Langfahrtsegeln mit der THALASSA - Transatlantik!


"Eine Atlantiküberquerung ist immer noch was besonderes..." meinte das Ehepaar Koch, als sie mit ihrer 15-Meter-Yacht KAIROS in Barbados/Westindien angekommen waren. Immerhin waren die Kochs damals schon die berühmtesten (und ersten) deutschen Weltumsegler. Richtig. Für uns ist der Sprung über den Teich längst keine Routineübung, obwohl wir ziemlich genau diese Strecke schon oft (Carla allein viermal) runtergesegelt waren. Wir sind aufgeregt wie vor 30 Jahren, als wir mit unserer 10-Meter-Yacht zum ersten Mal die Straße von Gibraltar verlassen und unsere Nase in den weiten Atlantik gesteckt hatten. 


   Freitag, der 8.11.01 - gestrandet jenseits von Afrika

   Mittwoch, der 6.11.01 - die netten Straßenkinder von Mindelo

   Sonntag, der 4.11.01 - Kapverden voraus

   Freitag, der 2.11.01 - Technik und Natur

   Mittwoch, der 30.10.01 - Kalmentage

   Samstag, der 27.10.01 - Attraktion Premio-Spinnaker

   Donnerstag, der 25.10.01 - das Kreuz mit dem Vorwindkurs

   Mittwoch, der 24.10.01 - unwillkommener Besuch

   Dienstag, der 23.10.01 - wunderbare Satellitenwelt

   Dienstag, der 23.10.01 - wunderbare Satellitenwelt

   Montag, der 22.10.01 - Abschied von Europa

22.10.01 - Straße von Gibraltar

So sollte die weitere Reise der THALASSA aussehen...

 

...doch jeder Törn beginnt mit den ersten Seemeilen und das ist in unserem Falle die Straße von Gibraltar, das Tor in das Mittelmeer. Dieser Weg wäre einfach, die beträchtliche Strömung in der Meerenge ist mit dem Segler. Andersrum, zurück in den Atlantik, wenn man also das Tor zuschlägt, sieht es ganz anders aus. Früher, als die Segelboote mit einem echten "Hilfsmotor" ausgerüstet waren, also unter Flaute mal eben drei Knoten liefen, da war die Straße von Gibraltar gefürchtet. Ich erinnere an einen Bericht von Eric Hiscock, der vor 40 Jahren mit seiner WANDERER III im Mittelmeer gute vierzehn Tage auf eine Passage in den Atlantik hinein gewartet hatte, bis sie ihm - nach etlichen vergeblichen Versuchen - endlich gelang.

Heute ist nicht mehr so dramatisch, aber immerhin haben wir unsere heutige Abfahrt nach den Tiden- und Strom-Atlanten gerichtet. Zwei Stunden nach Hochwasser Gibraltar sollten wir am Punta Canero sein. Dann hätten wir erträglichen Gegenstrom. Warten wir es - jetzt an diesem Punkt  - ab...

23.10.01 - Faszination Satelliten

Unsere Berechnungen haben sicher gestimmt, die Ergebnisse befriedigten nicht. Wo wir nach Stromatlas nur noch einen halben Knoten Gegenstrom hätten haben sollen, errechneten wir satte 5 Knoten - aus dem Atlantik, in die Straße hinein. Um dies zu ermitteln, hätte man früher mühselig Stromdreiecke konstruieren müssen, die dann sowieso kaum stimmten - weil sie den Strom in den letzten Stunden auswiesen, nicht den gegenwärtigen Strom. Heute ist alles so einfach: Auf dem Speedometer wird die Einstellung "BOAT KNOTS" gewählt, unten in der Navigation zeigt das Tochtergerät die SOG (speed over ground). Die Differenz ist, wie einfach, der Strom. Unsere gelegentlichen neun Knoten (bei 30 Knoten Wind von achtern) wurden so oft auf vier Knoten tatsächliche Geschwindigkeit gemindert. Trotzdem - abends lag die Straße von Gibraltar achteraus. Die THALASSA ging auf Parallelkurs zur afrikanischen Küste.

Übrigens: Diese gesamte Homepage wurde mit Hilfe eines handelsüblichen Nokia-Handys mit PC-Software Data Suite gefüttert. Tatsächlich waren die Tage, wo keine Handyverbindung möglich war, an einer Hand abzuzählen. Jetzt, die afrikanische Küste 30 Meilen backbord, sieht es anders aus. Das Display des Handys zeigt penetrant: "Kein Dienst"

Das ist die Stunde von Iridium. Die ersten Versuchsergebnisse: Internetverbindungen machen einen recht stabilen Eindruck. Automatisch erfolgt die Wiedereinwahl, wenn mal die Datenverbindung abreißt. Es läuft auch ganz flott, vielleicht eine Spur langsamer wie mit dem Handy. Die nächste Abrechnung wird es zeigen. Telefonate sind gänzlich unkompliziert, wenn mal selber anruft und sich an die Sprachverzögerung von ein paar zehntel Sekunden gewöhnt hat. Das Iridium unter Nummer 008816 314 69968 anzurufen, scheint Schwierigkeiten zu bereiten. Die Telekom hat da offensichtlich keinen Bock drauf. Angeblich soll sich das ändern.

