YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet



Wilhelm Vallbracht

Lieber Herr Vallbracht,

also beten (alleine) ist sicher das Schlechteste, was Sie tun können. Denn kein Gebet ist so stark wie ein Sicherheitsgurt. Aber Spaß beiseite: Sie haben mit Ihrer Frage völlig recht und dem Grunde nach haben Sie wohl, Ihr Alter beweist das, schon das Richtige getan.

Trotzdem: Man kann es sich leicht machen und predigen: Rettungsweste und Sicherheitsgurt müssen immer getragen werden. Damit hat man (fast) immer recht. Dass aber das Problem so leicht nicht zu lösen ist, beweisen die Sailors der englischen Navy. Offensichtlich ist es bei denen Vorschrift, immer Rettungswesten zu tragen, denn ich hab noch nie einen dieser blaupulloverten Männer ohne Rettungsweste gesehen, weder an Bord ihres Kriegsschiffes noch  im Jumbo-Schlauchboot. Allerdings hab ich auch noch nie bemerkt, dass von denen einer eine Lifeline getragen hätte.

Ich erinnere mich an die Diskussionen um den Sicherheitsgurt im Auto, eine Problematik, die auch zwei Seiten hat, von denen die eine allerdings recht schwach ist. Tatsache aber ist, dass die Einführung der Gurtpflicht der wesentliche Faktor war, dass die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland von fast 20000 Toten im Jahr auf unter 10000 gedrückt wurde.

In der Sportschiffahrt hat aber der Sicherheitsgurt eine ganz andere Aufgabe und Statistiken fehlen völlig, schon alleine deshalb, weil die Unfälle auf See kaum miteinander verglichen werden können.

So muss jeder für sich abwägen, was er für richtig hält, wobei es sehr auf die persönlichen Umstände ankommt. Damit aber hier gar kein Zweifel über meine Meinung aufkommt, eines vorweg: Sicherheitsgurt und Rettungsweste sind an Bord einer Hochseeyacht ein absolutes Muss. Wann sie getragen werden, entscheiden die Umstände.

In Ihrem geschilderten Fall vertrete ich(!) folgende Meinung: Tatsächlich halte ich das Tragen einer Weste unter normalen Umständen für überflüssig, wenn man die Einschränkung Ihrer Bewegungsfreiheit und die Erfolgsaussichten bei einem Unfall in Rechnung stellt. Wenn Sie in die kalte Ostsee fallen, niemand sonst an Bord ist, der sie rausholen könnte, verlängert die Rettungsweste höchstens Ihre Leiden. Eine ganz andere Meinung vertrete ich aber in Ihrem Fall zum Thema "Sicherheitsgurt". Denn der würde ja das Unglück in jedem Fall verhindern, auch um den Preis der Unbequemlichkeit. Bedenken Sie bitte, dass Ihnen nach menschlichem Ermessen gar nichts passieren könnte, wenn Sie angegurtet sind. Ein Schwächeanfall, ein Stolperer, ein Beinbruch mit nachfolgender Ohnmacht oder was man sich sonst noch ausmalen kann, hätte keine weiteren Folgen außer, dass Ihre Yacht halsen würde oder irgendwo aufbrummen würde. Denken Sie an Eric Tabarly, der - und da bin ich mir ganz sicher - körperlich in besserer Verfassung war wie Sie! Sein Ausspruch "Lieber ein Leben lang nicht an den Sicherheitsgurt gefesselt..." klingt zwar ganz heroisch, aber ersoffen ist er jämmerlich.

Was anderes ist es mit dem Tragen einer Rettungsweste, wenn jede Menge Besatzung da ist, um einen im Notfall rauszuholen. Dann könnte sie Menschenleben retten, erst recht, wenn jemand ohnmächtig über Bord gegangen ist. Trotzdem sehen wir im Sommer in der Regel bei Hochseeregatten niemand mit Westen auf der Kante sitzen. Und das, obwohl es nachweislich deshalb tödliche Unfälle gegeben hat. Es ist nicht nur die Unbequemlichkeit des Tragens einer Weste, sondern man liebt auch nicht die Konfrontation mit der Lebensgefahr in unserem schönen Sport. Gleiches galt übrigens für den Sicherheitsgurt im Auto, der auch erst ordnungsgeldbewehrt vorgeschrieben werden musste, um den Autofahrer von seinen lebensrettenden Vorteilen zu "überzeugen".

Ich hab diesen Vergleich absichtlich angezogen, um auf die "gesetzliche Rettungswestenpflicht" einzugehen, die in Diskussionen von Wichtigtuern gerne eingebracht wird. Das Tragen einer Rettungsweste zur gesetzlichen Pflicht zu machen, ist blanker Unsinn und kann nur von Leuten diskutiert werden, die von der Materie keine Ahnung haben, mit Sicherheit noch nie in schwerem Wetter sich auf dem Vorschiff rumtreiben mussten. Glücklicherweise kann unser Sport nicht in ein solches Vorschriftenschema gepresst werden wie das Autofahren.

Jetzt interessiert es Sie vielleicht noch, wie ich es persönlich mit dieser Problematik halte:

Üblicherweise tragen wir keine Rettungsweste, es sei denn, besondere Umstände machen es erforderlich. Wenn ich beispielsweise bei schwerem Wetter mit dem Beiboot einen Anker ausbringe oder wenn die Landungsverhältnisse (schwere Brandung) für das Dhingy problematisch  sind oder wenn ich auf ein anderes Boot auf hoher See umsteigen müsste oder nach einer Havarie, dann würde ich eine Weste anlegen. Den Sicherheitsgurt trage ich immer dann, wenn bei bewegter See außerhalb des Cockpits gearbeitet werden muss oder generell, also auch im Cockpit, wenn sehr schweres Wetter herrscht. Nachdem ich mit dem Sicherheitsgurt auch die Weste anlege (Rettungsweste mit integriertem Sicherheitsgurt von Kadematic) habe ich dann auch die Weste an.

Ich wünsch Ihnen noch ein langes Leben. Doch dafür ist wohl der Sicherheitsgurt notwendig.

Bobby Schenk

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