YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet



Frage von Natko Katicic

Hallo Natco,

diese Frage zu beantworten, macht Spaß, vor allem weil sich ein Ober-Fachmann - Gerhard Schöchl von SCHÖCHL YACHTBAU - ebenfalls zu diesem Thema anschließend äußert:

Früher hat man einmal gesagt, daß Holzboote runde 30 bis 40 Jahre halten und Kunststoffboote etwas weniger. Dann bildete sich die Meinung heraus, daß es gerade umgekehrt sei und jetzt kommt man zur Erkenntnis, daß man die Lebensdauer eines Kunststoffschiffes gar nicht abschätzen kann, nachdem die frühesten Kunststoffschiffe nunmehr älter als 40 Jahre sind.

Selbstverständlich ist es auch eine Frage der Bauausführung, was man von einem alten Kunststoffschiff erwarten kann. Hierzu ist die erfreuliche Meinung von Gerhard Schöchl von der Werft Schöchl-Yachtbau ( SUNBEAM), daß man früher sogar häufig unnötig überdimensioniert gebaut hat als heute, weil man damals die Grenzen von "Kunststoff" noch nicht so ausgelotet hatte. Das zeigt auch die Tatsache, daß die frühen Kunststoffboote im Vergleich zu heute alle sehr schwer waren.

Übrigens kannten die ersten GFK-Boote (glasfaserverstärkter Kunststoff) weit weniger das berüchtigte Osmose-Problem wie die Nachfolgegeneration, was die gleiche Ursache haben dürfte.

Probleme kann es eigentlich nur bei der sogenannten Sandwich-Bauweise geben, wo es zur Delamination kommen könnte. Nachdem aber alte Schiff im Rumpf fast nie nach dieser Bauweise erstellt wurden, ist dies letztlich höchstens ein Problem im Decksbereich. Aber statische Defizite sollten auch hier nicht auftreten und um den Bereich der Püttings müssen ohnehin Verstärkungen eingebaut sein.

Obiges gilt übrigens auch für Yachten, die nach preiswerten Spritzverfahren (zum Beispiel die Condor von Stöberl) erstellt worden sind. Denn auch hier wurden Glasfaser-Matten verwendet, allerdings nur mit einem geringeren Anteil.

Alles zusammen: ich hätte keine Bedenken, ein altes Kunststoffschiff zu kaufen, wenn es einen soliden Eindruckmacht und der Rumpf nicht in Sandwich-Bauweise hergestellt ist. Ein "Weichsegeln", wie bei Holzbooten öfters beobachtet, gibt es bei Kunststoff-Fahrtenyachten nicht.

Ich habe die Frage auch weitergegeben an den Betreiber einer Werft, die für Ihre Qualitätsyachten bekannt sind, nämlich an die Schöchl-Werft, die die herrlichen Sunbeam-Yachten bauen. Obwohl die eigentlich kein Interesse am Kauf von alten Kunststoffschiffen haben können, folgt anschließend ein sehr objektiver und teifegehender Hinweis auf den Bau von Kunststoffyachten generell. Der Second-Hand-Boot-Käufer findet hier allerbeste Hilfestellung.

Geben wir Gerhard Schöchl das Wort. Ich verbleibe einstweilen mit einem Mast- und Schotbruch mit einer betagten Kunststoffyacht!

Bobby Schenk

 

SCHÖCHLYACHTBAU:

Lieber Bobby!

Zu Deiner Frage bezüglich des Alterungsprozesses von Bootsrümpfen, möchte ich Dir ergänzend mitteilen:

Die meisten Bootsrümpfe werden in Polyester gefertigt. Polyester ist ein ungesättigter Kohlenwasserstoff (UP Harz ist ungesättigtes Polyesterharz). Zwei Kennzahlen zur Beantwortung Deiner Frage sind:

1. Die Lastspielzahl:

Diese Kennzahl gibt einen Faktor für die Belastung, die Vibration und die Ermüdung an. Es gibt meiner Meinung nach keine Vergleichszahlen für den Bootsbau, sehr wohl aber für den Flugzeugbau. Auch gibt es eine Norm die wiederum im Flugzeugbau angewandt wird.