So anspruchsvoll ist der Mensch: Kaum hat er überall auf der Welt, auf hoher See, Telefonanschluß, schon beginnt er zu meckern...

24.10.01 - Besuch von Wally

Dem Wolkenbild nach ist es der Passat, der langsam aber deutlich aus Nordosten herüberweht. Nach einer Nacht unter Motor wollen wir den Windhauch nützen und setzen die Segel. Als ich am Mast arbeite, höre ich ganz nah ein tosendes Brausen. Keine 10 Meter an Steuerbord ist ein riesiger graubrauner Körper auf Parallelkurs. "Ein Wal, hier" schreie ich.

Wir sind nicht besonders begeistert. Es ist zwar ein tolles Naturschauspiel so ein riesiges Tier, sicher an die acht Meter lang, aus der Nähe zu sehen, aber noch all zu gut sind mir Berichte über unerfreuliche Begegnungen, im schlimmsten Fall mit Yacht-Totalverlusten, im Gedächtnis. Lange  haben wir nicht mehr darüber nachgedacht, denn es war uns nicht vorstellbar, was ein Tier mit einer 20-Tonnen-Stahlyacht, wie es unsere frühere THALASSA II war, schon anfangen kann. Jetzt, blitzschnell wird es mir wieder bewusst, segeln wir wieder auf Kunststoff.

Langsam hebt sich der Koloss über die Wasseroberfläche. Deutlich kann ich das lange Maul im unteren Viertel des Kopfes erkennen. Das muss ein Cachalot sein, wie er viele Jahrhunderte auf den Azoren, wohl auch auf den Kanaren, gejagt worden ist. Bestens bekannt aus Film und Fernsehen als "Moby Dick", allerdings nicht in weiß, sondern von einer bläulich, bräunlicher Farbe. Im Gegensatz zu seinen Artgenossen, ist er Fleischfresser, lebt unter anderem von Haien, die er in einer Tiefe von 1000 Metern jagt. Jetzt kommt die Schwanzflosse raus, auf der ich deutlich eine lange Narbe entdecken kann. Eine Schiffsschraube? Ein Hai?

Der Kerl kommt doch sehr nahe. Vielleicht denkt er sich, dass er vielleicht zwischen "den beiden Schiffen" durchschwimmen könnte. Tatsächlich nimmt er schrägen Kurs auf unseren Bug, taucht aber darunter weg, einen hellblauen Fleck erzeugend. Vielleicht kann ich ihn mit der Maschine vertreiben? Aber ich krieg den Gang nicht raus. Unterwegs haben wir immer den Rückwärtsgang eingelegt, damit die Schrauben nicht mitdrehen können. Ich müsste die Geschwindigkeit erst unter zwei Knoten bringen, aber ich trau mich wegen dem Wal nicht, in den Wind zu gehen. Nur nicht reizen!

Mehrere Filme verschieße ich mit dem Burschen. Als ich die Videokamera auf ihn richte, taucht der Wal zwar majestätisch und langsam auf, die Kamera aber gibt nur ein klägliches Piepsen von sich: Zu feucht...

Endlich, nach einer Stunde vielleicht, ist er nicht mehr zusehen. Wir weinen ihm keine Träne nach.

Jetzt, morgens um 6 Uhr, sind wir voll im Passat, dem "portugiesischem Passat". So liebt die THALASSA das Segeln. Wind fast von achtern, 5 Bft, Das Speedometer meist bei 8 Knoten, gelegentlich auch bis 10 Knoten...  

25.10.01 - Das Kreuz mit dem Vorwindkurs

Fünf Windstärken aus NE, unser Wunschkurs: 220 Grad. Um es genau zu sagen, die Windrichtung pendelt von 30 Grad bis 60 Grad. Eigentlich der ideale Wind! Warum "eigentlich"?  Jeder Langfahrtsegler kennt dieses Problem: Er sucht den Passat, die Vorwindkurse und ist dann doch nicht zufrieden. Der Wind ist ideal, unsere Beseglungen für diese Bedingungen nicht.

