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Rettungsinsel für die lange Fahrt
Rettungsinsel gehört zur Grundausrüstung
einer Fahrtenyacht
Dass eine Rettungsinsel zur Standardausrüstung jeder(!) Fahrtenyacht zählt,
ist keine Frage. Sogar auf Katamaranen, die ja eigentlich nicht sinken können -
zwei Rümpfe saufen sicher nicht gleichzeitig ab -, findet sich eine Rettungsinsel.
Denn auch auf zwei Rümpfen sähe man ohne sie alt aus, wenn Feuer an
Bord herrscht. Kurzum: Der verantwortungsbewusste Skipper kommt um diese Ausgabe
in Höhe von mehreren tausend Mark nicht herum.
Auf Langfahrt, speziell bei
Weltumsegelungen, werden ganz andere Ansprüche an eine Insel gestellt als
in der normalen Küstensegelei. In der Ostsee ist es kaum vorstellbar, dass
jemand nicht am nächsten Tag schon aus der Rettungsinsel herausgeholt wird. Im
Mittelmeer, südlich vom Löwengolf ist es allerdings schon vorgekommen, dass
Überlebende erst nach fünf Tagen in der Insel von einem Frachter gesichtet
wurden. Aber, was sind schon sieben Tage? Die lassen sich mit dem beigepackten
Notvorrat und der Dose Wasser relativ gut überleben. Um ganz andere Dimensionen
geht es in der Langfahrtsegelei. Drei Deutsche haben zwischen Galapagos und den
Marquesas-Inseln in den frühen siebziger Jahren Schiffbruch mit Ihrer Yacht
erlitten und haben über 30 Tage in der Insel überlebt. Ein Kanadier
wurde, ebenfalls im Pazifik, nach 80 Tagen aus der Rettungsinsel leben geholt.
Den makabren Weltrekord hält ein englisches Ehepaar, die Bailys, die nach einer
Walkollision ihrer Yacht bei Galapagos in die Insel mussten und diese erst
wieder nach 116 Tagen verlassen konnten - lebend.
All diesen ungewollten
Rekorden ist gemein, dass die Insel allein wohl ein Überleben nicht garantiert
hätten, wenn da nicht noch ein zweiter "Aufenthaltsraum" in Form des
Beibootes mitgeschleppt worden wäre. Deshalb sollte im Ernstfall nach
Möglichkeit auch(!) das Dhingy mitgenommen werden.
Jetzt gleich der
wichtigste Hinweis für den Fall des Falles:
Die Rettungsinsel muss per Hand
aktiviert werden.
Sie bläst sich niemals von alleine auf. Auch dann nicht, wenn
die Insel losgemacht auf Deck rumliegt und die Yacht unter ihr absäuft. Weiß
man das nicht (und so ergeht es vielen), dann war die kostspielige Ausgabe
völlig umsonst.
Noch eine Überraschung kann es im Notfall geben: Die
Reißleine, die aus dem Container deutlich rausschaut, ist bis zu 10 Meter lang.
Wem das nicht bekannt ist, der glaubt leicht an einen Defekt, wenn er nach 5
Metern immer noch nichts hört.
Zurück zum Problem der Rettungsinsel auf
Langfahrt: Wie müssen uns also meist auf einen längeren Aufenthalt in der
Insel gefasst machen. Denn wir werden nahezu auf der Stelle rumtreiben und dies
tage- oder wahrscheinlich wochenlang. Es sind unzählige Versuche unternommen
worden, Rettungsinsel zu konstruieren, die auch segeln können. Durchgesetzt
haben sich solche Erfindungen nicht. Auch Beiboote wollte man zu Rettungsinseln
umfunktionieren, ebenfalls ohne sonderlichen Erfolg, jedenfalls gibt es -
gottlob - kein Erfahrungsberichte im Ernstfall. Finden wir uns also damit ab,
dass die herkömmliche und handelsübliche Rettungsinsel nicht zu ersetzen ist
und versuchen wir, im Ernstfall zusätzlich(!) das Beiboot mitzunehmen.
