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YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Frage von
Andreas Zimmer
Hallo Herr Zimmer,
gratuliere, Sie haben gerade die "Länge" entdeckt.
Leider kommt Ihre Erfindung 2000 Jahre zu spät!
Jetzt aber Scherz beiseite: Im Grunde ist Ihre Überlegung
schon ganz richtig, doch sind, wie immer bei großen Gedanken, ein paar Haken
dabei, die Ihre Idee letztlich die astronomische Navigation nicht umwälzen
lässt.
Genaugenommen sind es zwei Denkfehler, die "Ihre"
Methode für die Praxis unbrauchbar machen. Zum einen steht die Sonne um 12 Uhr
UTC eben nicht auf Null Grad Null Minuten, zum anderen können Sie aus der
Tatsache, dass die Sonne am höchsten Punkt, und damit reif für die
Mittagshöhe steht, nicht auf die Mittagszeit schließen, jedenfalls für die
Navigation nicht präzise genug.
Es ist Tatsache, dass die Erde ziemlich rumeiert (nicht nur
politisch, sondern auch astronomisch). Sie bewegt sich also ziemlich
unregelmäßig. Das führt dazu, dass die Sonne um 12 Uhr 0 Minuten 0 Sekunden
mal auf 1 Grad West, mal auf 1 Grad Ost (was einem Greenwichwinkel von 359 Grad
entspricht) oder sonstwo in der Gegend oder - rein zufällig - auch mal auf
exakt 0 Grad steht. Heute, am 17.12.01 beispielsweise befindet sie sich auf
0°57,4' West oder, andersrum, über Greenwich ist um 11 Uhr 56 Minuten UTC
gestanden. Würden Sie bei der Längenbestimmung diese Abweichung vom
"Sollwert" bei der Beschriftung Ihrer Uhr außer acht lassen, hätten
Sie sofort einen Fehler in der Länge von rund 100 Kilometern.
Diese Unregelmäßigkeit der Sonne ist in der sogenannten
Zeitgleichung erfasst und macht ohne Verwendung eines Computers, die Benutzung
des Nautischen Jahrbuchs für das betreffende Jahr notwendig. Sie finden
übrigens diesen Zeitunterschied im Nautischen Jahrbuch als "TRANSITUS"
in der jeweiligen Sonnenlängenspalte unten.
Wenn
die Sonne im Sextanten auf dem höchsten Punkt steht, dann ist dies
"Mittag". Leider tut sie das - in der Praxis - einige Minuten lang.
Sie können also gar nicht sagen, wann - auf Ihrer Uhr - sekundengenau Mittag
ist. Bei der Längenbestimmung kommt es aber auf die Sekunde an, denn vier
Sekunden machen schon eine ganze Seemeile aus. In der Yachtpraxis hat das zu
einem Trick geführt, der unter Fachleuten als "Latitude by two equal
Altitudes" bekannt ist. Hierbei wird die Sonne vor Mittag in einem
bestimmten Winkel gemessen und die genaue Meßzeit notiert. Wenn die Sonne nach
Mittag nochmals im gleichen Winkel erscheint, werden die beiden Messzeiten
addiert und durch zwei geteilt, was dann die weitgehend genaue Mittagszeit
ergibt.
Nebenbei: Ich habe diese Methode bei amerikanischen
Yachtsleuten abgeschaut und sie vor 25 Jahren erstmals in Deutschland
veröffentlicht. Worauf ich von den sogenannten Fachleuten (auch an der
Seefahrtsschule) übelst beschimpft ("unseriös", "für
Idioten" und so fort) wurde, offensichtlich weil damit die astronomische
Navigation entzaubert war. Inzwischen findet sich diese Methode in fast allen
Lehrbüchern, freilich ohne Quellenhinweis.
Wenn Sie jetzt etwas darüber enttäuscht sind, dass Sie die
Astronavigation nicht revolutionieren konnten, dann tröstet Sie vielleicht,
dass Sie sich in guter Gesellschaft befinden. Charles Lindbergh hat bei seiner
Atlantiküberquerung auf seiner Armbanduhr die Längengrade der Uhrzeit
zugeordnet, was eine Uhrenfirma später veranlasst hat, eine Replik dieser Uhr
auf den Markt zu bringen. Freilich ohne jeden praktischen Wert - von der
Anzeige der Uhrzeit mal abgesehen.
Ich wünsche Ihnen trotzdem immer eine gute Position!
Bobby Schenk
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