Würden wir hier mit der "normalen" Besegelung fahren, also Genua und Groß, beide ungerefft, wäre ständig die Genua abgedeckt und würde im deutlichen Seegang heftig umherschlagen. Wofür sie nicht "gebaut" ist. Außerdem wäre sie auch sonst ziemlich nutzlos, denn in der Abdeckung würde sie null Vortrieb erzielen.

Also, so wird geraten, speziell für Katamarane, den Kurs "geringfügig" zu ändern, um raumschots mit erheblich schnellerer Geschwindigkeit dahinzuschießen. Die "paar Grad" sind vierzig, wenn man die steuerbedingten Kursschwankungen mitberücksichtigt. Mit höherer Geschwindigkeit sind solche Abweichungen vom Sollkurs - schließlich wollen wir ja ein bestimmtes Ziel so schnell wie möglich erreichen - nicht gutzumachen.

Schmetterling? Macht sich nicht schlecht am Chiemsee, in der Atlantikdünung kaum zu segeln ohne dass mal die Genua oder, schlimm, das Groß back kommt. Passatsegel, Doppelfocks? Haben wir keine, wären bei kleiner Mannschaft wegen der Bäume, auch schwierig zu setzen und zu bergen, insbesondere, wenn nachts schnell mal eine Kursänderung notwendig wäre. Ihr "Fahrtbereich" ist nämlich ziemlich eng, so dreißig Grad nach Backbord oder Steuerbord darf das Schiff vom exakten Vorwindkurs abweichen. Spinnaker? Ideal bei starker Mannschaft auf solchen Kursen. Carla und ich, wir finden es zu riskant, bei fünf Windstärken ein paar hundert Quadratmeter Segel oben zu haben, vor allem nachts!

Bleibt als Notlösung nur die Genua alleine oder das Groß. Und so zockeln wir mit 6 Knoten dahin. Aber immerhin, der Kurs zur Nordspitze der Kanaren stimmt. Also kein Pluspunkt für einen Multi auf diesem Kurs? Doch, wie eine (Einrumpf-) Yacht ein paar hundert Meter an Backbord mit denselben Problemen gut demonstriert: Erbärmlich rollt sie in der nachlaufenden Dünung, immer wieder kommt das Groß für einen Moment back, wegen des heftigen Pendelns des Mastes. Unser Kat dagegen fährt zwar auch nicht (viel) schneller, dafür aber wie auf Kufen, ohne Rollen.

27.10.01 - Attraktion Premio-Spinnaker

Stur und ganz genau von achtern kommt der Wind. Rekordetmale sind da nicht drin. Die Strecken hätten wir mit unseren früheren Schiffen auch zurückgelegt: Einmal 135, ein andermal 150 Seemeilen. Also kein Pluspunkt für den Kat. Doch halt, der Reisekomfort macht den Unterschied. Und außerdem, die Rollerei, sonst obligatorisch bei Einrumpfyachten im achterlichen Passat, entfällt völlig. Und das ist ne Menge wert.

Heute ist der Wind besonders mau. Wir könnten es mal mit dem Spinnaker probieren! Unser Premio-Spi ist assymetrisch geschnitten und braucht, wegen der Breite des Katamarans, keinen Baum. Gesetzt und geborgen wird er mittels Bergeschlauch, sodass das Risiko - ein Alptraum: Ein Spinnaker der nicht mehr runterkommt - vergleichsweise niedrig ist.

Tatsächlich haben wir auch keine Schwierigkeiten, ihn bei knappen 20 Knoten Wind nach oben zu bringen. Schön sieht er gegen den blauen Himmel aus, der Spinnaker mit dem pfeiferauchenden Premio-Männchen. Das sehen offensichtlich andere auch so: Plötzlich hören wir, 60 Meilen vor Lanzarote - das Brummen eines Flugzeugs. Es ist eine kleinere Passagiermaschine, die direkt Kurs auf unseren Spinnaker nimmt. Die Maschine fliegt so niedrig, dass wir instinktiv nach oben winken. Sicher ist es einigen Passagieren zu schnell gegangen, sie haben die THALASSA mit ihrem Foto nicht erwischt. Der Vogel fliegt zwar weg, verschwindet aber nicht, sondern kommt zurück, um nochmals eine enge Kurve um den Katamaran zu ziehen. 

