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YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Frage von
Georg Hohaus
Sehr geehrter Herr Hohaus,
sie schneiden da ein ganz wichtiges Thema an
und verzeihen mir sicher, wenn ich dazu mit drastischen Worten Stellung nehme.
Mir ist danach.
Als wir neulich unsere Yacht, einen
15-Meter-Katamaran, zu zweit durch die Biskaya und danach zum Mittelmeer
segelten, hatten wir - im Sommer – an der Küste von Portugal und in der
Einmündung nach Vigo dichten Nebel, so dicht, dass man gelegentlich die
Mastspitze nicht mehr sahen. Und das in einer Gegend, in der man dem
Schiffsverkehr gar nicht aus dem Wege gehen konnte. Dicht unter der Küste
wussten wir um die Existenz von tausenden von Fischerbooten (nicht nur kleine
Kähne, sondern auch Brummer mit ein paar tausend Tonnen). Draußen, so hundert
Meilen von der Küste entfernt, lauerte der Hauptverkehr von Afrika, aus dem
Mittelmeer nach Nordeuropa. Der Nebel dauerte nicht ein paar Stunden. Sondern
tagelang.
Hätte man nun kein Radar an Bord, stellt man
sich diese Situation in der Segelschule doch folgendermaßen vor: Ein „Mann“
wird aufs Vorschiff gestellt mit so’ner blechernen Tröte in der Hand, mit der
er alle paar Minuten „Schallsignale“ abgeben soll. Die Maschine wird gestoppt,
damit man die Maschinen, gelegentlich das Schraubengeplätscher der anderen
ausmachen soll. Deren Größe sieht man nicht, deshalb wirken sie auch zunächst nicht
so gefährlich. Erst dann, wenn mal einer so nahe vorbeizieht, dass man die
Nieten im Rumpf zählen kann, ist der Schrecken groß, erst dann spürt man die
Todesgefahr. Also schulmäßig würde ich dort wahrscheinlich immer noch sitzen.
Wenn mich niemand über den Haufen gefahren hat.
Man mache sich keine Illusionen: Die
Berufsschiffahrt mindert ihre Fahrt – entgegen den Vorschriften – um keinen
zehntel Knoten. Der Rudergänger guckt gelegentlich aufs Radar und wirft vielleicht
alle Viertelstunde einen Blick auf den Kompaß. Zum Fenster schaut er gar nicht
raus, denn er sieht ja doch nichts außer einer dichten Milchsuppe.
Ja, aber dafür haben wir ja einen Radarreflektor?
Pustekuchen, das Spielzeug ist erstklassig zur Selbtberuhigung. Unsere
Radarreflektoren, ob dreißig oder tausend Mark teuer, geben ein leidliches Echo
erst in einem Umkreis von drei Meilen. „Leidlich“ heißt, es ist auf dem Schirm
auszumachen, wenn man genau hinschaut, laufend mit Verstärkung und
Seegangsenttrübung spielt. Die dicken Pötte sind 10 Meilen lang unübersehbar
auf dem Bildschirm. Damit beschäftigt sich der Rudergänger einige Zeit, teilt
sie ein in „ungefährlich“ oder „lästig“.
Die drei Meilen, wo er uns sehen könnte,
bedeuten im schlechtesten Falle gerade mal fünf Minuten, in denen der
Rudergänger sich gerade aus dem Kühlschrank ein Coldy holt. Wenn Sie es nicht
glauben, dann bitten Sie doch mal bei guter Sicht über Kanal 16 („ship in my
vicinity, this is the German sailingyacht...“) einen Großen um einen Report,
wie lange und wie deutlich er Sie auf dem Bildschirm hat. Am besten bei einigem
Seegang, wenn Sie dazu aufgelegt sind.
Arme Yachten mit Radarreflektor! Ein
Transponder wäre da schon ganz was anderes. Der würde seinen Eintrag schon aus
10 Meilen auf dem Radarbild des Biggy hinterlassen, unübersehbar diese
aktive(!) Radarwarnung. Leider auch teuer, so teuer noch, dass man dafür schon
ein Radar bekommt. (Übrigens: In der Fliegerei ist ein Transponder praktisch an
Bord von allen Flugzeugen, auch bei den kleinen Einmotorigen.)
