Weltumseglertraum



Der Traum von der Weltumsegelung?

Vor Jahren hat der Autor auf  der Bootsausstellung in Hamburg eine 10 Meter lange Segelyacht gekauft. Die große Freiheit hinterm Horizont wollten er und seine Frau suchen. Acht Jahre auf dem Wasser mit gelegentlichem Ausstieg ins Berufsleben wurden daraus. Wenn am Wochenende die Hanseboot ihre Tore öffnet, dann werden wieder viele, meist Pärchen, durch die Hallen schlendern, mit Palmen in den Pupillen die großen Yachten bestaunen und von einer Ozeanüberquerung, gar von einer Erdumrundung  im Segelboot träumen. 

Ist das die Lösung, allem Stress und Ärger, dem Finanzamt sowieso, den neidischen Arbeitskollegen und der bösen Nachbarin, gelegentlich der ungeliebten Familie (auch das kommt vor),  einfach davon zu segeln, in Unabhängigkeit an Traumplätzen rund um den Globus zu leben, wo immer es gefällt? 

Sie gehen oft schief, diese Träumereien, enden mit einer persönlichen Niederlage, die fürs Leben reicht. Jährlich starten zur großen Reise um die Welt rund fünfhundert Segler aus Deutschland, davon runden den Globus ein bis zweihundert. Zu den Verlieren zählen allerdings nicht die Glücklichen, die  irgendwo unterwegs ihr kleines Paradies, meist unter Palmen, gefunden haben und sesshaft geworden sind. 

Wenn der Wunsch nach einem unabhängigen Leben auf dem Wasser schief geht, liegt dies immer daran, dass Träume und Realität nicht in Einklang zu bringen sind, dass Träume kein „Wenn“ und „Aber“ tolerieren. Heinz, ein nicht gerade armer Möchtegernweltumsegler war gerade bis nach Belgien gekommen, als er seine Überforderung und Enttäuschung auf den Punkt gebracht hat: „Da stehst Du auf der Ausstellung vor so einer teuren Traumyacht, siehst Dich schon in einer Südseebucht vor Anker liegen, riechst gar den Duft nach Kokospalmen. Und dann die Realität: Die  sündteure Yacht rostet dahin vor dem tristen Bahnhof in Ostende.“ 

Läßt es sich auf einer Weltumsegelung vor Problemen fliehen? Diese Frage zu bejahen, ist die Garantie für den Misserfolg. Wer hierzulande, im sozialen Netz, nicht mit sich und seiner Umgebung fertig wird, alles „hinschmeissen“ möchte, der ist von vorneherein überfordert. Gut, draussen auf dem Ankerplatz gibt es keinen Ärger mit Handwerkern, dafür muss der Skipper alles selber machen, angefangen vom Ölwechsel für die Schiffsmaschine bis zur Produktion von Strom und Wasser. Tankstellen für den notwendigen Diesel finden sich manchmal nur alle 5000 Kilometer. Drastisch formuliert: Der einst im Berufsleben erfolgreiche Skipper mutiert zum  Hausmeister auf der eigenen Yacht. Die Herausforderung einer mehrjährigen Blauwasserfahrt besteht darin, dass man jahrelang für sich, Mannschaft und Boot hundertprozentig selbstverantwortlich ist. Auf hoher See liefert kein Wasseramt das notwendige Süßwasser und  kein E-Werk elektrischen Strom. Wer glaubt, hierfür gäbe es Patentlösungen (Solarzellen, Windgeneratoren, Wasserbereiter), irrt gewaltig. 

Auch in Gesundheitsfragen ist auf den monatelangen Ozeanüberquerungen jeder sein eigener Arzt, ob versichert (auch fürs Ausland?) oder nicht. Zwar ist das Leben in bakterien- und virenfreier Seeluft ungewöhnlich gesund, doch wird schon ein vereiterter Zahn zum Alptraum, ein Beinbruch lebensgefährlich. Und wer meint, es gäbe in Deutschland zuviel Kriminalität, braucht ebenfalls gar nicht erst losfahren, denn auf einsamen Ankerplätzen sind Yachten gelegentlich für Verbrecher eine leichte Beute. Neben den üblichen Kleinkriminellen treiben sich moderne Seeräuber mit Speedbooten und Maschinengewehren heute in Gegenden herum, die früher als sicher galten. Im chinesischen Meer dagegen waren tödliche Yacht-Kaperungen noch nie etwas Ungewöhnliches, für Presseberichte im fernen Europa freilich zu weit entfernt. Erst das Medienspektakel um das Geiseldrama auf den Philippinen hat das Augenmerk der großen Öffentlichkeit auf gänzlich andere Denkweisen gelenkt. 