Ein
Rettungsmittel ist nur so gut, wie es im Ernstfall sofort(!) und ohne große
Vorbereitung zu Diensten ist. Das gilt, im Gegensatz zu umfunktionierten Dhingys
eben nur für die Rettungsinsel, wenn sie
-
am richtigen Platz aufbewahrt,
-
aufgeht und technisch in Ordnung
ist,
-
leicht in Betrieb genommen werden kann,
-
die richtige Größe hat
-
und entsprechend ausgerüstet ist.
Aufbewahrungsort
Eine ausreichend große Rettungsinsel ist
sehr schwer und
unhandlich. Auf unseren - naturgemäß - kleinen Yachten haben wir auch keine
Lust, ständig über den weißen Container zu steigen. Also ist die Versuchung groß,
die Tasche mit der Insel irgendwo im Vorschiff unter den Segeln zu stauen. Der
falscheste Ort!
Ideal wäre ein Platz, wo wir nur die Halterung mit einer
Reißleine öffnen müssen und die Insel plumpst ins Wasser (geht aber noch
nicht von alleine auf!). Auf vielen Yachten sieht man solche Niro-Halterungen am
Heck. Ideal, wenn sie dort der Windsteueranlage, der Gangway oder dem Beiboot
nicht im Wege ist. Und ob es der Insel gut tut, ständig Sonne und Seegang
ausgesetzt zu sein, ist eine andere Frage. Also, jeder solle seinen Kompromiss
finden und Erreichbarkeit, Störung und klimatische Belastung gegeneinander
abwägen.
Ist die Funktion der Insel garantiert?
Anlässlich von
Sicherheitsdemonstrationen habe ich ein paar Dutzend Rettungsinseln
aktivieren lassen. Kaum eine von den Versuchspersonen (alles Segler und
Seglerinnen) hat gewusst, dass jede Insel aufgerissen werden muss.
Interessanterweise waren es fast immer die Seglerinnen, die das Richtige gemacht
haben: Nach einem kokettierenden "ich hab keine Ahnung" fingen sie an,
die Gebrauchsanweisung auf Tasche oder Container zu lesen. Und da stand ja alles drauf. Von den vielen
Inseln also, die ich im Einsatz gesehen habe, ist eine einzige nicht
aufgegangen. Und bei der war mehrere Jahre der Service
überfällig.
Die
Wartung der Rettungsinseln ist ein Problem beim Blauwassersegeln, erst recht auf
einer Weltumsegelung. Denn mit Sicherheit sind wir nicht an einer autorisierten Servicestation, wenn der "Dienst" wieder mal fällig wird. Was tun? Im
Do-it-Yourself-Verfahren eine Insel zu betreuen, können wir uns abschminken.
Das geht nicht, nicht einmal im Notfall. Wer einmal eine Wartung miterlebt hat,
wird diesen Gedanken schnell fallen lassen. Wir wären mit Bordmitteln nicht
einmal in der Lage, eine Insel anschließend einigermaßen ordnungsgemäß
wieder zu verpacken.
Es gibt einen Trost: Überall dort, wo
Fischer "zu
Hause" sind, also in jedem größeren Handelshafen (Papeete, Suva, Pago
Pago) , können Inseln gewartet werden. Wenn auch die Station nicht
"autorisiert" ist (was selten ist, wenn man eine Marken-Insel hat),
wird die Insel doch fachmännisch gewartet. Es ist sicher auch keine
Katastrophe, wenn mal das Wartungsintervall um ein halbes Jahr überzogen wird.
Meines Erachtens erlischt höchstens die Garantie, was
nur eine
Nebensächlichkeit ist, wenn die Insel ansonsten funktioniert hat. Bei der Frage
der Wartung spielt auch eine Rolle, wie exponiert die Insel an Bord aufbewahrt wird. Wenn
allerdings der geringste Verdacht besteht, dass Seewasser in die Insel
eingedrungen ist, muss sie sofort zur Wartung, notfalls per Luftfracht.
