YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet


Frage von Jean-Claude Véron

Hallo, Herr Veron,

die Frage, mindestens, ist berechtigt. Schließlich sind seit Menschengedenken hervorragende Reisen über die Ozeane unternommen worden - zum Teil gänzlich ohne Elektronik, zum Teil ohne alle navigatorischen Hilfsmittel. Man denke an die Polynesier, die weite Teile des Pazifiks erkundet haben, ausgerüstet nur mit dem Wissen  ihrer Väter um die Sternenbahnen. Kolumbus hatte nicht viel mehr dabei als ein primitives Winkelmessinstrument, mit dem er, mehr schlecht als recht, die geographische Breite seines Schiffes bestimmen konnte. Und bis zum Ende des 18.Jahrhunderts kam man in der gesamten Seefahrt ohne die Möglichkeit der Längenbestimmung aus.

Noch 1992 bin ich mit sieben Mitseglern über den Atlantik gesegelt, ohne dass wir irgendein Navigationsinstrument von den Kanarischen Inseln mitgenommen hätten. An Bord der 16-Meter-Yacht SARITA befand sich also kein Kompass, kein Sextant, erst recht kein GPS, keine Uhr, vor allem kein Radio oder Sender und keine Seekarte. Und trotzdem haben wir exakt, wie vorhergesagt, die kleine Insel Barbados aufgefunden, ein Fleck auf der anderen Seite des Atlantiks mit weniger als 30 Meilen im Durchmesser. (Diesen Törn hab ich in meinem Buch Transatlantik in die Sonne beschrieben)

Jedoch: Ist es nicht ein Gebot der Seemannschaft, einen Törn so sicher wie möglich (und erschwinglich) durchzuführen? Selbst wenn man die Ansicht gelten ließe, dass einem das eigene Leben wurscht ist, hat man doch an die Menschen zu denken, die bei einer eventuellen Rettungsaktion in Gefahr gebracht werden? Wir sollten nicht vergessen, dass auch in neueren Zeiten, als noch keine Satelliten bei der Navigation halfen, Schiffe (und Yachten), und zwar nicht wenige, nur deshalb und bei größter nautischen Umsicht verloren gegangen sind, nur weil ein paar Tage lang Wolken den Blick zur Sonne für den Sextanten nicht freigaben und unerwarteter Strom in Richtung Riff gesetzt hat.

Kurzum: Ich halte es heute für fahrlässig, mit einer Yacht auf hoher See ohne GPS rumzunavigieren. Ein Hand-GPS kostet nur ein paar hundert Mark, also ein Bruchteil des Geldes, das ich für einen guten Sextanten auszugeben habe, und gibt uns die phantastische Möglichkeit, jederzeit unseren Schiffsort ablesen zu können - weltweit und bei jedem Wetter!

Ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass Elektronik, die eine Reise nicht sicherer macht, überflüssig, also Spielzeug ist. Wenn aber Hilfsmittel die Sicherheit erhöhen, wird man sich immer fragen, wie hoch der Sicherheitsgewinn im Verhältnis zu den Kosten, dem Einbauaufwand, dem Platzbedarf und dem Gewicht und letztlich auch zur Zuverlässigkeit ist. Und, da wird mir wohl jeder zustimmen, da schneidet der Hand-GPS für 300 Mark zusammen mit einer Plastiktüte voller AA-Batterien hervorragend ab, viel besser als zum Beispiel der Sextant. Was nicht bedeutet, dass dieses bewährte Winkelinstrument überflüssig ist. Ganz im Gegenteil, der Sextant zusammen mit dem Können des Navigators. einen Schiffsort mit ihm bestimmen zu können, ist nach wie vor unersetzbar - als leistungsfähiges Backup-System.

Nebenbei: Ich bin seit 30 Jahren Funkamateur (DK8CL) und die haben eine Art Ehrenkodex, der verlangt, dass die eingesetzte Technik immer dem letzten Stand der Technik entsprechen soll. Ich hab das lange nicht kapiert, aber viele der großen Entwicklungen bei den Radioamateuren wären wahrscheinlich nicht möglich gewesen, wenn es nicht die festgeschriebene Verpflichtung gäbe, sich entsprechend zu verbessern. In der Seefahrt gibt es vergleichbares nicht. Aber es würde die Sicherheit auf See verbessern. "Seelenverkäufer" auf den Weltmeeren, die jedermann beeinträchtigen können, gäbe es jedenfalls nicht.

Letztes Kriterium bei der Frage, was auf einer Yacht notwendig ist oder nicht, wird also immer der Sicherheitsgewinn sein. Damit fallen dann viele der auf dem Markt angebotenen "Spielzeuge" durch den Rost, sind überflüssig. Wenn Sie auf einer 26 bis 30-Fuß-Yacht segeln wollen, dann müssen(!!!) Sie meiner Meinung nach - neben dem Sextanten mit Tafeln oder Rechner - an Bord haben:  GPS (am besten zwei) und Echolot.

Jetzt muss ich nochmals auf die eingangs erwähnten Polynesier und Kolumbus zurückkommen: Man vergisst oft, dass nur die gelungenen Seefahrten aus der alten Zeit überliefert werden. Nicht weitergegeben wurde die sicher sehr große Zahl der missglückten Unternehmungen, bei denen  Menschen losgefahren und mangels zuverlässiger Navigation am Ziel vorbeigesegelt und verschollen sind. Zuverlässig überliefert sind nur die Unglücke aus jüngerer Zeit. Genannt sei hier nur stellvertretend für zahlreiche Katastrophen das Unvermögen eines britischen Admirals, der eine ganze Flotte auf Grund nautischen Unvermögens in den englischen Gewässern verloren hat.

Vor allem Eines sollte man sich vergegenwärtigen: Polynesier, Araber erst recht, Magellan und Kolumbus sind immer mit einer Ausrüstung gesegelt, die dem damaligen Stand der Technik entsprochen hat. Das könnte man Ihnen, der Sie nur mit "Sextant im Sack" segeln möchte, nicht bescheinigen.

Liebe Grüße

Bobby Schenk.

 

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