 

30.10.01 - Kalmentage

Der Wind lässt uns ziemlich im Stich. Wahrscheinlich kommt das davon, dass ich an den Vorwindkursen rumgenörgelt habe. Trotzdem: Alles ist besser als gegenan. Am Sonntag waren wir am "unteren" Rand der Kanaren, als der Wind uns verlassen hat. Was sollten wir tun in der bleiernen See? Sich treiben lassen? Diese Zeiten sind vorbei! Auf unserer ersten Atlantiküberquerung war das mitten im Atlantik passiert. Damals waren wir noch "richtige" Segler, das heißt, Maschinenbenutzung wegen Flaute war tabu. Es hätte uns auch nicht besonders weit gebracht, denn wir hatten für unseren 16-PS-Farymann nur knapp 70 Liter Diesel dabei. So dümpelten wir halt in der Flaute, was quälend war, denn die Dünung ließ erst am vierten und die Flaute am siebten Tag nach. Mit einem Kat wäre dieses Übel noch erträglich, denn das nervtötende  Rollen in der Flaute um die Längsachse entfällt völlig.

Also, heute, warten wir keine Stunde, bis wir die Maschine starten. Eine(!) Maschine, denn wir wollen ja nur weiterkommen. Unter der macht dann die THALASSA bei mittlerer Drehzahl von 2200 Umdrehungen ziemlich genau viereinhalb Knoten, was sich über 24 Stunden mit über hundert Meilen hochrechnen lässt. Damit können wir leben, zumal der stündliche Spritverbrauch nur etwas über zwei Liter liegt.

Gelegentlich zeigte der Windmesser mehr als 5 Knoten Wind von achtern an. Da probierten wir es - erfolgreich - mit dem Spi. Schon bei acht Knoten Wind von der Seite waren wir dann schneller als unter einer Maschine.

In der Flaute bleibt viel Zeit, um sich mit den Spielsachen an Bord  - zu denen auch der Computer gehört - rumzuspielen. Erste praktische Erkenntnisse mit dem Iridium-Handy habe ich auch gewonnen: Also, das Telefonieren in ausgezeichneter Tonqualität geht offensichtlich immer, auch unter Deck dieses Plastikschiffs. Gewöhnungsbedürftig ist etwas die Zeitverzögerung auf Grund des langen Funkwegs in das All und zurück. Probleme scheint es zu geben, wenn man angerufen werden möchte. Von der Telekom aus geht es im Moment überhaupt nicht, man munkelt von  rechtlichen Streitereien unter den Betreibern. Die Minute kostet übrigens kanpp vier Mark, nicht zuviel, wenn man an die sonstigen Roaming-Abzockereien im Ausland denkt.

Nachrichten (SMS) kan man aus dem Internet aufs Satellitenhandy senden, die dann innerhalb von Sekunden an Bord auf dem Display avisiert werden. Aber nur, wenn das Handy zu dieser Zeit eingeschaltet ist. Was keineswegs selbstverständlich ist, denn die Standby-Time mit normalem Akku beträgt nur 24 Stunden. Ansonsten scheinen die Messages im All zu verschwinden.

Der Zugang ins Internet funktioniert leidlich. Um beipielsweise diese Story auf den Server zu bringen, benötige ich nur wenig mehr Zeit als mit einem GSM-Handy. Die Verbindungen sind zuverlässig, auch, wenn bei einer Sitzung das Handy mehrfach - automatisch - wieder anwählen muss. Auch ansonsten ist das Internet durchaus - mit Einschränkungen wegen der Kosten - zu benutzen. Heute hab ich mal die Wetterkarten für die nächsten vier Tage von wetteronline.de runtergeladen, was ziemlich genau 10 Minuten, also ca 20 Mark gedauert hat. Für die vorhergesagten flauen Winde viel Geld, aber immerhin sehe ich, dass wir am Donnerstag irgendwo in dem grauen Kreis sein müssen, um wieder noch ein wenig Passat zu erwischen.

Auch wenn es langsam geht, immer wieder ist es schön inmitten noch ganz unverfälschter Natur herumzuschwimmen. Heute war eine Schule von Hunderten von Delfinen bei der THALASSA. Sie blieben über eine Stunde, bis es ihnen offensichtlich zu langsam wurde.

 

2.11.01 - Technik und Natur

 

Der Schreck kam in der Morgenstunde.

Seit, ich weiß wie nicht lange, laufen wir unter Maschine. Die Meeresoberfläche ist deprimierend glatt, ölig, zum Wasserskifahren ideal! Aber, so trösten wir uns, "alles ist besser als gegenan". Und tatsächlich kommen wir ja auch gut voran, jeden Tag so 120 Meilen, oft unter einer Maschine. Ich hab es mir zur Angewohnheit gemacht, den Ölstand jeden Tag an der stehenden Maschine zu kontrollieren. An Steuerbord alles o.k., an Backbord - halt was ist das - finde ich unter der Maschine eine deutliche Lache dunklen Öls. Vielleicht leckt eine Schraube an der Ventilabdeckung, beruhige ich mich, denn bis jetzt war dort nie eine Spur Öl zu entdecken. Leider, ich mach es kurz, täuschte ich mich. Nach gründlicher Untersuchung der Maschine fand  ich den Riss an der Ventilkappe bei der Lichtmaschinenhalterung. Eigentlich ein harmloser Materialschaden, aber nicht hier draußen auf dem Atlantik. Denn, wenn ich die Maschine weiter laufen ließe, würde der Riss sicher breiter, wenn es nicht gar zum Abriss der Lima-Halterung kommen würde. Vor allem aber war es nur eine Frage der Zeit, bis die Maschine sich allen Öls entledigt hätte und dann wohl in Sekundenschnelle sich verabschiedet hätte. Für immer!

