YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet



Frage von Jens Ludwigs

Hallo, Herr Ludwigs!

Prima, Ihr Unternehmungsgeist. Deshalb will ich Ihnen keinesfalls Ihre Illusionen zerstören. Aber:

Wenn Sie die Situation aus der Sicht des Yachteigners betrachten, dann können Sie die Schwierigkeiten, die auf Sie warten, besser begreifen. Grundsätzlich ist fast jeder Langstreckensegler geneigt, jemanden als Crew mitzunehmen. Denn das ist eine kostenlose Arbeitskraft - abgesehen vom Essen und Trinken, und es ist allemal besser, einen Mitsegler mehr zu haben, der vor allem beim Wachegehen entlastet. Schon viele haben geglaubt, das sei eine Ideallösung. Die Wirklichkeit sah meistens(!) anders aus. Schon nach kurzer Zeit war die Crew nicht mehr gelitten, weil jeder halt glaubte, man würde menschlich nicht zusammenpassen. Und in diesem Moment beginnen die Probleme erst richtig. Man ist auf einem engen Schiff zusammengesperrt und kann nicht aus. Der nächste Hafen ist meist die letzte Hoffnung für beide Teile. Man kann sich leicht die abgrundtiefe Enttäuschung vorstellen, wenn nach einem langen und ermüdenden Törn, Nervenkrieg eingeschlossen, die Behörden auf der anderen Seite des Ozeans dann einen Crew-Wechsel nicht gestatten, ja die Crew gar nicht erst von Bord lassen. Ernstgemeinte gegenseitige Morddrohungen hab ich da schon erlebt.

Oder der Immigrationman erlaubt nur einen Wechsel zu einer anderen Yacht. Da hab ich dann schon Eigner erlebt, die bei ihren Kollegen am Ankerplatz hausieren gerudert sind, um denen ihre Crew anzudrehen, während diese sich's derweil in der Koje bequem gemacht hat und gar nicht erpicht waren, die "gastliche" Yacht zu verlassen.

All das aber sind harmlose Dinge im Vergleich zu dem was manche Eigner befürchten - und was auch schon passiert ist. Fangen wir mit den berühmtesten Fällen an: In Palmyra wurde das Eignerehepaar von zwei "Yachtstoppern" ermordet und im Sand verscharrt, was erst nach ein paar Jahren aufgeklärt worden ist. Mitten im Atlantik auf der "Barfußrpute" nach Barbados wurden der Eigner der Apollonia und seine Freundin von zwei "netten" (deutschen) Mitseglern, die sie auf den Kanaren aufgegabelt hatten, ermordet. Das Urteil war lebenslänglich für den Mörder. 1971 wollte ein Mitsegler, der ebenfalls auf den Kanaren zugestiegen war, zwar nicht den Eigner ermorden, aber dessen Yacht absichtlich und gewaltsam aufs Riff setzen, weil, so der Täter, er Kommunist sei und der Besitz einer Yacht verabscheuungswürdig sei.

Genug der Horror-Stories: Aber das sind eben so Gedankensplitter, die jeder Yachteigner im Kopf hat, der an der Pier von einem netten Studenten oder auch von einem Maschinenbauer angesprochen wird. Es gilt also, dem zukünftigen Skipper diese Angst zu nehmen, was gar nicht so schwer ist.

Als erstes sollte man dem Skipper eine Kaution anbieten, deren Höhe für ein Rückflugticket vom Zielort reicht. Unterstützend wird man eine unwiderrufliche Vollmacht vorlegen, nach der der Skipper die Kaution hierzu auch verwenden darf. Die meisten Offiziellen haben nämlich nur Angst, dass die importierte Crew das Land nicht wieder verläßt. Wenn ein Rückflugticket vorgelegt wird, dann wird man nichts dagegen haben, wenn der Mitsegler von Bord geht. 

Weiter wird man dem Skipper einen schriftlichen Haftungsausschluß anbieten, der ihn nach Möglichkeit von allen Haftungsrsiken gegenüber dem neuen Mitsegler befreit. Außerdem sollte man mit einer Durchsuchung des Gepäcks von vorneherein einverstanden sein. Was jedem Yachtsmann nämlich Sorgen macht, ist die Möglichkeit der Drogenentdeckung auf seinem Schiff. Damit ist nämlich seine Yacht in Gefahr.

Was erfahrene Skipper meist nicht interessiert, ist die fehlende oder auch vorhandene Segelerfahrung. Das beherrschen sie selber. Was sie brauchen, ist einer der zupacken kann, ohne Launen ist, nicht seekrank wird, sich möglichst im Hintergrund bleibt und eben nicht stört. Und vielleicht einen Maschinenbauer, der sich um die Technik kümmert, vielleicht gleich mal was reparieren kann. Wetten, sowas findet sich auf jeder Blauwasseryacht!

Wenn alle, aber auch wirklich alle diese Voraussetzungen zusammentreffen, ja, dann würde ich es mir auch durch den Kopf gehen lassen, ob ich nicht mal, zur Entlastung, eine Crew mitnehme.

Aber umgekehrt sehe sich der Oceantramper auch die Yacht gut an. Sind die Eigner abgebrannt? Der Zustand des Schiffes verrät es. Am besten und am professionellsten, aber auch unpersönlicher, geht es auf großen Yachten zu, seien sie privat oder in Charter unterwegs. Hängen am Unterwasserschiff lange Bärte? Dann kann man sicher sein, die ersten Tage "an Bord" im schmutzigen Hafenwasser zubringen zu dürfen. Und so fort.

Von den Kanaren also soll es losgehen. Zur besten Zeit sehe ich da gute Chancen. Allein bei der Atlantic Rally for Cruisers sind etwa 200 Yachten im Herbst dabei. Kaum vorstellbar, dass niemand von denen eine fleißige Crew benötigt. Meistens braucht man nur durch die Hafenkneipen ziehen und findet schon irgendwo einen Zettel am Pinboard: "Crew Wanted".

Wenn Sie unter diesen Umständen immer noch interesiert, so in die Ferne zu ziehen, dann haben Sie sich die wohl romantischste Art zu Reisen ausgesucht. Nirgendwo anders ist der Horizont, auch der geistige, weiter als auf See. Und sie werden die Welt von einer Seite erleben, die sie bei und im, wie heißt es so schön, Berufsleben niemals kennen lernen werden.

Mast- und Schotbruch

Ihr Bobby Schenk

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