2. Das E-Modul:

Diese Kennzahl gibt den Grad der Steifigkeit an. Das E-Modul hängt vereinfacht gesagt, von der Reaktionszelt und der Qualität des Harzes ab. Dieses E-Modul nimmt in 25 Jahren ca. um 30% ab. Dies spielt jedoch im Bootsbau keine Rolle, da sowieso bei Qualitätsyachten mit sehr viel Sicherheit gearbeitet wird. In der Literatur gibt es auch hier genauere Werte für die E-Modul-Veränderung von UP-Harzen. Grundsätzlich unterliegt Polyesterharz keiner Erosion. Es löst sich daher nicht auf. Die UV-Strahlung verändert eventuell die Farbe, bewirkt jedoch keine Auflösung. Laminiert man einen Rumpf extrem leicht, könnte sich die Veränderung des E-Moduls natürlich auswirken.

Im Regattasport, vor allem bei den Jollen, spricht man wirklich nach einigen Saisonen von weichen Rümpfen.

Harzqualitäten:

Mit den unterschiedlichen Harzqualitäten erreicht man auch unterschiedliche E-Module. Ich unterscheide bei den UP-Harzen 3 Gruppen:

1. Qrtophtalharz:

Hier unterscheidet man wieder zwischen mittelreaktiven und hochreaktiven Harzen. Hochreaktive Harze haben ein hohes E-Modul und keine Dehnung. Im Bootsbau verwendet man heutzutage generell mittelreaktive Harze.

2. lsophtalharz:

Isophtalharz ist wesentlich besser gegen den Wasserdampfdruck resistent (Osmose). Es ist auch etwas elastischer, und somit unter Belastung langlebiger.

3. lsophtalneopenthylglykolesther:

Dieses Harz ist zurzeit aus der Gruppe der UP-Harze das beste Harz, das es im Bootsbau gibt. Ebenfalls hat es annähernd die gleiche Resistenz wie Epoxi gegen Wassser (Osmosevorsorge). Die Auswahl der Materialien ist natürlich eine Frage der vorgesehenen Bauqualität, da Isophtalharze wesentlich teurer sind, als Orsophtalharze. Genau so wichtig wie die Materialauswahl, ist die Verarbeitung.

Handlaminat:

Das Handlaminat hat den Vorteil, daß es eine optimale Glasfaserorientierung aufweist, und somit eine definierte Mechanik. Ebenfalls gibt es beim Handlaminat keine statisch unterschiedlichen Festigkeiten und keine unterschiedlichen Schichtdicken. Das E-Modul ist damit stabiler, Bei einer sauberen Verarbeitung verändert es sich fast nicht in Jahrzehnten.

Spritzlaminat:

Das Spritzlaminat hat den großen Nachteil, daß die Qualität von der Tagesverfassung des Handwerkers abhängt. Es weist meistens unterschiedliche Festigkeiten auf, da die Schichtdicken variieren. Die Glasfaserorientierung ist nicht definiert. Die Lastspielzahl ist somit schlechter als jene bei einem Handlaminat. Aufgrund der undefinierten Mechanik, ist auch das E-Modul wesentlich schlechter bei gleicher Dicke. Man kann diese Nachteile durch ein dickeres Laminat kompensieren. Man braucht zwar mehr Material, der Rumpf wird schwerer, es ergibt sich aber in Summe ein wesentlicher Preisvorteil gegenüber dem Handlaminat.

Die wichtigste Maßnahme für das Verhindern der Alterung von UP-Harzen liegt jedoch näher als man denkt. Laminat kann grundsätzlich nur erodieren bzw. auflösen, wenn es direkt ungeschützt und ständig mit Wasser in Berührung ist. Es soll somit außen und innen eine Schutzschicht aufgetragen werden. Der Eigner kann dies ganz einfach selber kontrollieren. Die Backskisten müssen mit Topcoat ausgestrichen sein, und außen muß ein Gelcoatanstrich aufgebracht sein. Steht Wasser in Backskisten ohne Topcoatanstrich, haben sich nach ca. 2 Jahren die Matten herauserodiert.

Ich würde somit jedem Eigner der eine gebrauchte Yacht kauft raten, die offenen Stellen innen anzuschleifen und mit Topcoat zu versiegeln, falls dies von der Werft nicht von vornherein durchgeführt wurde.

Ich hoffe Dir mit diesen Informationen gedient zu haben, und verbleibe einstweilen mit freundlichen Grüßen

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