Was tun? Im Moment hatte ich nur eine Maschine. Ein Vorteil von zwei Maschinen? Es kommt auf den Blickwinkel an, denn es fragt sich doch - hätte ich nur eine Maschine - hätte ich die "kaputte" oder die "gute"?

Im Moment sah ich keine größeren Problem, aber wie komm ich auf den Kapverden zu einem neuen Ventildeckel? Das Iridium! Aber damit jetzt rumtelefonieren und langwierig in Frankreich, dem Sitz der Werft, oder in Österreich, dem Sitz des deutschen Vertreters für Privilege, das Problem erklären, wäre mit dem Satellitenhandy ruinös. Ich muss zunächst die Schadensbeschreibung schriftlich "rüberbringen". Problem: Das Iridium mag keine Emails, schon gar nicht mit Bildern als Anhang.

Apropos Bilder. Meine Videokamera streikte wegen der hohen Luftfeuchtigkeit. Also legte ich sie für ein paar Stunden in die gleißende Sonne und - siehe da - sie filmte den Schaden an der Maschine willig ab. So wie diesen Beitrag fütterte ich dann das Internet mit der "Schadensseite" und konnte mit den Telefonaten zu Ecker-Yachting und zum Eismann mit Hinweis auf "im Internet" beginnen. Der Erfolg rechtfertigte das Iridium in einer beeindruckenden Weise: Nach einer Stunde bekam ich einen Anruf vom Firmenchef der Privilege-Vertretung in Österreich und Deutschland, Kurt Ecker, persönlich, dass mit großzügiger Hilfe der österreichischen Volvo-Vertretung eine neue Ventilkappe nach den Kapverden schon unterwegs sei. Ein paar Minuten später meldete sich Chistina Gödelmann von Alliaura-Werft aus LesSables mit zusätzlichen technischen Details. Toller Service! Und das alles draußen in der unendlichen Weite des Atlantiks mit Hilfe von Dutzenden Satelliten und einem Handy.

Die, anderen, künstlichen Himmelskörper helfen, heute selbstverständlich, in der Navigation. Und zwar so wirkungsvoll, wie man es sich früher kaum vorstellen konnte. Ich hab einen neuen GARMIN 76 an Bord. der über eine gute Datenbank mit den wichtigsten Seezeichen und Lichtern weltweit(!) verfügt. So brauchte ich ihm nur zu sagen, dass wir auf ein 12-Sekunden-Feuer vor Mindelao zusegeln wollten und schon zeigt er den "Track" (das ist der Weg über Grund), den direkten Kurs zum Feuer, die Geschwindigkeit über Grund und die Entfernung an. 4 Komma 6 Knoten laufen wir derzeit mit einer Maschine auf einem "Track" von 209 Grad. Den Kurs zum Feuer halten wir auch unter Maschine nicht immer ein, um gegen den Strom etwas gegenzuhalten. Und 343 Meilen waren es am Donnerstag mittag noch zu den Kapverden.

Dieser neue Garmin gefällt mir deshalb auch so gut, weil man sich die Anzeigen selber "layouten" kann. Man kann sich also die Navigations-Daten auf Display holen, die man für wichtig hält. Der Garmin verfügt sogar über eine Art Seekartendarstellung, auf der dann die Leuchtfeuer aus seiner Datenbank rund um die Welt eingetragen sind. Das ist sicher kein Ersatz für die Papierseekarte, aber es gibt einen  guten Überblick über die Situation in der Landschaft. Ich erinnere mich an ein Pärchen, das von den Kanaren über den Atlantik segeln wollte und dann in Afrika gestrandet ist. Zum Lachen? Blickt man auf die Karte, dann sieht man erst, wie nahe, zum Beispiel beim Aufkreuzen,  nach den Kanaren man den afrikanischen Sandbänken kommen kann. Mit dem Garmin GPS 76 wäre das nicht passiert.

