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Langfahrtsegeln mit der THALASSA - Kurs West!
Eigentlich geht es jetzt erst richtig los! Immer
noch heißt unser Ziel "Südsee". Ursprünglich haben wir ja daran
gedacht, die Route durchs Mittelmeer, von da durchs Rote Meer, zu nehmen, doch
sind wir aus guten Gründen davon abgekommen. Wir haben dadurch nichts verloren
- Zeit kann man beim Langfahrtsegeln gar nicht verlieren - , sondern sind durch
ein herrliches halbes Jahr in einem der Traumreviere, nämlich in der Türkei,
belohnt worden. Und, ganz nebenbei, wir haben unsere THALASSA weiter
kennen gelernt und auf unsere Zwecke zugeschnitten. Jetzt aber, da wir im Herbst
über den Atlantik segeln wollen, liegen runde 2000 Meilen "Rückweg"
zum Ende des Mittelmeers vor uns, die wir schon hinter uns geglaubt haben.
Donnerstag, der 20.9.01 -
Geisterhafen
Dienstag, der 18.9.01 -
Meteorologen - Meteorolügen
Samstag, der 15.9.01 -
einäugig
Donnerstag, der 13.9.01 -
Bordroutine
Dienstag, der 11.9.01 -
1000 Meilen gegenan
Samstag, der 8.9.01 -
Schreck in der Morgenstunde
Freitag. der 7.9.01 -
Kreta und Lybien im Süden
Samstag, der 1.9.01 - Abschied
von der Türkei
1.9.01 - Abschied von der Türkei
Selten
ist es uns so schwer gefallen, ein Segelrevier zu verlassen. Ach was, was sage
ich, "Segelrevier"! Das ist untertrieben. Die Türkei, wie wir sie
kennen gelernt haben, ist viel mehr als nur ein lohnenswertes Gebiet für einen
Segelurlaub. Es sind die Menschen, die an erster Stelle alles so
liebenswert machen. Unvergesslich zum Beispiel mein Friseurbesuch in Göcek:
Ismail hat ein Gesicht wie Omar Sharif und
ist so groß, dass er mit dem Kopf fast an der Zimmerdecke anstößt. Zwei
Ventilatoren fächeln Luft, aber die spüre ich nicht, weil Ismails Riesenhände
mein Gesicht ins Wasser drücken. Dann wird meine Schädeldecke massiert und
schließlich nähert sich Ismail mit einer kleinen lodernden Fackel meinen
Ohren. Um meinen Protest kümmert er sich wenig, hält mir die offene Flamme an
die Ohrmuschel. Es brandelt in dem kleinen Friseursalon und bevor die Flamme
mich richtig schmerzt, gibt es ein paar Schläge mit der flachen Hand auf die
Ohren.
„Tea?“, fragt Ismail. Das ist das erste Wort, das er
an mich richtet. Ein kleiner Junge bringt auf einem dieser patenten
Einfinger-Tabletts vier Tassen Tee, auch für Carla und Segelfreund Karl-Heinz,
der auf seinem 37-Fuß-Prout-Katamaran IRKA schon seit sechs Jahren in der Türkei
und ihm habe ich auch den Tipp mit Ismail zu verdanken. Dann setzt der Friseur
seine Arbeit auf meinem Schädel fort: Haare waschen, Ohren ausputzen, Schulter
massieren, Wässerchen ins Haar. Endlich, nach einer Stunde vielleicht, tritt
Ismail zurück und hält mir den Spiegel in den Nacken. „Du bist der beste
Friseur, bei dem ich jemals war!“ Ich meine es ehrlich. „Gib, was Du
willst!“ Sechs Mark zahle ich.
Es
ist nicht die sechs Mark - zu Hause werde ich immer fünfzig Mark los -, was den Friseur von Göcek so
unvergesslich
macht. Es ist die Güte der Menschen, die wir getroffen haben, ausnahmslos.
Nicht einmal haben wir mit "den" Trüken schlechte Erfahrungen
gemacht, nicht einmal brauchten wir unseren Kat abends absperren, wenn wir in
eine der zahlreichen preiswerten Locantas zum Essen gegangen sind. Dort, wo die
Einheimischen ihre einfachen Mahlzeiten einnehmen. Sie können sich kein
Fischessen für 100 Mark leisten, wie es den Chartercrews in den Restaurants
vorne an der Pier angeboten wird. Wie sollte der Bauer vom Markt, der mit
Knoblauch handelt, das bezahlen können.
