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YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Frage von
Imre Saling
Hallo Imre,
meine Meinung zu diesem Thema wird nicht von allen geteilt,
vor allem nicht von jenen, die Ihr Fachwissen von Sonntagsnachmittagsausflügen mit ihrem Segelschiff beziehen.
Wozu benötigen wir heute auf einer Hochseeyacht ein Fernglas
und/oder einen Peilkompass? Sicher nicht, um irgendwelche Vorgänge auf
See stundenlang zu beobachten. Nein, ein Fernglas, das bei mir oftmals und
regelmäßig Tag und Nacht eingesetzt wird, dient doch dazu, irgendwelche
Objekte in der Ferne zu identifizieren. Es ist beispielsweise in der Nacht ein hoher
Sicherheitsfaktor, sehr früh zu wissen, auf welchem
Kurs sich das Licht (= Schiff) am Horizont befindet. Deshalb streife ich
mit dem Fernglas am Horizont entlang bis die Lichter ins Bild kommen. Wo ist das
höhere weiße Licht, rechts oder links? Kann man
schon die Positionslampen, rot, grün, erkennen?
Und am Tag: Ist das Heck des Tankers am Horizont rechts oder links vom Bug?
Später interessiert mich vielleicht noch der Heimathafen des anderen Schiffes
am Heck.
Ein weiterer Einsatzzweck des Fernglases ist die Absicherung
der Navigation, die dank GPS fast(!) "narrensicher" geworden
ist. Stimmt die Aufschrift auf der Tonne mit
unserer Position überein? Ist der Turm am Horizont wirklich die Hafeneinfahrt?
Für all diese Zwecke, Einsatz selten mehr als ein paar
Sekunden an einem Stück, brauche ich ein starkes Fernglas.
Dass, je stärker das Glas, das Bild umso "verzitterter"
wird, spielt kein große Rolle. Denn eine Momentaufnahme vom grünen
Navigationslicht am Kollisionsgegner reicht mir
schon zur Entscheidung, ob und wie der Kurs zu ändern ist.
Bei diesem Einsatz halte ich Ferngläser mit 7-facher
Vergrößerung für läppisches Spielzeug - seien sie mit noch so guter
Optik oder Farbechtheit, auch mit hoher Lichtstärke,
ausgestattet. Ideal auf einer Hochseeyacht ist eine 12-fache
Vergrößerung, auch, wenn man damit sicher nicht genüsslich Delphinen oder Topless-Badegästen in der Ferne zuschauen kann. Mit dieser Vergrößerung, die von einigen
Yachtjournalisten rundweg zum Einsatz auf einer Yacht abgelehnt wird, habe ich
über viele Jahre die besten Ergebnisse auf den Weltmeeren erzielt, jedenfalls
bessere als Gäste an Bord mit sauteuren Gläsern, ärmlich ausgestattet mit 7-
oder 8-fachen Vergrößerungen. Auch die Kosten für eine hohe Lichtstärke zahlt sich unter Bordbedingungen nicht aus, auch nicht nachts!
Damit sind wir beim Preis. Um es deutlich zu sagen, die
hochwertige Qualität mancher Gläser, die mit vierstelligen Euro-Beträgen
bezahlt werden muss, ist für unsere Zwecke überflüssig. Hauptsache, die Fernrohrachse
und die Vergrößerung stimmt. Deshalb gilt meine Vorliebe den ganz billigen
Ferngläsern aus fernöstlicher Produktion. Keinesfalls würde ich aber so ein
Ding kaufen, wenn ich es nicht vor dem Geschäft ausprobiert habe. Habe ich das
Gefühl beim Anpeilen eines Straßenschildes in der Ferne, dass ich schiele, so
nehme ich das Fernglas nicht, kann ich die kleine Schrift gut lesen, und sind die Farben
mit deutlichem Rand versehen, ist es gekauft. Mein letztes Fernglas (12-fach)
hat 39,50 DM gekostet, was mir vom Fotohändler beim Ausdrucken der Quittung ein
abfälliges Lächeln eingebracht hat.
Es wird nicht lange halten, ein oder zwei Jahre, dann gibts
wieder ein Neues, weil es bis dahin in der Seeluft restlos vergammelt
sein wird. Das allerdings hab ich auch schon mit höchstwertigen deutschen
Markengläsern erlebt.
Selbstverständlich sind immer zwei
Gläser an Bord. Damit hat sich eigentlich schon die Frage nach dem
eingebauten Kompass erledigt. Der ist überflüssig, auch wenn solche (teuren)
Gläser das ideale Weihnachtsgeschenk vom Renommee her für den nächsten
Charterurlaub sind.
Für was benötigt man heute noch einen Peilkompass,
wo das GPS die Navigation beherrscht? Für einen ganz wichtigen Zweck: Zum
Anpeilen eines anderen Schiffes am Tag, wichtiger noch in der Nacht. Denn damit
ist das GPS-Handy völlig überfordert, kann nichts damit anfangen.
Ein einfacher Peilkompass (100 bis 200 Mark) übertrifft hier
sogar das Radar an Zweckmäßigkeit. Denn Radar-Seitenpeilungen
sind in ihrer Aussagekraft vom Rudergänger abhängig, wenn sie nicht
gerade, unüblich auf "unseren" Yachten, nordstabilisiert
sind. Man mache sich nicht zu viele Illusionen über die Genauigkeit
eines Peilkompasses, vor allem der Schleppfehler schlägt hier deutlich
durch. Nach ein paar Minuten und mehreren Peilungen lässt sich aber meistens
schon sagen: "Achtung, die Peilung scheint(!) zu stehen!"
Ein Peilkompass in einem häufig sehr monströsen Fernglas ist
hierfür völlig überflüssig, ja bedenklich, denn die Vergrößerungswirkung
gaukelt einem eine höhere Genauigkeit vor, als vorhanden.
Deshalb mein Tipp: Billiges Fernglas unter hundert Mark und
handigem - getrennten - Peilkompass.
Mast- und Schotbruch
Bobby Schenk.
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