Täuschen wir uns? Carla und ich haben den Eindruck, dass sich in den letzten Jahren das "Tierleben auf dem Wasser" geändert hat, ja reichhaltiger geworden ist. Jedenfalls können wir uns nicht erinnern, jemals so viele Begegnungen mit Tieren gehabt zu haben wie auf diesem Törn. Praktisch täglich werden wir von Delfinen besucht, die vor unserem Bug rumschwimmen und springen. Ein bussardähnlicher Vogel ließ sich auf der THALASSA nieder, setzte sich zutraulich auf den Steuerstand  und blieb die ganze Nacht, bevor er im Morgengrauen davonflatterte. 

Besonders beeindruckend die bereits geschilderte Begegnung mit einem Wal. Den zweiten konnten wir am nächsten Tag hundert Meter voraus beobachten, wie er mit riesiger erhobener Schwanzflosse in die Tiefe abtauchte. Und Schildkröten haben wir ebenfalls täglich friedlich treibend auf der Wasseroberfläche ausmachen können. Die hier, über einen Meter lang,  ließ uns ganz nahe rankommen, bevor sie laut prustend wegpaddelte.

 

 

4.11.01 - Noch 50 Meilen zum Ziel

Vom Passat-Wind ist weit und breit nichts zu sehen, obwohl wir ja nahezu auf der Breite von Barbados sind. Heiß ist es geworden. Carla erinnert mich an die alte Navigationsregel, wie man nach Amerika kommt: "Süd halten bis die Butter schmilzt und dann rechts herum!"

Da ist was Wahres dran. Schon immer war es unter Langfahrtseglern vielgehandeltes Rezept für Atlantiküberquerungen, zu einem Punkt nahe den Kapverden im Süden zu halten, um dort den Passatwind zu erwischen, um dann mit dem im Rücken den Teich zu queren. Wie falsch solche Tipps sein können, sieht man an unserer jetzigen Reise. Tatsächlich habe ich eine Menge Segler getroffen, die zum Beispiel von den Kanaren auf direktem Weg nach Barbados gesegelt sind, ohne eine Minute zu motoren. Andererseits... siehe uns!

Dass hier die Tierwelt offensichtlich noch sehr intakt ist, haben wir die letzten Tage erlebt. Um so mehr hat uns verwundert, dass eines morgens das Meer mit zunehmenden Tageslicht nicht langsam von dunkelgrau ins leuchtend Blau wechselte, sondern dunkel  bis schwarz blieb. Wir dachten schon an eine optische Täuschung, bis wir beim morgendlichen Ozeanbad unser Unterwasserschiff kaum mehr sahen, sondern nur noch einen grünen Schimmer. Gleiches Bild bot sich durch unsere Notausstiegs-Luken, die Richtung Meeresgrund gerichtet sind: Ekelhaftes Giftgrün, von der gleichen Farbe wie ein Teich oder ein Schwimmbad, wenn es nach einem Gewitter umgeschlagen und veralgt ist. In der Türkei hab ich es zum letzten Mal erlebt, wo der Hafenkapitän erklärte, dass die "Algenpest" bald wieder vorüber sei. Und an die Adria kann ich mich erinnern, wo einem die Algen das Baden im Hochsommer häufig verleiden. Aber hier, mitten im Atlantik?

Mehrere Tage(!) motorten wir über den grünen Teppich, also war er ein paar hundert Meilen breit...

Ich denke mal, an diesem Phänomen ist der Mensch ziemlich schuldlos. Denn hier gibt es weit und breit keine Chemie. Andere Sauereien hat er schon zu verantworten: Vor drei Tagen weckte mich Carla gegen Mittag: "Du da drüben ist was, wir sollten da mal nachschauen!"

Tatsächlich konnte ich im Fernglas was Undefinierbares Schwarzes auf dem Wasser treibend ausmachen. Ein paar Augenblicke später schien es die Farbe ins grell Gelbe zu ändern. Klar, da müssen wir hin, nicht auszudenken, wenn es beispielsweise eine Rettungsinsel wäre??

Gott sei Dank, es war keine, sondern ein eisernes 200-Liter-Faß mit schwarzen Böden und grellgelben Anstrich. Nachts da draufgebrummt, kann sich eine Kunststoffyacht daran leicht ein existenzgefährdendes Leck holen.

Jetzt, Sonntagmorgen, zeigt sich der Passat wie er sein sollte. 15 Knoten Wind von achtern, eine leicht Dünung, die unser Katamaran ignoriert und eine Temperatur, dass man auch nachts mit nacktem Oberkörper seine Wache geht. Der vom Mond beschienene Spinnaker steht wie eine Eins, denkt auch nicht unter Selbststeueranlage daran, auch nur einmal einzunicken. Das Meer wirkt friedlich. 50 Meilen voraus erwartet uns Mindelo, kein Licht ist bis jetzt zu sehen. Achteraus liegen fast 1700 Meilen. Vor zwei Monaten waren wir noch in der Türkei, jetzt sind wir schon auf dem Sprung, die alte Welt zu verlassen.