"Wie
viel
Kilo Knoblauch möchtest Du?" fragt er Carla. "Was nur einen einzigen,
nicht ein Kilo?" Carla braucht nicht mehr, weil Knoblauch bei uns in der
Pantry nur spurenweise eingesetzt wird. Der Bauer schüttelt lächelnd den Kopf,
öffnet die Tasche von Carla und legt einen Knoblauch rein. Einen Moment
zögert er, dann gibt er noch einen zweiten dazu. Nein, Geld möchte er nicht,
das ist doch schließlich nichts, ein einziger Knoblauch.
Die
letzten Tage verbrachten wir in Marmaris. Die schöne Netsel-Marina mit ihren
200 Mark Liegegebühren (pro Tag) sparten wir uns. Wir legten uns draußen, vor
der Marina, vor Anker. An unser Banana-Boot hatten wir den 5PS-Toahtsu montiert.
Die Leute staunten nicht schlecht, als wir die eine Seemeile nach Marmaris in
Gleitfahrt mit dem fexiblen Plastikboot jeweils in ein paar Minuten
zurücklegten und genau da in Stadt anlegten, wo wir hinwollten. DA kamen wir schneller als mit dem preiswerten Bus, dem Dolmusch, in die Stadt
- und bequemer, von Tür zu Tür sozusagen. So
konnten wir auch auf einfache Art ausklarieren, obwohl ich den freundlichen
Beamten vom Zoll fragte, wann denn diese Formalitäten etwas einfacher
gestaltet würden. "Nächstes Jahr, da wird alles einfacher!"
In
ein paar Jahren wollen wir wieder zurück sein, in der Türkei.
Wir
hatten nicht bereut, unsere Pläne geändert zu haben. Über das Rote Meer
hörten wir nur noch Schauergeschichten. Der Engländer Stuart mit seiner
neuseeländischen Frau besuchte uns am letzten Tag auf der THALASSA. "Wir
schauen uns alle Katamrane an, denn, wenn wir unsere neuseeländische
42-Fuß-Sloop verkauft haben, dann muss es ein Katamaran sein. Ein kleinerer,
das Geld, Sie verstehen".
"Aber
wenn Sie ein Schiff kaufen, dann haben Sie mit Bargeld in der Hand alle Trümpfe
in der Hand. Ein Gebrauchtes ist heute so gut wie unverkäuflich!"
versuchte ich ihm Mut zuzusprechen, erreichte aber genau das Gegenteil.
"Wem
sagen Sie das, ich muss zunächst meine Kiwi-Yacht loswerden und in Europa -
ohne CE-Zeichen - ist das so gut wie unmöglich - stupid Europe!."
Wie
recht er doch hatte. Europa ist kleinbürgerlich geworden. Er war am Ende seiner 12-jährigen Weltumsegelung und
entsprechend abgeklärt: "Das Rote Meer hat uns gereicht. Wir sind heil
durchgekommen, immer im Konvoy mit einem Dutzend anderen Yachten. Der drüben,
der Franzose hatte das Pech, überfallen zu werden. Aber es ist eigentlich
nichts geschehen, außer, dass sie vollständig ausgeraubt wurden und die
Piraten zum Nachdruck ihrer Forderungen mit den Kalaschnikows ein paar Garben
ins Rigg geschickt haben. Und die Frau hat furchtbare Angst gehabt, dass ihr die
Piraten die Finger wegschneiden, weil sie nicht gleich die Ringe runtergebracht
hat. Die machen das mit Methode. In den Häfen werden sie schon ausspioniert und
die Informationen dann per Handy an die Piraten weitergegeben, die dann ein oder
zwei Tage später zuschlagen!"
Als
unsere "Destination" gab ich beim Hafenkapitän "Gibtaltar" an. Wo das
sei, wollte er wissen, in Griechenland?
Ob
wir direkt dorthin segeln, wissen wir jetzt noch nicht, aber wir schaun mal, wie
weit wir kommen. Das Problem ist nicht die Entfernung, sondern die Wetterlage.