Vorsorglich kann man solch gefährliche  Gebiete meiden, dem  Finanzamt entkommt man nicht. Schließlich lebt auch der Weltumsegler nicht vom Fisch allein. Hat man Einnahmen, hält der Fiskus immer die Hand auf, denn ein Deutscher bleibt solange in Deutschland steuerpflichtig, solange er keinen „festen Wohnsitz“ im Ausland hat. Was die hohe See ist nun mal gar nicht ist. 

Wer all diese Probleme in seinen Träumereien negiert, wird über kurz oder lang Schiffbruch erleiden, auch menschlichen. Nicht selten bleiben Träume und Illusionen im langen Kielwasser zurück. Oft enden solche Träume mit dem kleinen Inserat: „Yacht zu verkaufen!“. 

So weit sollte es allerdings nicht kommen, wenn man sich zumindest theoretisch rechtzeitig mit der sehr spezifischen Materie des Blauwassersegelns auseinandersetzt, sich nicht in die eigene Tasche lügt und den großen Törn zumindest theoretisch gründlich vorbereitet. Nichts eignet sich hierfür besser als das Blauwasserseminar auf der diesjährigen Hanseboot, bei dem ganztägig blauwassererfahrene Experten Wissen für eine Weltumsegelung oder Langfahryachten vermitteln, auch die am häufigsten gestellte Frage beantworten: „Was kostet das Leben auf dem Wasser?“ 

Peter Förthman, berühmter Entwickler von Selbststeueranlagen, ohne die Langfahrtsegeln undenkbar ist, setzt sich - hoffentlich rechtzeitig vor der Bestellung der Yacht - mit dem unendlichen Thema der „idealen Blauwasseryacht“ auseinander und Wilhelm Greiff erklärt mit Vehemenz, warum ein Generator auf einer Langfahrtyacht technischer Unsinn ist. Psychologin Gerti Claussen vergleicht die „übliche“ Besatzung einer Langfahrtyacht, nämlich „Mann und Frau“ mit „Hund und Katz“. Was wundert, denn nach meinen Beobachtungen ist dies schlechthin die Idealbesetzung. Daneben erfährt der Besucher, dass Waffen an Bord von Übel sind (umstritten!), welche Routen „seeräuberfrei“ sind und ob der Computer die gute Seekarte aus Papier ersetzen kann (kann er nicht!). 

Eine Frage wird wohl offenbleiben: „Wie finanziere ich das Ganze?“ Da haben so viele erfolgreiche Weltumsegelungen ohne großes Kapital stattgefunden – der berühmte Katamaransegler Wolfgang Hausner fand gar die Formel „ein Dollar/Tag“ - , dass man schon meinen könnte, dies sei die kleinere Schwierigkeit. 

Und wenn dann doch ein Träumer im Blauwassersegeln am Ende zu dem Ergebnis kommt, dass jahrelanges Leben auf dem Schiff nichts für ihn ist, dann war die Teilnahmegebühr sicher bestens investiert. Denn eine gescheiterte Weltumsegelung ist  meist eine Niederlage, die ein Leben lang bedrückt. Auch wer es geschafft hat, wird oft bei der Rückkehr feststellen, dass der Job weg ist, sich die Freunde verändert haben und die politischen Fragen noch uninteressanter geworden sind. Was ihn aber nicht mehr so interessiert. Denn mit seinem Selbstbewusstsein und seinem nunmehr  weiten geistigen Horizont steht er über solch lösbaren Problemen. Eine wirklich runde Sache hat er vollbracht. Er/sie zehren ewig davon.

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