Praktisch nur einen Stop haben wir seit der Türkei eingelegt. Die THALASSA ist ein Welt-Reiseschiff mit unbegrenzter Endurance. Die Wassertanks sind frisch gefüllt und von unseren Treibstoffvorräten haben wir gerade ein Drittel verbraucht.

 

6.11.01 - Die netten Straßenkinder von Mindelo

Das Ankommen ist immer noch das Schönste am Blauwassersegeln. Endlich keine Nachtwachen mehr gehen müssen...

Der Hafen von Mindelo hat fast schon Westindien-Ambiente. Palmen zieren die "Hauptstraße", der Fischerhafen wird beherrscht von grellbunten Fischerbooten und den schwarzen Mannschaften. Man sieht es, die Kapverden sind noch nicht reich geworden, seit dem sie vor circa 20 Jahren die Unabhängigkeit von Portugal erlangt hatten - die ehemaligen Kolonialherren waren sicher froh, die arme Inselgruppe losgeworden zu sein. Trotzdem, armselig, wie noch vor 10 Jahren bei unserem letzten Besuch wirkt die Stadt mit den rund 40000 Einwohnern heute nicht.

Schon Eric Hiscock hat die Kapverden vor circa 40 Jahren beschrieben - und zwar so schlecht, dass es danach kaum jemand gegeben hat, der zu Lasten der Kanaren die Kapverden angelaufen hätte. Hiscock selbst ist bestohlen worden und zwar von dem Wachmann, den er zur Bewachung von WANDERER III engagiert hatte.

Nun, heute sieht alles anders aus. Die Reede ist voll von französischen Yachten, die alle an der Transat Rally teilnehmen, mit Stop auf den Kapverden und Ziel in Brasilien etwas anspruchsvoller als die ARC. Sonst sind es vielleicht 20 Yachten, die sich hier auf die Atlantiküberquerung vorbereiten oder auch die Kapverden näher kennen lernen wollen.

Leider klappt es mit der Datenübertragung von hier aus ins Internet nicht mehr so gut. Meine Simm-Karte (Viag Intercom) wird vom Kapverdischen Netz nicht akzeptiert, die einheimische Prepaid-Simmkarte mag keine Daten übertragen. Und das Iridium ist mir doch etwas zu müde - verglichen mit einem GSM-Handy.

Also ins Internet-Cafe und zuerst mal die Post abrufen! Wie heißt es bei T-Online? "Sie sitzen in Sidney  im Internet-Cafe und über Webmail haben Sie Zugang zu Ihrer Post!" Leider weigert sich der Computer im Internetcafe Webmail anzuzeigen, so wie früher zahlreiche Male in den türkischen Internet-Cafes. Der Ratschlag von T-Online: Sie müssen Ihren Internet Explorer updaten und umkonfigurieren! Scheiße....

Das machen Sie mal in einem Internet-Cafe ohne rausgeschmissen zu werden. Was mich aber am meisten geärgert hat, dass am Nebentisch andere Yachtsleute eifrig und schnell mit YAHOO Ihre Mails abarbeiteten, und zwar kostenlos, während T-Online satte monatliche Zuschläge allein für den Auslandszugang über Webmail kassiert. Ein Telefonanruf zu unseren neuen Freunden Hanspeter und Nathalie in Estepona (SY NATHAPE) half schließlich. Hanspeter leitete meine gesamte Post von t-online auf YAHOO um, und schon war ich im Besitz meiner Mails. Die Konsequenz für die Zukunft: YAHOO.

Wir sind unter die Räuber geraten.

Auf dem Rückweg zum Anlegesteg für das Wassertaxi (mit dem eigenen Dhingy anzulegen ist wegen Diebstahlsgefahr nicht ratsam), waren Karla und ich plötzlich von sympathischen dunkelhäutigen Buben umzingelt, alle wohl zwischen 12 und 14 Jahre. Sie bettelten und bedeuteten, dass sie Hunger hätten. Obwohl wir ihnen klarmachten, dass wir nichts dabei hätten, rückten sie uns bald so dicht auf den Leib und wurden so lästig, dass ich versucht war, um mich zu schlagen. Aber man kann ein Kind doch nicht schlagen! Die Drohung mit der Polizei quittierten sie mit einem fröhlichen Kinderlachen.

Plötzlich hielten mir drei oder vier von ihnen dreißig Zentimeter lange rostige Eisenhaken unter die Nase, sodass mir Angriffsgedanken von selbst vergingen. Als das Wassertaxi endlich kam, trollten sie sich endlich.