Mir Rückenwind ist überhaupt nicht zu rechnen, sondern hauptsächlich mit
Winden aus Nordwest, speziell in der Ägäis mit dem vorherrschenden Meltemi,
der einer der Gründe ist, warum wir dort nicht segeln. Aber jetzt müssen wir
durch.
Zu
Beginn herrscht noch Flaute und ich kann motorend das Schiff für die
weite Reise noch herrichten, also Beiboot zusammenlegen, Luken schließen,
Außenborder versorgen und so weiter. Die Wassertanks haben wir noch fast leer
gemacht, denn damit sparen wir eine halbe Tonne Gewicht und dank unseres
Watermakers können wir ja jederzeit Wasser produzieren.
An
der ersten Huk, bevor wir den Meltemi spüren, ruft mich am Handy Karl-Heinz
von der IRKA an. Er ist, entgegengesetzt, auf dem Weg nach Marmaris. Der
kommt mir gerade recht. Ich hab noch eine türkische Ptrepaid-Karte mit ein paar
Millionen Lire drauf, die ist in ein paar Meilen für mich wertlos. Auf Kanal 69
verabreden wir ein Treffen und die Übergabe der Simm-Karte und ein paar alter (Tages-)Zeitungen
klappt per Bootshaken und Plastiktüten von Kat zu Kat. "Auf Wiederehen
in vier Jahren" rufen uns Iris und Karlheinz nach.
Dann,
ganz sachte, beginnt sich das Wasser zu kräuseln und bei 12 Knoten Wind ziehen
wir das Tuch hoch, lassen aber eine Maschine mitlaufen, um Höhe zu gewinnen.
Die brauchen wir die nächsten Tage, denn der Meltemi entlässt uns nur hoch am
Wind aus seinem Reich.
Es
geht...
THALASSA als Katamaran
kommt nur bis zu einem Winkel von 60 Grad an den
Wind, dann ist Schluss, und zwar sehr deutlich. Der Zeiger am Speedometer sagt
alles, wenn er in Sekunden auf fast Null zurückgeht. Dafür
rauscht es bei 70 bis 60 Grad am Wind und des öfteren knabbert die THALASSA an
der Neun-Knoten-Marke, bei nur vier Windstärken. Dieses
Geschwindigkeitspotential eines Fahrtenschiffes lässt auch den Wendewinkel von
120 Grad vergessen. Wir erinneren uns an unsere alte THALASSA II, eine
15-M;eter-Stahlyacht. Natürlich ist sie höher an den Wind gegangen, hat sich
dann aber in der Ozeanwelle schnell festgestampft und bei der Etmals-Abrechnung
sind dann auch keine sehr viel anderen Wendewinkel rausgekommen.

7.9.01 -
Kreta und Lybien im Süden
Wegen
Kreta gab es Diskussionen. Carla hatte sorgfältig den Törn geplant und
Ihre Strategie war es, sozusagen den Windschatten von Kreta auszunutzen, um auf
der Leeseite unter Maschine dem Meltemi davonzuschleichen. Aber als ich beim
Abbiegen nach Westen merkte, dass ich - auch mit Maschinenhilfe - ganz schön
Höhe schinden konnte, widerstand ich der Versuchung nicht. "Jetzt sind wir
mitten drin in der Scheiße", meinte Carla böse, als die THALASSA laut
tosend gegen 25 Knoten Wind in die Steile See hackte.
Die
Stimmung wurde bei mir erst wieder besser, als der Wetterbericht per RTTY
(Fernschreiben) auch für Kreta-Süd fünf Beaufort aus Westen gab.
Obwohl
wir nicht schlecht vorankamen, wurde es richtig ungemütlich. Die Bolzerei
gegenan hatte zur Folge, dass Seewasser wogen weise seinen Weg bis ins Cockpit
fand, sodass man sich jedenfalls nirgendwo sicher im Trockenen wähnen konnte.
Noch immer stand das Thermometer bei 30 Grad, was bei den absolut wasser-, und
damit luft-dichten Luken zu einer schwer erträglichen Luftschwüle unten in
den Kabinen führte.
