Besucher fragen, Bobby Schenk antwortet


Liebe Frau Merfarth,

das sehen Sie nicht nur falsch, das ist falsch. Aber Ihre Ratgeber sind zweifellos gute Verkäufer!

Interessanterweise ist die Stromgewinnung durch Sonnenenergie ein Thema, das häufig von Frauen angesprochen wird. Unlängst empfahl mir eine Dame, die meine Beurteilung der Effektivität von Solarpaneelen ebenfalls als nicht "befriedigend" empfand, allen Ernstes, ich möge doch mal einen Elektriker fragen. Aber das lasse ich hier besser unkommentiert.

Der Wirkungsgrad von Solarzellen liegt heute bei 29%. Wissenschaftler gehen davon aus, dass dieser in Zukunft vielleicht bis 35% gesteigert werden kann. Ähnliche Steigerungen gab es in den letzten Jahren. Die heutigen Solarzellen sind also verbessert worden, allerdings bewegt sich der Fortschritt - siehe oben - im einstelligen Prozentbereich. So besteht in der Praxis kaum Anlass, mit der Einrichtung von Solarpaneelen zuzuwarten. Alle Solarpaneele verlieren nach dem Einbau langsam an Wirkung, doch auch dieser Verlust liegt in einem so kleinen Prozentbereich, dass bestimmt kein Anlass besteht, ältere Solarpaneele heute auszutauschen.

Aber dass Sie sich Gedanken zum Einbinden von Solarzellen in die Bordelektrik machen, ist auch angesichts der Klimaproblematik lobenswert. Ich bin ein großer Freund der Gewinnung von Sonnenenergie durch die Photovoltaik, also durch den Einsatz von Solarpaneelen. Schließlich bekommen wir durch die so gewonnene Energie Strom, ohne den ein modernes, zivilisiertes Leben gar nicht denkbar ist, geschenkt. Und zwar ohne die Natur zu belasten, wenn man mal davon absieht, dass auch der für diese Energie notwendige Silizium-Abbau in geringem Maße umweltschädlich ist.

Tatsache ist, dass diese Energiegewinnung immer mehr Freunde gewinnt. Man sieht, wie immer mehr Hausbesitzer ihre Dächer mit den gegenüber einem ziegelroten Dach nicht gerade attraktiven dunklen Paneelen zudecken. Auch die zu Solarfarmen umgebauten landwirtschaftlichen Äcker deuten darauf hin, dass der Solarenergie unter anderem die Zukunft gehört.

Jetzt das große "Aber"! Solarenergie ist bei weitem nicht so leistungsfähig wie Viele glauben, vor allem Laien, die ein paar grundsätzliche Leistungsangaben nicht zusammenrechnen können. Offenbar auch Sie, wenn Sie sich ohne Grundkenntnisse mit diesem Thema "Solaranlagen an Bord" auseinandersetzen wollen. Dabei ist die Sache ganz einfach. Wir müssen uns nur fragen, wieviel Strom wir zum Leben an Bord ohne 220-Volt-Steckdose benötigen und wie wir ihn dann am besten als Proviant vorhalten. Letzteres ist auch durch den Einsatz von teuren Lithiumbatterien nicht vollkommen zufriedenstellend gelöst, aber heute immerhin stark verbessert - siehe den aufschlussreichen Artikel von Dr.Uli Ballhausen!)

Wie hilflos manche Blauwassersegler mit Stromgewinnung von der Sonne umgehen, zeigen die Bilder links und rechts. Zwar funktionieren auch biegsame Solarpaneele einigermaßen, aber deutlich schlechter als feste. Wie auf dem Bild erkennbar ist, gehen von Haus aus bei dieser Anbringung viele Sonnenstrahlen ins Leere. Außerdem ist ein großer Teil der Fläche durch Tauwerk etc abgedeckt. Der Skipper war also offensichtlich mit dieser Bordlösung unzufrieden, worauf er die Stromerzeugung ins Beiboot, also ohne Abschattung, verlegt hat. Sicher ist so der Ertrag vergrößert worden, aber nicht ganz klar ist, warum der Skipper nicht einfach per Kabel auf den Landstrom zurückgegriffen hat. Sein Geheimnis!

Zunächst einmal: Wieviel Strom benötigen wir an Bord einer durchschnittlichen Blauwasseryacht, wie Sie sie offensichtlich kaufen wollen? Hierzu kursieren unter den Yachtsleuten leider viele irritierende Aussagen. Das kommt aus dem menschlichen Drang zum Angebertum. Viele wollen die Anderen als nicht so clever (vornehm ausgedrückt) abqualifizieren, indem sie auf ihr kaum Papierblatt großes Solarpaneel hinweisen mit der kühnen Behauptung, dass sie die Maschine auch am Ankerplatz nicht laufen lassen müssen. Weltumsegler, Referenten bei meinem Seminar, meinten, zu diesem Thema werde unter Langfahrtseglern am meisten gelogen.