Aus Carlas Handtasche, die sie ständig mit zwei Händen gehalten hatte, fehlten 500 Dollar und die Kreditkarten.

Man kann nicht sagen, dass sich die Polizei nicht bemüht hätte, uns zu helfen. Diese Kinder seien "very dangerous", sehr gefährlich, meinte ein bulliger Beamte in Zivil. Dann fuhr er mit drei Kollegen los und kam alsbald mit 2 Bürschchen im Alter von vielleicht 16 Jahren zurück. Nein, die waren es nicht. "Unsere" seien viel jünger gewesen. Wieder setzten sich die Beamten ins Auto und kamen 5 Minuten später mit 2 Kindern zurück, die ich wiedererkannte. Aber die Beute war verschwunden.

Schade, das kann einem so einen Platz ganz schön vermiesen. Wir freuen uns auf Trinidad auf der anderen Seite des Atlantiks.

 

8.11.01 - gestrandet jenseits von Afrika

Niemand, wenn er es selbst noch nicht erlebt hat, kann nachvollziehen, was es bedeutet, sein Schiff zu verlieren. Jürgen - "Jockel" - Lehmann aus Berlin, der mich an der Beiboot-Jetty anspricht, ist der Schrecken  - und die Trauer - um den möglichen Verlust ins Gesicht geschrieben. Das Schlimme aber auch ist die Ungewissheit, ob seine 9 Meter 30 Alu-Yacht noch gerettet werden kann, oder ob sie mit der Versicherung als Totalverlust abgeschrieben werden muss. Die Situtation Lehmanns ist in jeder Hinsicht desolat. Nicht nur, dass sein Schiff, das er in 10-jähriger Arbeit selbst gebaut hat, fast ein Raub der Brandung geworden ist, jetzt ist es zusätzlich noch Objekt der habgierigen Geschäftsleute hier in Mindelo, die besonders leichte Beute wittern.

Was war geschehen? Jürgen wollte sich mit dem Selbstbau seiner Yacht nicht nur einen Lebenstraum erfüllen, nein, er wollte auch sonst gleich hoch hinaus. Um die Welt sollte es gehen, und zwar, als sei dies das leichteste, gleich nonstop um die Welt. Klar, jeder scheint heute nonstop um die Welt zu segeln: Querschnittsgelähmte, Erdmann sowieso, kleine Mädchen wie die Ellen McArthur und so fort. Das Unternehmen KREUZ-AS = ALU, so heißt das Schiff von Lehmann ließ sich dann eigentlich gut an. Nach rund 70 Tagen hatte Lehmann schon den Äquator überquert, als ihn sein Kocher im Stich ließ. "Für alles hatte ich Redundanz, aber an so was denkste doch nicht" gab sich Lehmann zerknirscht. Damit war das Unternehmen beendet, denn, man stelle sich das mal plastisch vor, nahezu ein Jahr ohne warmes Essen, ohne heißen Tee (wie Jürgen besonders bedauert), das hält wohl niemand aus ohne ernsthafte Gesundheitsschaden zu nehmen.

Also zurück, den Äquator nochmals gequert. Am vergangenen Samstag schlug das Schicksal dann zu. Eine Meile von der Capverdischen Insel Santa Antao entfernt, wollte Lehmann gegen 20 Uhr 30 über Stag gehen, startete zur Unterstützung des Manövers die Maschine, in deren Schraube sich ein Tampen derart unglücklich verfing, dass Schraube und Ruder aneinander gefesselt wurden. Das Schiff strandete. Erst eine Serie von roten Signalraketen wurden vom Passagierschiff MAXIM GORKI ausgemacht, die die Rettung einleitete. Was dann kam, kann man sich vorstellen, wenn man die Gegend hier gesehen hat. Lehmann wurde von Fischern abgeborgen, seine Yacht, die Wasser machte nach Mindelo geschleppt, nicht ohne dass sie vorher um einige Wertsachen erleichtert wurde.

Die Fischer verlangen 2000 Dollar für die Bergung, die Werft, weitere, fast lachhaft hohe Beträge, der Wachmann, der jetzt unter dem Schiff schläft, muss auch gelöhnt werden und so fort. Das Schlimmste, ob die Yacht repariert werden kann, ist ungewiss. Denn das notwendige hochwertige Aluminium ist hier nicht erhältlich. Weitersegeln ist zur Zeit nicht möglich, denn irgendwo an den über Meter hinweg verbeulten Spanten dringt Wasser ins Schiff und das Ruder ist unbrauchbar verbogen. Lehmann spricht weder portugiesisch noch englisch, scheitert, wie er sagt, immer wieder an der Sprachbarriere.

 

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