YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet



 Frage von Martin Reichherzer reichhi@gmx.de

Sehr geehrter Herr Reichherzer,

ich glaube, die Aufgabe ist viel leichter als Ihr denkt. Also, ich würde das folgendermaßen machen, wobei Euer Lehrer sicher nicht damit gerechnet hat, daß das so ohne viel Mathematik geht:

Die wichtigste Erkenntnis für folgendes Verfahren muß ich vorwegschicken, weil man es sonst nicht kapiert: Es ist ein Naturgesetz, daß in unseren Landstrichen die Himmelsrichtung zur Sonne sehr, sehr genau "Süden" ist, wenn sie auf dem höchsten Punkt ihrer Bahn ist. Wenn man diesen Zeitpunkt exakt feststellen kann, dann ist die "Peilung" zur Sonne genau 180 Grad, also weder 179 Grad noch 181 Grad. Und zwar rechtweisend, sodaß weitere Umrechnungen entfallen. Wenn die Sonne exakt im Süden steht, dann hat auch ihr Schatten genau eine Richtung von 180 Grad, beziehungsweise 0 Grad. Und diesen Schatten solltet ihr zur Lösung Eurer Aufgabe benutzen.

Also:

1) an einem Platz nahe der Hauswand und genau in der Verlängerung der Hauswand wird ein Tisch hingestellt. Er muß auf der Seite und so stehen, daß die Sonne mittags draufscheinen kann.

2) Die glatte Tischplatte wird mit einer Wasserwaage genau waagrecht ausgerichtet. Zur besseren Erkennung sollte auf der Tischplatte ein weißes Papier ausgelegt sein.

3) Exakt(!) in der Verlängerung der Hauswand und in der genauen Richtung der Hauswand wird in der Tischmitte ein gerader Stab (am besten aus Metall - Vorschlag: ein Spieß vom Grill) und 10 bis 30 Zentimeter lang genau senkrecht aufgestellt. Am besten wird die Richtung der Hauswand mit einem Faden zum Schattenstift ausgerichtet und der Faden am Fußpunkt des Stabes befestigt. Daß der Schattenstift senkrecht ist, läßt sich ebenfalls mit dem Winkeldreieck, der Wasserwaage oder einem Senkblei bestimmen. Der Stab sollte nicht unbedingt eine scharfe Spitze haben und nicht zu lang sein, dann ist die Ablesbarkeit des Schattens besser.

4) Anschließend wird um die Mittagszeit der Schatten beobachtet und in Minutenabständen die Schattenspitze auf dem weißen Papier markiert. Der Punkt, wo die Schattenlänge am kürzesten ist (also, wenn die Sonne am höchsten steht), bildet dann mit dem Schattenstift eine ganz genaue Nord-Südrichtung, also 0 Grad oder 180 Grad.

5) Wird dann eine Linie von diesem kürzesten Punkt zum Fußpunkt gezogen, dann bildet diese Linie zum Faden der Hauswand den Winkel (alpha), um den die Hauswand von der Nord-Südrichtung abweicht. Die Richtung der Hauswand ist somit 180 plus/minus alpha.

Diese Methode funktioniert also ohne Rechnerei. Eine praktische Schwierigkeit mag darin bestehen, daß nicht ganz eindeutig auf Grund der Schattenspitzenmarkierungen bestimmt werden kann, wo der Schatten am kürzesten ist. Das liegt daran, daß die Kurve der (scheinbaren) Sonnenbahn um die Mittagszeit ziemlich abgeflacht ist. Aber auch hierfür gibt es eine Patentlösung. Man suche sich die Schattenspitze ungefähr eine Stunde vor Mittag (dem höchsten Punkt der Sonne) und den Punkt nach dem Höchstand, der die gleiche Schattenlänge ergeben hat. Genau(!) dazwischen liegt der Punkt, der mit dem Schattenstift die Nord-Süd-Richtung bildet. Es handelt sich aber um das gleiche System wie oben, es wird nur die Ermittlung des "Nordpunktes" erleichtert. Diese Methode hat man schon im letzten Jahrhundert benutzt, um die Genauigkeit von Uhren zu kontrollieren. Man nannte es die "Methode der correspondierenden Höhen"

Am Rande interessiert vielleicht, daß schon die Ägypter lange vor Christi Geburt "die correspondierenden Höhen" eingesetzt haben. Es ging hierbei um die exakte Nord-Süd-Ausrichtung von Gräbern hochgestellter Personen. Die gelegentliche Erklärung im Laien-Schrifttum, daß sie sich hierbei des Polarsterns bedient haben, ist schlicht falsch, denn der Polarstern stand um diese Zeit keineswegs im Norden, wo er sich heute - zufällig - fast genau befindet. Dementsprechend wird es in ein paar hundert Jahren keinen "Nordstern" mehr geben.

Ich bitte um eine (Miß-)Erfolgsmeldung und wünsche viel Erfolg bei der Mathe-Arbeit und einen wolkenlosen Himmel!

Bobby Schenk

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