|
YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Fragen von
Erika lenz
und patrick Herbst
Hallo Frau Lenz und Herr Herbst,
also, was Ihnen da die Versicherung einzureden versucht, ist
ein Schmarrn. Es sei denn, es würden sich akute
Anzeichen ergeben, dass mit Ihrem Rigg etwas nicht stimmt.
"Abnutzungserscheinungen" wären einzelne gebrochene
Drähte, vor allem in der Nähe der Walzterminals
oder wenn das Drahtwerk im losen Zustand deutliche Knicke
zeigt. In beiden Fällen wären die Drähte vorsichtshalber auszutauschen, im
ersten Fall deshalb, weil in Kürze das gesamte Want oder Stag an dieser Stelle
brechen wird und im zweiten Fall, weil es unmöglich ist, festzustellen, ob
nicht die "Seele" des Drahtwerks
beschädigt ist.
Genaugenommen aber sind das keine "Abnutzungen"
sondern Konstruktions- oder Riggmängel. Beide
hätten sich schon längst, nämlich am Lebensbeginn des Schiffes, herausstellen
müssen. Im übrigen ist zu sagen, dass, anders als bei einem Flugzeug, das
Metall, also Mast und Drähte, bei einer Fahtenyacht kaum belastet werden, die
berühmte "Materialermüdung" nur dann so
früh eintreten kann, wenn das Rigg zuviel arbeitet, also zuviel Spiel hat. Wenn
Sie also optisch Ihr Rigg zu Saisonbeginn, besser noch vor jedem längeren Törn
kontrollieren und keinerlei Anhaltspunkte für einen bevorstehenden Schaden
(gebrochene Kardeele, Längsrisse in den Preßhülsen oder Wantenspannern)
finden, dann ist ihr Rigg so in Ordnung wie es sein kann.
Die Forderung der Versicherung ist genauso zu werten als
würden Sie zum Austausch des ganzen Schiffes gedrängt werden.
Was Sie beide vielleicht beruhigen sollte, ist die Tatsache,
dass Weltumsegleryachten außerordentlich selten echte Schäden an Mast und
sonstigem Rigg erleiden. Ich nenne hier diese Blauwasseryachten, weil deren
Meilenleistung selbstredend viel höher ist, als die einer Durschnittsyacht.
Hinzu kommen ungleich höhere Belastungen im hohen Wellengang der offenen
Ozeane, die man beispielsweise am Mittelmeer höchstens in einem Sturm erleben
kann. Hat das Rigg, speziell der Mast derartiges schon längere Zeit
ausgehalten, bedeutet dies, dass Konstruktion und Dimensionierung
in Ordnung ist.
Bei einem Aluminiummasten
sind auch Korrosionsschäden außerordentlich
selten. Denn die vielzitierte Elektrolyse, die dem
Aluminium so gefährlich werden kann, findet nicht beim Zusammentreffen von zwei
verschiedenen Metallen statt (wie einige Autoren unpräzise schreiben), sondern
beim Zusammentreffen mehrerer Metalle und(!!!) einem Elektrolyt. Letzteres ist
üblicherweise Salzwasser, im milderem Maße unreines Süßwasser, wie es auch
Regen sein kann. Elektrolytische Veränderungen am Mast gibt es also nur und
solange, wenn die Niro-Beschläge und das ungeschützte Aluminium (bei Bohrungen
zum Beispiel) von Wasser - Gischt, Regen - bedeckt sind. Das lässt sich an
jedem Mast gut überprüfen. Die Niroschrauben der Beschläge
sind meist in einer grauen Masse (früher reines Aluminium) festgefressen, was
auch vorteilhaft sein kann. Wenn man also darüber hinaus am Mast keine
nennenswerten Veränderungen feststellen kann, ist der Mast sicher in Ordnung -
unabhängig von seinem Alter.
Ein besonders kritischer Punkt - siehe oben - ist der Mastfuß.
Wenn dort keine Möglichkeit für eingedrungenes Seewasser zum sofortigen
Abfluss geschaffen wurde, Seewasser (Elektrolyt) längere Zeit dort stehen
konnte, muss vorsichtshalber bis zum Beweis des Gegenteils mit erheblichen
Anfressungen und damit mit einer strukturellen Schwächung
des Mastes gerechnet werden. Aber dies lässt sich nachprüfen.
Bei einem gebrauchten Mast
besteht allerdings eine andere Gefahr: Nur selten kann man die vorhandenen
Beschläge ohne Veränderung nutzen. Man wird den einen oder anderen Beschlag
ändern, entfernen oder hinzufügen. Theoretisch schwächt
jede(!) Borhung den Mast. Wenn man nur die notwendigen Beschläge
anbringt, bewegt sich diese Schwächung im theoretischen Bereich. Ufert die
Bohrereri am Mast aber aus, was dann der Fall ist, wenn alle Beschläge in ihrer
Position am Mast verändert würden, dann könnte der Mast deutlich geschwächt
werden. Das ist das System der Perforation.
Werden diese Gefahren aber vermieden und wenn ansonsten alles
ohne Befund ist, besteht kein Grund, einen gebrauchten Masten, ausreichende
Dimensionierung vorausgesetzt, nicht zu verwenden.
Deshalb, Mast- und Schotbruch!
Bobby Schenk
zur
Home-Page
Page by Bobby Schenk
E-Mail: mail@bobbyschenk.de
URL of this Page is: https://www.bobbyschenk.de/frage095.html
Impressum und Datenschutzerklärung