Inbetriebnahme der Insel
Wie sie aufgerissen wird, wissen wir. Dass sie nach
dem Aufblasen vielleicht auf dem Kopf steht, wird uns überraschen, doch meist
nicht lange. Denn Wind und Seegang bringen sie oft von alleine in die stabile -
richtige - Position. Wenn nicht, ist es für eine(!) Person nicht schwer, die
Insel umzudrehen, wenn hierbei der Wind ausgenutzt wird.
Trocken werden wir
praktisch nie in die Insel kommen. Auf die Insel springen
(das verträgt sie)
geht ja nur, wenn die Yacht noch schwimmt. Und solange ist es fast immer zu
früh, in die Insel zu gehen.
Bei praktischen Versuchen hat es sich häufig,
vor allem bei schwächeren oder geschwächten Personen, herausgestellt, dass es
schwierig war, in die Insel zu gelangen. Die angenähte "Stoffleiter"
setzt bei der Benutzung einige Sportlichkeit voraus. Und ob andere Kameraden
noch helfen können, ist im Ernstfall fraglich. Vom bekannten deutschen
Rettungsmittel-Hersteller Kadematic - www.kadematic.de
- wurde hierzu das EBS-System (Easy Boarding System) - erfunden, das es erlaubt,
ähnlich wie ein Schiff ins Trockendock, in die Rettungsinsel zu gleiten, nicht
zu steigen. Das ist für mich der Hauptgrund, auf meinem neuen Schiff eine
KADEMATIC-EBS-Rettungsinsel zu haben.
Richtige
Größe der Rettungsinsel
Fast
alle Erfahrungsberichte von Langzeit-Schiffbrüchigen stimmen in einem Punkt
überein. Die Größe der Rettungsinsel wurde als nicht ausreichend empfunden.
Wie oben schon hingewiesen kommt deshalb dem Umstand, ob auch(!) das Beiboot
gerettet werden konnte, im Ernstfall große Bedeutung zu. Das bedeutet aber
auch, dass es ratsam ist, bei einer Bootsbesatzung von vier Personen eben eine
Sechspersonen-Insel mitzuführen. Damit aber steigt (neben dem Preis) die
Unhandlichkeit und damit die Aufbewahrungsprobleme. Es ist eben alles beim
Fahrtensegeln ein Kompromiss.
Ausrüstung der Rettungsinsel auf
Blauwasserfahrt.
Die Standardausrüstung einer Rettungsinsel, selbst wenn sie
als "offshore" bezeichnet ist, reicht bei weitem nicht aus, um einem
Seenotfall in einsamen Gegenden (das sind 98 Prozent der Weltmeere)
einigermaßen gelassen entgegensehen zu können. Unsere Inseln müssen so
ausgerüstet sein, dass wir einerseits lange(!) überleben können, andererseits
die seltenen Gelegenheiten nutzen können, andere Schiff auf uns aufmerksam zu
machen.
Viele Rettungsinsel-Hersteller oder Wartungsstationen sind bereit, der
Insel kleinere Gegenstände beizupacken. Die größte Sorge wird
und das
fehlende Trinkwasser machen. Der beigepackte Trinkwasservorrat reicht allenfalls
für ganz wenige Tage. Natürlich wissen wir es: Die so oft erzählte Mär vom
Seewassergenuss kann tödlich sein, wenn man sie glaubt. Es gilt also, Wasser
mitzuführen oder selbst herzustellen. Im Container ist kein
Platz, um einen
10-Liter-Kanister, zu verpacken. Also kann dieser nur separat mitgenommen
werden, was in der Aufregung leicht schief gehen kann! Besser ist, es Trinkwasser
selbst herzustellen. Man vertraue nicht auf Regenwasser, das gibt es nur ganz
selten. Auch mit Sonne und Plastikfolie zu kondensieren ist eine Sache zum
Verdursten. Inzwischen gibt es handliche Osmosepumpen (Survivor, runde 1000.-
DM), mit denen in 15 Minuten aus Seewasser ein Becher Trinkwasser hergestellt
werden kann - ohne große Anstrengung. Damit könnten sechs Personen vor dem
Verdursten bewahrt werden können. Das sollte in die Rettungsinsel
Fürs
Essen
sorgt - notdürftig - ein Planktonnetz und Fischzeug.
