|
YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Frage von
Rainer Hoffmann
Sehr geehrter Herr Hoffmann,
seit ich in der Segelszene bin, wird die von Ihnen angeschnittene Frage
heftig diskutiert. Kaum ein Segler ist nie mit dem schrecklichen Unglück
konfrontiert worden, wo eine verzweifelte Frau Ihren über
Bord gegangenen Mann längseits genommen hat, weil sie ihn nicht an Bord
hieven hat können. Ich bin Zeuge unzähliger Erfindungen
geworden, die gerade diese Notsituation - kleine
Mannschaft, ein Mann im Wasser - lösen sollte. Jahrelang habe ich im
Sicherheits-Aktionszentrum auf der Hanseboot in Hamburg Tag für Tag solche
Geräte - auf der Bühne, mit gemütlichem Pool davor, demonstriert.
Und obwohl wir, die Mannschaft auf der Bühne, diese Patentlösungen
(Bergelift, Fall, Großschot-Talje) einsatzbereit in den Händen hatten, war es
unter diesen Idealbedingungen schon schwer genug, einen (Mann/Frau aus dem
Publikum) über die Reling rüberzuhieven oder zu winschen.
Nach all diesen Erfahrungen und gottlob ohne eigenen Erlebnisse dieser Art
draußen auf dem Wasser, bin ich überzeugt, dass es hierfür keine
"ideale" Patentlösung gibt. Ja, ich stehe diesen Erfindungen
sogar etwas skeptisch gegenüber.
Warum? Wenn Sie sich auf einem gut und reichlich ausgerüsteten Schiff auf
der Ostsee einmal umschauen, dann können Sie dort unter Umständen eine ganze
Reihe von solchen Patentlösungen sehen. Am auffälligsten ist die Rolle
am Heck (unter gelbem Schutz), mit der man einen Mann im Wasser mit
auslaufender Leine umkreist, bis die rettende Leinenverbindung hergestellt ist.
Dann sehen wir eine Rettungsboje am Achterstag, die
eine Unglücksstelle kennzeichnen soll. Am GPS haben wir eine MOB-(Man
overboard)-Taste und - klar doch - das Groß- oder Fockfall reicht bis
zur Wasseroberfläche. Die Großschot-Talje ist zum
blitzschnellen aushängen mit einem Patentschäkel versehen
und dazu gibt es noch den obligatorischen Rettungsring
oder -Kragen an der Reling. Die Überausgerüsteten haben dann noch in
jeder Rettungsweste ein Handfunke, um eine
Radioverbindung zum Unglücksraben im wasser herzustellen. Und all dieser
Aufwand wird getrieben, um jemand aus dem Wasser zu fischen, weil dieser über
die Reling gekippt ist.
Und welcher Aufwand wird getrieben, um eben dieses Unglück zu vermeiden?
Welche Mannschaft trägt immer einen Sicherheitsgurt?
Wo gibt es an Bord solcher Yachten eine Möglichkeit, vom Cockpit bis zum
Vorschiff mit der Life-Leine zu kommen, ohne sich
zwischenzeitlich auszupicken? Und auf welchen Yachten wird immer(!) einen Bullenstander
gefahren? Ist es nicht so, dass der Großbaum in
den meisten Fällen den Mann über Bord gewischt hat. Ist dieser nicht der
wirkliche Witwenmacher, wie die Angelsachsen
richtig große Spieren schimpfen? Ich will damit sagen, dass man einen ungleich
viel größeren Aufwand treiben müsste, nicht über Bord zu gehen, als ein
solches Unglück notdürftig zu reparieren.
Die Praxis sieht ganz anders aus. Gelegentlich halte ich die Anschaffung
solcher MOB-Retter für einen Selbstbetrug. Man
kauft sich so ein Patent, hängt es an die Reling und kann sich an die Brust
klopfen: Ich hab alles für die Sicherheit getan!
Trotzdem - ich halte Ihre Idee für gut. Sie ist leicht in eine Rettungsweste
zu integrieren. Ein ideales Rettungsmittel haben wir ja dann, wenn es
wirkungsvoll, leicht zur Hand und nicht zu teuer ist. Ich rate Ihnen, sich
hierfür an die Firma Kadematic zu wenden. Diese führende
Rettungswesten-Herstellerin macht sich seit mehreren Jahrzehnten Gedanken um die
aktive Sicherheit und hat auch schon eine Reihe von Patenten gerade bei dieser
Problematik realisiert.
Ihre Erfindung erfüllt ihren Zweck in ganz bestimmten Situationen: Sie
werden diese Erfindung aber wohl nie in Anspruch nehmen müssen. Denn Sie machen
sich schon jetzt Gedanken um die Sicherheit Ihrer Freundin. Deshalb werden sich
an Bord Ihrer Yacht alle immer anleinen, nachts niemand alleine aus dem Cockpit
gehen und vor allem wird der Großbaum aber auch nicht eine Sekunde und auch
nicht hart am Wind ohne den "Bullen", also unkontrolliert, gefahren!
Mast- und Schotbruch
Bobby Schenk
zur
Home-Page
Page by Bobby Schenk
E-Mail: mail@bobbyschenk.de
URL of this Page is: https://www.bobbyschenk.de/frage058.html
Impressum und Datenschutzerklärung