworten Vorschläge für Ihr zukünftiges Verhalten, aber hier drängt es mich danach, zu sagen... oder sagen wir mal so: "Keinesfalls würde ich den Kurs gegen die Passatwinde, also nach Osten wählen!"
Ihre Idee ist mit Glück durchführbar, aber höchst riskant. Und sicher nicht so schön wie eine Tour gen Westen. Da liegt doch Ihre Idee mit der Magellanstraße auf der Hand!
Bobby Schenk
P.S.Und hier die beachtliche Stellungnahme des Fragestellers:
"Hallo Herr Schenk.
Ich habe soeben Ihre Antwort auf meine Frage gelesen. DANKE dafür!
Wer Ihre klaren Worte nicht mag - der hat sie auch nicht verdient!
Also: Wir schätzen Ihre klaren Worte sehr - selbst wenn wir uns eine andere Antwort gewünscht haben.
Wir haben nach Ihrer Antwort das Thema Magellanstrasse erneut aufgelegt.
Schau'n 'mer 'mal was dabei herauskommt. Tendenz - gen Südwesten - aber ich würde das niemals ohne die 100%ige Zustimmung (besser Begeisterung) meiner Frau durchboxen wollen...I' ll keep You informed...
Martin Drache"
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