Um auf sich aufmerksam
zu machen, kann ein Spiegel hilfreich sein
Viel effektiver wäre aber eine
UKW-Handfunke für Batteriebetrieb, nicht für Akkus. Gibt es, klein wie ein
Handy, in den USA für ein paar hundert Mark. Damit können auf Kanal 16 mit
sehr guten Erfolgsaussichten große Schiffe aus einer Entfernung von 10 bis 15
Kilometer angepreit werden. Das könnte die Rettung sein. Das Problem der
Stromversorgung darf auf keinen Fall damit gelöst werden, dass beim Verpacken
frische Batterien in die Funke eingelegt werden. Langzeitbatterien (Lithiumbatterien halten
viel Jahre) müssen absolut wasserdicht verpackt
getrennt von der Funke in der Rettungsinsel sein. Erst im Bedarfsfall werden sie
dann eingelegt.
Wenn dann noch Platz im Container ist, kommt neben einer
zusammengelegten Überseglerkarte noch ein Mini-GPS mit - Batterien, siehe
oben!
Dass
man "seine" persönlichen Medikamente mitpacken
lässt, ist
selbstverständlich. Was jeder brauchen kann, sind Seekrankheitstabletten.
Gerade die heftigen Bewegungen der Insel ("ach wie schön war es auf
unserer Yacht") sind Gift auch für starke Mägen. Und Seekrankheit für
sich mit dem einhergehenden Flüssigkeitsverlust kann unter diesen Umständen
schnell tödlich sein.
Ich hab mich jetzt zwar bemüht,
nur Ausrüstungsgegenstände für den schlimmsten Fall zu nennen, die wenig
Platz beanspruchen. Es wird aber eine ständige Abwägung
geben zwischen Notwendigkeit und nicht vorhandenem Platz
im Container, beziehungsweise in der Rettungsinsel. Unter diesen Umständen wird
man sich speziell bei Langfahrten überlegen müssen, ob es nicht doch besser
ist, einen getrennten Extra-Container griffbereit
für den Seenotfall mit all der genannten Zusatzausrüstung zu haben. Gut
geeignet sind wasserdichten Fünf- oder Zehnliterbehälter
aus Plastik mit großem Drehverschluss. Sie gibt es für wenig Geld in
jedem Baumarkt. Wenn man sich einmal damit abgefunden hat, dass man eben neben
der Insel einen zweiten Gegenstand im Notfall klarmachen muss, ist dies sicher
die bessere Lösung als Insel und Wartungsstation eigens zu belasten. Man ist
erheblich flexibler, kann Ausrüstungsgegenstände jederzeit aktualisieren oder
austauschen, kann Wartungsvorschriften leichter realisieren (Pyrotechnik,
Batterien fürs Funkgerät), und bringt die Rettungsinsel weniger in Gefahr,
durch Zusatzausrüstung (Werkzeug etc) zu beschädigen. Oft wird man auch mit
fortschreitender Erfahrung andere "Überlebensgegenstände" für
unverzichtbar halten als noch bei der Planung einer Weltumsegelung.
Ein
großer Vorteil spricht besonders für den Extra-Container. Er nimmt in der
Rettungsinsel keinen wertvollen Platz weg. Denn er ist schwimmfähig,
kann also an einer Sorgleine auch außerhalb der Insel schwimmen oder wird im
ebenfalls geretteten Beiboot untergebracht.
Zu guter Letzt:
Zahlreiche Seenot-Fälle in schwerem
Wetter haben immer wieder bestätigt, dass der Mensch dazu neigt, sich durch
Flucht davonzustehlen und die Rettungsinsel zu besteigen. Tatsächlich hat sich
die Lage der nunmehrigen Schiffbrüchigen meistens dadurch dramatisch
verschlechtert. Die Yacht, solange sie noch schwimmfähig ist, darf deshalb
unter keinen Umständen verlassen werden. Eine noch so gute und große
Rettungsinsel ist immer nur eine schwache Lösung in der äußersten Not.
Niemals die Yacht verlassen!
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