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YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Frage von
Roger Eichenberger
Guten Tag Herr Eichenberger,
auf Ihre Frage habe ich schon lange gewartet, da sie mir
Gelegenheit gibt, etwas gegen eine allgemein - vor allem in Deutschland -
verbreitete Irrmeinung gegenan zu gehen.
Um es kurz zu machen: Ich traue mir genauso zu, einen noch
größeren Katamaran ohne zusätzliche Crew zu segeln. Das gilt übrigens auch
für Einrumpfyachten.
Selbstverständlich müssen dann bei so großen Yachten
mechanische Hilfen eingebaut werden, die berücksichtigen, dass nur ein oder
zwei Mann an Bord sind. Unser Großsegel ist jetzt bereits "an der
Grenze", kann per Hand nur noch unter aller Kraftanstrengung hochgezogen
werden. Für die letzten zwei Meter muss die Fallwinsch eingesetzt werden. Die
Werft trägt dem Rechnung, indem sie auch für das Großfall eine elektrische
Winde anbietet. Der Anker könnte bereits jetzt mit der Hand nicht mehr geholt
werden, sodass eine elektrische Ankerwinde Standard ist.
Wäre die Yacht noch größer, müsste sie entsprechend mit noch
mehr elektrischen oder hydraulischen Winschen ausgestattet sein. Einen Knopf
drücken kann jeder. Die Bedienung der Yacht ist dann eben eine Frage der
Organisation. Bläst es im Hafen zu stark, um mit kleiner Mannschaft anlegen zu
können, muss geankert werden, bis es windstill ist... etc. Das nette Ehepaar,
das die berühmte 25-Meter-Yacht FLYER gelegentlich in der Karibik alleine
spazieren segelt, antwortete auf die Frage, ob sie diese große Yacht alleine
segeln könnten: "Ja, wenn die Elektrik funktioniert..."
Nein, das Segeln großer Yachten ist überhaupt kein Problem. Die
Schwierigkeiten, und das ist einer der Gründe, warum ich keine größere Yacht
habe, liegen ganz woanders. Ich verhehle auch nicht, dass mich die Ignoranz
mancher Leute (nicht Ihre!) in diesem Punkt ärgert:
Die
Größe der Yacht zeigt den Fahrtenseglern im Unterhalt (der finanzielle ist
hier nicht gemeint) die Grenzen auf! Meine Yacht können und Carla so
gerade noch in Schuss halten, wenn wir, wie beim Blauwassersegeln üblich,
ständig an Bord sind. Es geht nicht nur um die äußere Pflege, sondern vor
allem um die Technik, die fortlaufend gewartet werden muss, damit sie
zuverlässig arbeitet. Und: Viele Seemeilen machen auch viel kaputt!
Bootskäufer sind häufig Menschen, die glauben, Segeln
beschränke sich auf ein bisschen Navigation und Trimmen der Segel.
Dementsprechend schaut dann die neue Yacht aus. Sie strotzt nur so, je nach
finanziellen Möglichkeiten, von technischen Spielereien.
In Wirklichkeit spielen die Segeltechnik und erst recht die
Navigation nur eine unwesentliche Nebenrolle beim Fahrtensegeln.
Am Ankerplatz auf der anderen Ozeanseite lernt der Eigner sehr
schnell, wie man die schnellste Paketverbindung für die Ersatzteile findet,
welcher Mechaniker diese Woche noch den Niro-Beschlag schweißen kann, wo es
einen Fachmann für die Tiefkühlanlage gibt, welche Slipanlage die günstigste
ist. Und so fort.
Das Erwachen aus den Segelträumen ist dann meist enttäuschend.
"Wir sind doch hier alle nur bessere Hausmeister" meinte einer mit
einem wunderschönen 50-Fuß-Neubau aus Alu für knapp eine Million (Euro).
Sehen wir uns einmal auf den typischen Ankerplätzen für
Langfahrtsegler um! Ich hab noch kaum erlebt, dass da mal einer das Tuch
hochzieht, um zum Vergnügen zu segeln. Nein, zuerst wird repariert, die
berühmte Pflichtenliste abgearbeitet, bevor es dann - oft über sehr lange
Strecken weitergeht.
Landausflüge? Eher selten - wenn es die Arbeit an Bord zulässt.
Es ist interessant, dass es in diesem Punkt fast allen gleich
ergeht. Die Eigner von neuen großen Yachten haben sehr viel Technik, die (unter
Garantie) Arbeit macht, die meist jüngeren Pärchen haben kleine Schiffe, die
dafür älter sind und deshalb einen auf Trab halten.
Bleibt die Frage: Warum tun sie sich das dann an, wenn es so
"schlimm" ist? Langfahrtsegeln ist faszinierend, weil es eben
befriedigt, eine selbstgestellte Aufgabe zu bewältigen und, das sei nicht
verschwiegen, weil die meisten etwas ahnungslos in das Boot Blauwassersegeln
eingestiegen sind. Nicht wenige werfen genau aus den genannten Gründen das
Handtuch, bevor sie Amerika sehen.
Ob die Werften, die den Kunden die übertechnisierten Schiffe
einreden, diese Schwierigkeiten ahnen?
Nein. Sie wissen es! Denn sie kriegen ja wegen der Reparaturen
und abzuwehrenden Garantieansprüchen das haargenau mit. Umsatz machen ist deren
oberstes Gebot! Ein sympathischer Verkäufer klärte den Käufer einer
Millionenyacht auf: "Sie brauchen viel Technik, denn so eine Yacht ist
energiemäßig einem kleinen Dorf vergleichbar. Strom, Wasser muss erzeugt
werden, das machen Sie auf Ihrer Yacht in Zukunft selbst."
Der Käufer strahlte voller Stolz, welche gestalterische
Möglichkeiten er bald haben würde. Dass ein Elektrizitätswerk, eine Radiostation, eine
Kläranlage, ein Maschinenpark und so fort auch Angestellte braucht, daran
dachte er in diesem Moment nicht. Jetzt weiß er es.
Hier
also die Antwort: "Eine Yacht darf so groß sein, dass ich sie noch alleine
unterhalten kann."
zur
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