Aus den genannten Gründen befinde ich mich,
und vor allem meine Mannschaft, unter solchen Umständen – dichter Nebel und
Schiffsverkehr – in akuter Gefahr, niedergewalzt zu werden, also, schlicht und
undramatisch ausgedrückt: in Lebensgefahr. Und Sie mit ihrem schwächlichen Echo
können nicht mal was dagegen machen – außer die lächerliche Selbstberuhigung
mit den Schallsignalen
Daraus folgt aber, dass es, genaugenommen,
unverantwortlich ist, auszulaufen, wenn man die Gefahr von Nebel bei
gleichzeitigem Schiffsverkehr nicht gänzlich ausschließen kann. In letzter Konsequenz
sind also unsere so hochgelobten Yachten nicht hochseetüchtig. Oder? Nebel hab
ich in der Ostsee, in der Themse sowieso, in der Straße von Gibraltar, ja im
Hochsommer in Kroatien, kurzum in Europa überall, schon erlebt.
Und mit Radar? Da sieht die Sache schon ganz
anders aus, da sind wir fast so gut ausgerüstet wie die Berufsschiffahrt – mit der
Einschränkung: Die Reichweite „unserer“ Radargeräte ist etwas geringer, was
weniger an der Qualität der Yachtradars liegt als an der niedrigen
Antennenhöhe. Trotzdem: Man sieht den „Gegner“, auch wenn der uns vielleicht
nicht wahrnimmt. Man kann ausweichen, ihm aus dem Weg gehen, flüchten.
Dies ist der unschlagbare Vorteil eines
Radargeräts auf einer Yacht, die damit, jedenfalls von dieser Seite her,
hochseetüchtig ist. Nur mit Kopfschütteln kann man manche „schöne“ Yacht
bewundern, wenn kein Radar drauf ist. „Die Radarantenne verschandelt die Silhouette
meiner Swan“, meinte ein tumber sailor. In englischen Gewässern, wo viele
Segler sichtlich mit finanziellen Gaben nicht so gesegnet sind wie in mancher
Mittelmeermarina, haben die kleinsten Yachten oft riesige Radars, Motorbötchen
sowieso. Die wissen, warum!
Das Aauge im dichtesten Nebel ist der
Hauptvorteil eines Radargerätes, aber auch ohne Nebel erhöht es die Schiffssicherheit.
In viel befahrenen Gebieten schafft ein Blick auf den Radarschirm größere
Klarheit als Dutzend Seitenpeilungen, ob die Peilung steht. Auf dem Schirm
genügen zwei Minuten, um zu sehen, dass sich die Entfernung zum Schornstein am
Horizont vergrößert. Abgehakt. Mit Koppelspinnen zu arbeiten, zu plotten und
mit trigonometrischen Funktionen die Näherung und den Kollisionszeitpunkt zu
errechnen, ist, mit Verlaub gesagt, auf einer Yacht ein Schmarren. Die
notwendige Rechenzeit sollte man lieber in die aufmerksame Bedienung (Verstärkung,
Tuning, Seegangsenttrübung) investieren, auch wenn schon billige Yachtradars
viel Automatik eingebaut haben. Darüber hinaus machen solche Rechenspielereien
nur dann Sinn, wenn das Radar nordstabilisiert ist, zumindest ein exakt
steuernder Automat am Ruderrad hängt.
In der Navigation dagegen, einst die Domäne
des Radars, hat heute ein billiges GPS die gleichen Vorteile, auch wenn es
vertrauenswürdiger ist, wenn man die Huk vorne auf dem Bildschirm erkennt und
nicht erst im Hirn die Digitalanzeigein ein mentales Warnsignal umwandeln muss.
In Gegenden dagegen, die noch nicht mit gps-genauen Seekarten abgedeckt sind, setze
ich auch heute noch in erster Linie auf Radar. Übertrieben ausgedrückt: Nur was
ich mit den eigenen Augen sehe, glaube ich auch.
Ihre Frage, welches Radar?
Jedes, aber auch jedes, also auch das
billigste, ist viel besser als gar keines. Um Mast- und Schotbruch zu
vermeiden!
Bobby Schenk
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