YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet



Frage von Hans u. Andrea Ellenberger

Hallo Herr/Frau Ellenberger,

Anfragen in dieser oder ähnlicher Art habe ich schon öfters bekommen und mit Sicherheit werde ich niemals die Feststellung treffen, dass ein bestimmter  Schiffstyp zu diesem oder jenem Zweck ungeeignet ist. Sie können jede Marke nennen und ich kann Ihnen dazu sagen, was mir daran gut oder nicht gefällt. Das sind aber subjektive Meinungen, müssen es auch sein, weil es das "absolute Schiff" nicht gibt. Mit gefällt es beispielsweise nicht, wenn Zeitschriften - mit fragwürdigen Gerichtsurteilen im Rücken - sich anmaßen, bestimmte Yachten als "nicht hochseetauglich" abzuqualifizieren. Überspitzt ausgedrückt, könnte man zu einem solchen Schluss nur dann kommen, wenn das Schiff nicht schwimmt, aber dann würde ich es nicht mal als "Boot" bezeichnen.

Was ist schon "langfahrttauglich"? Wohl eine Yacht, mit der man auf Langfahrt gehen kann. Das gilt aber mehr oder weniger für alle Markenyachten. Als Carla und ich vor drei Jahrzehnten um die Welt segelten, da tummelten sich auf den Ankerplätzen rund um die Welt Yachten, die Sie (und sehr viele andere) heute zu 80 Prozent als bestimmt nicht langfahrttauglich eingestuft hätten - angefangen mit der acht Meter langen Astronotus des Deutschen Otto Zimmermann über eine sieben Meter lange Shark mit einer kanadischen Familie(!) drauf bis hin zum 10 Meter langen Katamaran Taboo des österreichischen Seehelden Wolfgang Hausner. Und trotzdem haben die genannten Yachten - und ich wähle das Wort "Yacht" mit Bedacht - hervorragende Langfahrtreisen unternommen. Oder nehmen Sie unser damaliges Schiff THALASSA (linkes Foto)- 34 Fuß lang: Wir hatten 280 Liter Trinkwasser und 70 Liter Diesel an Bord, Werte, über die Sie mit Ihrer Bavaraia 44 nur mitleidig lächeln können. Und trotzdem haben wir mit dem Wasser nicht ein einziges Mal Schwierigkeiten bekommen. Mit dem Diesel genauso, schließlich hatten wir ja Segel zur Fortbewegung. Dann muss an dieser Stelle ja noch der Großmeister im Langfahrtsegeln genannt werden, nämlich Eric Hiscock mit seiner Wanderer III, aus Holz und knapp über 9 Meter lang. Damit segelten Eric und Susan zweimal um die Welt. Die Wanderer III, nun fast ein halbes Jahrhundert alt,  macht auch heute noch unter deutschem Eigner großartige Reisen und hat zwischenzeitlich auch die rauhen Gewässer um Kap Hoorn im Logbuch. Als ich Eric Hiscock später, nunmehr Eigner einer großen holländischen Stahlyacht, nach seinen Schiffen befragte, bekam ich statt einer Lobeshymne auf seine jetzige Yacht einen wehmütigen Rückblick auf Wanderer III zu hören.

Eine der verbreitetsten Bootsklassen damals waren die Najaden, keine 10 Meter lang. Als eine Najade im indischen Ozean ihr Ruder verlor - das ging einfach auf 4000 Meter Tiefe - da baute unterwegs der Eigner ein Notruder und erreichte sicher Durban. Keiner der Segler wäre auf die Idee gekommen, trotz dieses eklatanten Konstruktionsfehlers den Schiffstyp generell als "nicht langfahrttauglich" einzustufen. Als in Tahiti Bernhard Moitessier, gerade zurückgekehrt von seiner Welttour ("der verschenkte Sieg") mir bei einer Ruderreparatur unserer Thalassa  half, gab er mir den Rat, mit meinem Schiff um Kap Hoorn zu segeln, was ich entsetzt von mir wies. "Warum nicht, Du kannst doch segeln?" war seine ernstgemeint Frage.

Ja, warum nicht?

Wenn Sie also Bedenken wegen der Trinkwasserkapazität haben, dann schalten Sie einfach die elektrische Wasserpumpe ab und bauen eine zusätzliche mechanische Fußpumpe - am besten die Gusher II - ein. Sie werden schnell merken, wie die Lust aufs Haare waschen sinkt. Wenn Ihnen der Dieselvorrat zu gering erscheint, dann benutzen Sie Ihren Diesel nur noch zur Stromerzeugung oder stellen halt ein paar Kunststoffkanister mit Diesel für die langen Fahrten durch bekannt windstille Zonen aufs Deck. Und wenn Ihnen die Ruderaufhängung zu schwach vorkommt oder wenn Sie von diesbezüglichen Schwierigkeiten gehört haben, dann lassen Sie entsprechende Verstärkungen einbauen. Hilft die Werft hier nicht weiter, dann schreiben Sie es mir. Kurzer Kiel oder langer Kiel? Nehmen Sie den, der unter Ihrem Schiff hängt und arrangieren Sie sich damit! Ohne Ihr Schiff zu kennen, behaupte ich: Es besteht kein ernster Anlass, das Schiff zu wechseln.

Sie haben wohl gemerkt, worauf ich hinauswill und das ist auch nicht persönlich gemeint:

Es kommt nicht darauf an, ob das Schiff "langfahrttauglich" ist, sondern ob Sie und die Crew es sind.

Zum Schluss noch eine wahre Geschichte: Ein bekannter deutscher Blauwassersegler verkaufte seine Yacht, mit der er die halbe Welt jahrelang abgekreuzt hatte. Der neue Eigner stellte zur seiner Enttäuschung fest, dass diese berühmte Yacht nach seiner Überzeugung völlig ungeeignet "zum Kreuzen" war, also eine unbefriedigende, oder vielleicht auch gar keine Höhe lief. Für heutige Zeiten fast logisch: Er rannte zum Rechtsanwalt, der die Erfolgsaussichten eines Prozesses überprüfen sollte. Was daraus letztlich geworden ist, weiß ich nicht. Aber eine Frage beantwortet diese Geschichte: War die Yacht oder ihr neuer Skipper "langfahrttauglich"? 

Mast- und Schotbruch

Bobby Schenk

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