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YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Frage von
Alexander Gericke
Hallo Alexander,
da habt Ihr aber interessante Themen in der Schul-Mathematik.
Ich hätte mir früher das auch gewünscht, dass Mathe etwas anschaulicher in
der Schule dargestellt wird.
Jetzt zu Deiner Frage: Du bis da schon auf dem richtigen
Dampfer, wenn Du Dir diese Frage auch nur stellst. Der Standlinienkreis, der
sich aus einer Messung ergibt, ist ein "geographischer Ort",
das
heißt, alle(!) Beobachter auf diesem Kreis - sagen wir, aus einer
Sonnenmessung - haben im Sextanten den gleichen Winkel gemessen, sind also vom
Bildpunkt gleich weit entfernt. Das bedeutet aber für die
Praxis - leider - , dass daraus keine(!) Schlüsse gezogen werden können auf
einen ganz bestimmten Schiffsort eine der Beobachter.
Das Naturgesetz in der Navigation lautet eben, dass erst mit
zwei oder mehreren Messungen ein bestimmter Ort errechnet oder gezeichnet werden kann. In der
Astronavigation müsste also zu einer ersten Messung eine weitere Messung
kommen, sei es von einem anderen Gestirn (Mond) oder vom gleichen Gestirn nach
einem bestimmten Zeitablauf.
Der letzte Fall ist Standard in der Navigation. Da wird die
Sonne gemessen und nach ein paar Stunden das gleiche Gestirn noch einmal.
Nachdem die Sonne nicht mehr am gleichen Fleck steht wie beim ersten Mal,
bekommen wir dann zwei verschiedene(!) Standlinienkreise, die sich schneiden.
Jetzt wirst Du sicher fragen: Wieso ergibt sich hieraus ein(!)
Schiffsort, nachdem sich zwei Kreise ja praktisch immer zweimal
schneiden.
Richtig! Nur in der Praxis ist fast(!) immer der zweite Schnittpunkt beider
Kreise so weit vom wirklichen Schiffsort entfernt, dass es über die richtige
Position keinerlei Zweifel geben kann. Ganz selten, bei sehr
hohen Sonnenständen (bei uns und im Mittelmeer nie der Fall) kann es
aber vorkommen, dass beide Schnittpunkte so nahe beieinander liegen, dass man
Zweifel bekommt, welcher Schnittpunkt der wahre Schiffsort ist. Dann müsste
eine weitere Standlinie Klarheit schaffen.
Dass man für einen Ort immer mindestens
zwei Standlinien für einen Schiffsort braucht, gilt selbstverständlich
auch in der GPS-Navigation. Man merkt es daran, dass beim Einschalten des
GPS-Empfängers noch kein Schiffsort angezeigt wird, obwohl das GPS-Gerät
bereits mit zwei Satelliten arbeitet. Ein Satellit ergibt nämlich eine
Standlinie, der zweite ist notwendig für die exakte
Referenz-(Atom-)Zeit. Erst, wenn insgesamt drei Satelliten (zwei für die
beiden Standlinien und der dritte für die Zeit) gemessen werden, kann ein (zweidimensionaler)
Schiffsort angezeigt werden. Bei vier Satelliten gibts dann, für uns Segler
nicht so interessant, die Höhe dazu. Bei der Satellitennavigation haben wir es
nämlich nicht nur mit Standlinienkreisen, sondern Standlinienkugeln - alle Orte
gleicher Laufzeit um den Satelliten herum - zu tun. Wenn die sich
"schneiden", man kann sich das gut mit zwei ineinandergepressten
Tischtennisbällen vorstellen, bekommen wir keine Schnittpunkte, sondern -
entsprechende der Eindellung beim Tischtennisball - einen Kreis, der aber
zweifelsfrei unseren Schiffsort wiedergibt, weil nur der Punkt auf dem Kreis als
Schiffsort in Frage kommt, der auf der Erdoberfläche, und nicht im Raum, ist.
Das zu berechnen, dreidimensional und entsprechend kompliziert eben, nimmt uns
der Computer ab, sodass auch Du im Mathematikunterricht - glücklicherweise -
damit nichts zu tun hast.
Aber schaden tut es sicher nicht, eine Ahnung zu haben, was
hinter dem Display des GPS-Gerätes abläuft.
Viel Erfolg wünscht Bobby!
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