YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet



Frage von Marc Meier

Hallo, Herr Meier!

Gestatten Sie, dass ich mich nicht an Ihre Nummerierung halte, sondern meine Meinung zu diesem Problem, das mich ja auch beschäftigt hat, kompakt wiedergebe:

Zunächst einmal: Alle Schiffe können kentern. Oceanliner, Fähren (oft), Einrumpfschiffe, Mehrrumpfschiffe. Sir Francis Chichester ist durch-(gekentert), wobei ich schon anmerken möchte, dass Einhandsegler häufiger kentern als Yachten mit mehreren Seglern, also Zeugen, drauf. Die abenteuerlichste Kenterung hat der Italiener Ambrogio Fogar berichtet, der einhand unterwegs, bei Sturm über Bord fiel, gerade noch das Schlepplog (oder die Angelleine) mit einer Hand erwischte und aus dem Wasser heraus beobachtete, wie seine (kleine) Yacht durchkenterte.

Verbürgt sind aber beispielsweise die Kenterungen (mindestens drei) der französischen (Einrumpf-)Yacht DAMIEN in der Gegend von Kap Hoorn. Es hat sich hierbei um eine als besonders robust und sicher bekannte 13-Meter-Metall-Yacht aus der französischen Meta-Werft gehandelt, die ja auch Moitessier seine JOSHUA gebaut hat.

Mehrrumpfyachten ähnlicher Größe(!) kentern dagegen viel viel schwerer, weil ihre Formstabilität ungleich mächtiger einer Kentertendenz entgegenwirkt. Eine Kenterung mit einem Kat ist also erheblich unwahrscheinlicher als bei einer Einrumpfyacht. So wird die Stabilitätskurve der Privilege 465 auch nicht annähernd von einer Einrumpfyacht erreicht.

Eines kann man nicht verschweigen: Große Katamarane richten sich nach einer (theoretisch möglichen) Kenterung nicht wieder selbst auf. Das kann man bei einer vernünftigen Einrumpfyacht wohl erwarten -  von den Missgeburten, die bei den letzten Weltrennen kieloben in den südlichen Breiten liegen geblieben sind, einmal abgesehen. Es ist sicher unbequemer, auf einem gekenterten Kat frierend auf seine Rettung zu warten, als auf einer entmasteten Kielyacht. Noch ungemütlicher wäre es allerdings in einer Rettungsinsel.

Mit meinen Yachten bin ich nie in die Gefahr gekommen, zu kentern. Auch nicht in den Stürmen der hohen vierziger Breiten 200 Meilen vor Kap Hoorn. Für meinen zukünftigen Katamaran, einem 465er Privilege, hätte unter diesen Bedingungen also noch weniger Gefahr bestanden. Ich habe auch noch nie die See so erlebt, dass ich (rückblickend) an eine Kenterung in einem Katamaran denken würde.

Die Jungs von der BLUE SHIP, die ebenfalls in einem Privilege-Katamaran um die Welt, auch um Kap Hoorn, gesegelt sind, habe ich nach ihrer Schwerwetter-Taktik gefragt. Wann sie denn angefangen haben zu reffen? "Wir haben nie gerefft", war ihre flapsige Antwort, was ich diesen ehrlichen Typen durchaus abnehme.

Eines scheint mir bei dieser Betrachtung besonders wichtig und ich sage es, selbst, wenn ich mich wiederhole. Das mächtigste Moment, einen Kat zu kentern, ist nicht der Wind, sondern in erster Linie Steilheit und Höhe der See. Und daraus folgt, dass als weiteres Gefahrenmoment die Größe, besser gesagt die Kleinheit, des Katamarans hinzukommt. Logisch, eine sechs Meter hohe See beeinflusst einen 10 Meter-Katamaran mit einer Breite von fünf Metern mehr als einen 15-Meter-Kat mit sieben Metern Breite. Wolfgang Hausner, der ja seine Katamarane (TABOO war 10 Meter, der letzte TABOO III 17 Meter lang) selbst entworfen hat, brachte es auf den Punkt: "10-Meter-Kats sind kriminell!"

Aber, wenn sie mich direkt fragen, wann denn ein 15-Meter-Kat umkippen kann, ist dies vorstellbar bei haushohen  Sturmwellen (um die zehn Meter) und Gegenstrom, sowie eine Menge Dummheit dazu, nämlich den Kat quer zur See hinzustellen oder soviel Segel zu tragen, dass sich beim Surfen einer der Rümpfe ins Wasser bohrt und den Kat nach vorne überschlagen lässt. "Jeder Narr kann die Segel stehen lassen", meinten die alten Cap Horniers, und das gilt auch für Mehrrumpfboote. Es ist nicht der Druck in die Segel, der Schiffe umwerfen könnte, sondern die aus der Fahrt resultierende Kraft, wenn ein dahinrasendes Schiff plötzlich durch Unterschneiden von der See zum Stoppen gebracht wird. Die dynamische Energie wird sich dann eben ruckartig in eine Kentertendenz wandeln. Als vor einiger Zeit in der Biskaya ein 12-Meter-Kat "gekentert" ist, hat er sich nach vorne(!) überschlagen, weil die Rümpfe sich bei rasender Fahrt in die See gebohrt haben. Ohne große Phantasie darf man wohl sagen, dass bei weniger Fahrt, also bei verkleinerter Segelfläche, diese Kenterung vermieden worden wäre. Der Kat ist übrigens nicht untergegangen, sondern er wurde in den Hafen eingeschleppt.

Meine Sturmtaktik wird also bei einem Kat zunächst einmal (bis mich die See eines Besseren belehrt)  die gleiche sein wie bei einem Einrumpfboot, nämlich vor dem Wind mit nicht allzu hoher Geschwindigkeit abzulaufen. Ist Ihnen übrigens schon aufgefallen, dass in den letzten Jahren die Diskussion um die "richtige" Sturmtaktik nachgelassen hat? Die Erklärung liegt nahe: Die Yachten sind im allgemeinen größer geworden, das Verhältnis von Schiffsgröße zur Wellenhöhe hat sich verbessert. Was eine Neunmeter-Yacht als den Sturm ihres Lebens angesehen hat, das ist eben an Bord einer 15-Meter-Yacht "lediglich" schweres Wetter, gleichgültig ob auf einem oder zwei Rümpfen - siehe oben.

Ich nehme an, dass Sie sich verschrieben haben. "Unsinkbarkeit" kann keine Werft garantieren (von Spezialbauten mit entsprechenden Auftriebskörpern einmal abgesehen). Dass ein gängiger und vernünftig beladener Kat nicht absäuft, wenn ein(!) Rumpf auf Grund eines Lecks volläuft, wurde schon viele Mal bewiesen. Eine übliche Kielyacht, also ein Bleitransporter, würde das nicht überleben. Warum habe ich mich wohl für einen Kat entschieden? Es waren auch Sicherheitsüberlegungen. Solche Ansichten setzen sich durch. Und selbstverständlich hat die Schiffs-Versicherung auch keine Einwendungen erhoben, oder ist gar teurer geworden, als ich mit einem Kat daherkam.

Um noch einmal auf die Privilege-Katamarane zurückzukommen: In 15 Jahren hat sie 350 Katamarane gebaut und verkauft. Die Kunden waren sicher alle nette Leute, aber statistisch müssen darunter Gescheite und weniger intelligente Leute, gute und schlechte Seeleute gewesen sein. Keinem ist es gelungen, einen Privilege umzuschmeissen. Diese Tatsache ist stärker als jeder Test im Wasserbecken.

Herzliche Grüße aus München! Ihr Bobby Schenk

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