Ein Beispiel mag die Leistungsfähigkeit von Solar-Stromgewinnung verdeutlichen: Die hungrigsten Verbraucher an Bord sind Kühlschrank, in den Tropen unerlässlich, und Tiefkühltruhe, wenn vorhanden. Verbrauchswert aus der Praxis - nicht aus dem Prospekt, dessen Angaben sich wahrscheinlich auf die mäßigen Außentemperaturen in Norddeutschland beziehen: Über den Tag hinweg wird man einen Kühlschrank mit 40 Ampere beliefern müssen, eine Tiefkühltruhe mit so um die 140 A.

Woher den Strom hierfür nehmen? Nehmen wir die optimistischen Leistungsangaben von Solarpaneelen, selbst dann sieht man sofort: Da führt kein Weg hin:

Ein 100 Watt Paneel liefert diese 100 Watt nur unter den allerbesten Laborbedingungen - siehe Prospekt. Dies gilt also nur, wenn bei strahlendem Sonnenschein das Paneel exakt zur Sonne hin ausgerichtet ist, bei einem fixen Paneel also genau zu Schiffsmittag. Außerdem darf die Fläche auch nicht zu einem geringen Teil abgedeckt sein, z.B. durch eine darüber liegende Leine o.ä. - ein Idealzustand, der ja auf einer Segelyacht kaum zu erreichen ist. Die links angezeigten Ampere wurden auf einem Katamaran mit vier Paneelen genau zur Mittagszeit in den Tropen erzielt. Zwei Stunden später waren es nur noch 6 Ampere!

Und trotzdem werden höchstens 80 Prozent der Prospekt-Watt erreicht. Wir sprechen hier von der üblichen Bordspannung von 12 Volt, so dass dann 80 Watt geteilt durch 12 Volt, also ca 6,5 Ampere fließen - theoretisch. Und das nur unter obigen Idealbedingungen. Bereits in der Dämmerung geht die Leistungsausbeute gegen Null zurück, in der Nacht sowieso. Das zeigt, dass ein Solarpaneel bei weitem nicht ausreicht, denn über 24 Stunden hinweg werden so sicher keine 40 Ampere fließen, um ständig kaltes Bier vorzuhalten. Zur Tiefkühltruhe, die ja 24 Stunden in Betrieb sein soll, führt also überhaupt kein Weg. Und dabei haben wir in dieser Rechnung andere Verbraucher im Bordbetrieb aussen vor gelassen.

Man kann die Zahl der Solarpaneele vergrößern und so die Stromausbeute verbessern. Ein 100 Watt-Paneel ist ungefähr 100 mal 50 Zentimeter groß. Wenn man also großzügig planen will, so braucht man freie nicht abgeschattete Flächen. Achtern oder auf dem Geräteträger ist ein idealer Platz für ein oder zwei Paneele. Auf einem Katamaran bietet sich an, mit dem breiten Bimini die Sonne einzufangen, aber mehr als sechs 100-W-Paneele wird man auch da nicht unterbringen. Und diese sind praktisch immer durch den Großbaum mit dem bauchigen Segel drauf teilweise abgedeckt.

Ein einfaches Beispiel zeigt, wie leistungsschwach Solarpaneele in der Realität sind: Wir wollen zum Beispiel einen simplen Heizlüfter mit Solarstrom benutzen. Die Leistungsaufnahme eines dieser Geräte, die heute in Kriegszeiten fast schon ausverkauft sind, beträgt, wie jeder auf dem rückwärtigen Typenschild ablesen kann: "2 KW", also 2000 Watt". Der Heizlüfter wäre auf einer Yacht, auch von einer sehr großen Paneelenfläche, nicht versorgbar. Gleiches gilt für eine Klimaanlage. Auch wenn eine solche fachmännisch auf der Werft eingebaut wurde. Ich habe ein Reihe von Eignern solcher Yachten mit vielen Solarpaneelen auf dem Dach getroffen, die eine so teure Anlage nur bei laufender Maschine oder mittels Generator oder per Landstrom in Gebrauch hatten.

Fazit: Solarpaneele sind eine fantastische Ausrüstung, aber eine modern ausgestattete Yacht ist zum Beispiel am Ankerplatz mit Solarenergie allein kaum zu betreiben. Lediglich zusätzlich zu Maschine, Generator, Jockel (Bild links) oder Windgenerator (Bild rechts) ist diese Art der Energie ein großer Vorteil bei der Energiebeschaffung.

Mit den Wünschen für einen eiskalten Sundowner überall auf der Welt verbleibe ich

Bobby Schenk