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YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Frage von
Jörg Wingenfeld
Lieber Herr Wingenfeld,
zunächst freut es mich, dass Sie sich Sorgen um das
Wohlergehen Ihrer Eltern machen.
Es ist allerdings auch bezeichnend, dass man heute bei der
Gefährlichkeit einer Weltumsegelung nicht mehr nach Stürmen oder Riffen fragt,
sondern nach Mord- und Totschlag. Dabei schätze ich die Gefahren, die von der
Natur ausgehen, erheblich höher ein, als die von Menschen gesetzten Risiken.
Freilich, die Gefahr für Leib und Leben, die einem von einem Riff droht, ist
vergleichsweise gering. Eher ist es schon, dass man sein Schiff verlieren kann.
Üblicherweise liegt man ja während einer Weltumsegelung nicht in einem
geschützten Hafen, sondern in einer Ankerbucht, wobei es äußerst selten ist,
dass solche Buchten "absolut sicher" sind. Man berücksichtige doch
nur, dass das Schicksal seiner Yacht meist an einem Kettenglied mit 10 oder 12
Millimeter Durchmesser hängt. Bricht dies zur Unzeit (nachts bei auflandigem
Wind), so ist die Yacht und damit meist das ganze Vermögen verloren.
Es gibt so was wie eine "übliche"
Weltumsegelungsroute, von Neidern auch abfällig als "Barfußroute"
bezeichnet. Zufall oder nicht, die führt seit jeher durch "sichere
Gebiete", wenn man um die indonesischen Gewässer, Kolumbien und Teile der
Karibik einen kleinen Bogen macht. Im Pazifik, speziell in französisch
Polynesien, ist die Situation sogar so, dass die Gebiete dort erheblich sicherer
sind als deutsche Großstädte. Salopp gesagt: Wenn Sie gefährlich leben
wollen, dann bleiben Sie in Deutschland und verzichten auf eine Weltumsegelung.
Gewaltverbrechen sind hier ja nicht gerade selten.
Klar, wird mal eine Yacht überfallen (meist in ohnehin
dubiosen Gewässern), dann macht dies wegen des "romantischen"
Umfeldes gleich Schlagzeilen in der Weltpresse. Schnell ist daraus abgeleitet,
dass Piraterie an der Tagesordnung ist. Das ist falsch. Ich könnte Ihnen gleich
ein Dutzend Mordtaten auf Yachten aufzählen, die sich in den letzten zehn
Jahren auf den Weltmeeren abgespielt haben. In einer deutschen Großstadt
passiert das die in einem Jahr.
Darüberhinaus ist der Zusammenhalt unter den Yachties meist
großartig, wenn man mal unsere häuslichen Gewässer im Atlantik verlassen hat.
Es ist durchaus üblich geworden, dass sich mehrere Yachten
"zusammentun", wenn mal ein kritisches Revier durchquert werden muss.
Früher war dies unüblich, was aber nicht an der fehlenden Kameradschaft lag,
sondern an den völlig unzureichenden Kommunikationsmöglichkeiten. Sender auf
Yachten konnten sich - strom- und geldmäßig - nur Millionärsyachten leisten.
Heute gibt es keine Yacht mehr ohne mindestens UKW.
Die Verbindung nach Hause lässt sich heute ebenfalls
aufrechterhalten, was Ihre Eltern beruhigen dürfte. Das neuerweckte
Iridium-System, oder das durchaus erschwingliche Inmarsat C-Satelliten-Telefon
ermöglicht Telefongespräche von überall nach Deutschland und zu jeder Zeit.
Preiswerter ist der ein Transponder von Tracecare, der ebenfalls über
Satelliten die jeweilige Position des Schiffes ins Internet schickt. Und
schließlich kann auch eine moderne Epirb wie die navtec global 3 innerhalb von
weniger als einer Minuten weltweit Alarm auslösen, wenn die Yacht überfallen
werden sollte.
Was nutzt das? Die Frage ist berechtigt. Der Vorteil dieser
Systeme als Vorsorge gegen Überfälle liegt vor allem in der Abschreckung.
Konnten die Verbrecher ("Piraten" klingt mir zu romantisch) früher
bei einem Überfall auf eine Yacht meist im Trüben fischen - es gab ja kein
Publikum - wissen die Typen jetzt schon vorher, dass auch kleinere Yachten die
Möglichkeit haben, immer ihre genaue Position bei einem Zwischenfall
auszusenden. Dass dies das Risiko einer Entdeckung vervielfacht, liegt auf der
Hand.
Ich hab Ihnen dies geschrieben auf einem Ankerplatz mit meiner
THALASSA als einzigen Yacht. Dass ich nachts überfallen werden könnte, daran
hab ich noch nie gedacht.
Bobby Schenk
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