YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet


Frage von Timm Garde

Hallo Herr Garde,

schön, dass sich heute im GPS-Zeitalter noch jemand für solche Fragen interessiert!

Also: Welche Tafeln man auch benutzt, oder auch, welches Computerprogramm man runtertippt, oder, ob man gar noch die Logarithmen im Fulst als Semiversus zusammensucht, es geht immer um die Frage, wie weit ist der Bildpunkt eines Gestirns entfernt ist und in welcher (rechtweisenden) Richtung er liegt.

Um den hierbei entstehenden Rechenaufwand so gering wie nur möglich zu halten und damit wegen der fast unvermeidlichen Rechenfehler möglichst sicher zu gestalten, sind unendlich viele Tafelwerke ersonnen worden, die alle(!) zum Ziel hatten, die Rechnerei und damit die gesamte Astronavigation zu vereinfachen.

Ganz früher arbeitete man mit der H.O.214, die lange Zeit (vor dem 2.Weltkrieg) als der letzte Schrei an Einfachheit galten. Später wurden andere "Patentlösungen", so die H.O.229 und vor allem die H.O.249 "erfunden", wobei die erstere für die Seefahrt und die letztere für die Fliegerei, genau gesagt für die Navigatoren in den Bombern, bestimmt waren. Was für die Yachtsleute, und auch für die Großschifffahrt interessant war, denn die Flieger hatten nur ein paar Minuten für die Berechnung eines Standortes Zeit, sollte das Rechenergebnis für die Praxis bedeutsam sein.

Deshalb finden sich in der H.O.249 (heute: "PUB.NO.249") eine Reihe von Rechen-Vereinfachungen - zu Gunsten der Genauigkeit! Und genau das ist das Geniale an diesen Tafeln: Denn in der Fliegerpraxis und auch in der Bordpraxis auf See ist eine Genauigkeit von besser als eine Seemeile nicht zu erzielen. Das liegt am bewegten Mess-Standort, an der notwendigen Verwendung der Kimm und zuletzt an der Lichtbrechung. Unsere Sextanten bringen eine theoretische Messgenauigkeit von besser als 10 Bogensekunden, also eine sechstel Seemeile - im Labor. In der Praxis kann nur der sehr geübte Navigator bei bestem Wetter und Sichtverhältnissen eine Genauigkeit in der Größenordnung von einer Seemeile garantieren.

Clever haben die Väter der H.O.249 nun geschlossen: "Wenn die Messungen ohnehin nur bestens mit einem Fehler von einer Seemeile behaftet sind, Astronavigation ihrem Wesen nach ohnehin nicht eingesetzt wird, wo es auf hundert Meter ankommt, dann spielt es auch keine Rolle, wenn wir durch Vereinfachungen der Rechenarbeit mit Auf- und Ab-Rundungen eine Meile verlieren!"

Richtig! Und so findet sich in den H.O.249 die Declination (Bildpunktbreite) nur auf ganze Minuten genau - im Gegensatz zur H.O.229. Weiter gibt es in den Fliegertafeln keine Deklinationen von über 30 Grad (anders in den H.O.229), denn zum berechnen von irgendwelchen Sternen fehlte den Bombern erst recht die Zeit. Wieder richtig! Denn in der Praxis können kaum Sterne ohne Vorausberechnung verwertet werden und da eignen sich die fast fertig berechneten ausgewählten Sterne in den "Selected Stars" der H.O.249 viel besser. Ein Pendant zu diesem dritten Band der Fliegertafeln fehlt bei den Bänden der H.O.229.

Aus diesen Gründen haben sich die H.O.249 auch in der Grossschiffahrt, erst recht bei den hochseesegelnden Yachtsleuten eindeutig durchgesetzt. Es ist aber niemand verwehrt, andere Tafeln zu benutzen. Entscheidend ist nur das richtige Ergebnis, ein möglichst genaues Fix.

Das wünscht Ihnen

Bobby Schenk

 

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