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YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Frage von
Helmut Gehring
Sehr geehrter Herr Gehring,
die Strecke von der Sie sprechen, habe ich sicher schon 50mal gesegelt,
sodass ich hierzu schon Einiges sagen kann. Nämlich: Nichts!
Die Wetterverhältnisse in Polynesien sind durchwachsen. Das Gebiet liegt
zwar ganz klar im Bereich des Passats, doch ist dieser nicht so eindeutig
ausgeprägt wie zum Beispiel die Passatwinde in der Karibik. Es gibt keine
eindeutige(!) Regenzeit, dafür auch keine garantierte(!) Schönwetterperiode.
Gleiches
gilt für den Wind. Wenn in den Charts von "vorherrschenden"
Nordostwinden die Rede ist, dann kann dies praktisch genauso gut heißen, dass
Sie Südost-Winde haben. Auf der Strecke habe ich auch schon Flaute erlebt - und
es war die einzige Strecke, wo es mir einmal ein Segel, den Klüver, zerfetzt
hat - beim Gegenanbolzen. "Vorherrschend" heißt nicht mehr als dass
andere Winde weniger oft vorkommen.
In jedem Fall werden Sie Schwell haben und
damit sind wir beim Hauptthema, wenn ich einmal gesagt habe, gegen den Passat
könne man kaum gegenansegeln. Unsere Yachten sind ja eigentlich für
Am-Wind-Segelei optimiert. Aber diese hervorragende Eigenschaften können sie
nur bei glattem Wasser ausspielen. Die Besonderheit bei dem Revier, das Sie
ansprechen, ist, dass Sie, kaum haben Sie die Nase aus der Riffpassage
hinausgestreckt, die volle Pazifik-Dünung abbekommen. Und da schaut es mit den
Am-Wind-Eigenschaften schlagartig nicht mehr so toll aus. Vor allem mit einer
Yacht mit viel Windfang, wie es die ATOLL ja ist. Aber auch jede andere
Fahrtenyacht wird sich bei diesem Schwell und gegenan feststampfen. Dann Fahrt
verlieren. Dann Abfallen...
Und dann geht das Ganze von vorne an. Sie tasten
sich an den Wind, stampfen sich fest und...
Eine Zahl belegt das, was ich
beschreibe: Als wir im friedlichen Südatllantik mit einer 15-Meter-Yacht
gesegelt sind, haben wir im Passat regelmässig Etmale von 160 Seemeilen und
darüber gemacht. Als wir dann in der gleichen Gegend gegenan heimsegeln
wollten, machten wir 24-Stunden-Strecken nach Luv von gerade mal eben 25 Meilen
und darunter.
Woran liegt das? Sehen Sie sich auf dem offenen Ozean einmal den
Schwell, den der (Passat-)Wind vor sich hertreibt, von der Seite an. Dann
erkennen Sie, dass die Seite der Welle, auf die der Wind auftrifft - logisch -
viel weniger Steigung hat, als die andere Seite, wo gelegentlich die Gischt
überkippt. Wellen bewegen sich zwar nicht vorwärts, doch den
"Wellenhang" muss die Yacht ja doch erklimmen, aufsteigen. So kommt
zur Tatsache, dass hart am Wind , wo unser Rigg physikalisch-logisch ohnehin
nicht sehr effektiv ist, das "Gelände" viel steiler ist, als auf der
anderen Seite der Welle beim "bergabfahren", beim downwind-segeln.
Noch ein Faktor verdirbt uns den Spaß beim Gegenansegeln: Der
"Gegenwind" ist immer runde zwei Windstärken - scheinbar - heftiger,
weil die Schiffsgeschwindigkeit rund eine Bft-Stärke ausmacht und die zu
addieren, beziehungsweise substrahieren ist.
Die Amis bringen es auf den
Punkt: "Gentleman don't go to windward", die Klugen segeln nicht
gegenan. Nun, Ihnen wird nichts anderes übrigbleiben und so werden Sie sich
extra Zeit nehmen müssen, um sicher in der Zeit mit der Atoll wieder in
Tahiti zu sein.
Einen Tip habe ich noch: Versuchen Sie mit der Charterfirma
ein Arrangement zu treffen, dass Sie die Yacht in Raiatea abgeben dürfen. Denn
die manchmal rauhen (auch downwind) 100 Seemeilen von Moorea in die
Gesellschaftsinseln sind nicht so interessant, halt Segeln über die offene See
und das können Sie zu Hause in Europa und sonst überall auch.
Mast- und Schotbruch!
Bobby Schenk
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