Eine
der über 30 Luken aber hatte ich vergessen, was äußerst unangenehm war. Ich
hatte zwar vor dem Absegeln alle Luken "auf zu" kontrolliert, aber
dummerweise übersehen, dass bei einer nur der eine von zweien Knebel zugedreht
war. Die Folgen waren nicht so harmlos, wie man meinen könnte: Am zweiten Tag
bemerkte ich in der Gästekabine etwas Wasser auf dem Boden. Nicht schlimm, die
paar Tropfen, aber alarmierend, denn die THASLASSA ist ein "absolut
trockenes" Schiff. Bei näherem Hinsehen ergab sich nämlich, dass
fortlaufend überkommende Seen auch ihren Weg durch die nachlässig geschlossene
Luke gefunden hatten. Und ausgerechnet dorthin, wo wir unsere Büchervorräte
aufbewahren. Um es kurz zu machen: Ein Schaden von vielen hundert Mark, denn die
Druckwerke, nunmehr nasse Schwämme aus Zellulose, mussten der See
geopfert werden. Allein die Gebrauchsanweisung für den Watermaker konnte Carla
retten, indem sie zwischen jede Seite eine Seite Zeitungspapier einlegte und
solange blätterte, bis die Gefahr des Verklebens gebannt war.
Ungut waren auch die Schiffsbewegungen. Klar, wenn man
die konfusen See heranrollen sah, konnte das zu keinen harmonischen Bewegungen
führen, denn der Kat musste die Seen ja nehmen, und das jeweils zweimal - mit dem
Bachbordbug und dem Steuerbordbug. Ein wildes Hehopse kam da heraus, und ich
fragte mich, wer das wohl schön finden würde. Ich jedenfalls nicht, und wer
das Gegenteil behauptet, ist wohl ein Masochist. Das einzig Schöne an dieser
Art von Segelei ist die Tatsache, dass es ja mal aufhören muß und das
Gebolze einer rauschenden Fahrt bei Backstagsbrise mit über 10 Knoten folgen
wird.
Aber
im Moment sieht es nicht danach aus. Fast eine Woche sind wir jetzt unterwegs,
und nicht eine Sekunde lang konnten wir die Schoten etwas fieren. Wir sind schon
froh, wenn wir nicht gegen eine Kreuzsee segeln, sondern wenn das Holpern und
Polternm einigermaßen rythmisch ist.
Unzufrieden
mit dem Weggewinn sind wir nicht. Bei den gegebenen beständigen Westwinden sind
wir ohnehin weit gekommen. Malta, Bizerte, Monastir hatten wir uns als mögliche
Zwischenstopps ausgesucht. Aber mit Malta wird es wohl nichts. Der Wind hat uns
zu weit nach Süden gedückt und auf Tripolis haben wir keinen Appetit. Schaun
mer mal...

8.9.01 -
Schreck in der Morgenstunde
Es
ist wie verhext, gleichgültig auf welchem Bug wir segeln, es ist immer der
falsche. Logisch, bei einem Generalkurs Nordwest und Wind aus Nordwest passt
nichts zusammen. Die Wettervorhersage ist auch nicht ermutigend, gleichgültig
ob ich sie vom (ausgezeichneten) ORF oder vom Deutschen Wetterdienst beziehe,
das Ergebnis ist immer das Gleiche, seit einer Woche den Wind auf die Nase!
Dabei wären wir ja flexibel, wir könnten Monastir oder Malta anlaufen oder
gleich die Straße von Sizilien ansteuern.
Gemütlich
ist es jetzt nicht mehr, alles ist voll Salz. Nicht mal das Cockpit bleibt
trocken, denn ständig hüllt sich die THALASSA in einen salzigen Sprühnebel
ein, wenn sie bei 30 Knoten Wind - von vorne natürlich - in die Seen kracht.
Manchmal nehmen wir durch Reffen die Geschwindigkeit raus, bringen sie von neun
auf sechs Knoten, nur um die Wucht des Einsetzens zu mildern. Da erzähle man
mir nochmals die Story vom Gegenangehen bei neun Windstärken: Bullshit!
Gegen
drei Uhr morgens binde ich zwei Reffs ein, drehe die Genua zur Hälfte weg.
Statt mehr Ruhe im Schiff habe ich ein seltsames knarzendes Geräusch vom
Vorschiff, das sich beim Einsetzen der Rümpfe jedes mal verstärkt. Ich robbe
nach vorne und im Schein der Taschenlampe sehe ich die Bescherung unter dem
Netz: Die Halterungen, zwei Blöcke, dei den "Bugsprit" für den
Spinnaker, so eine Art Klüversprit, nach vorne fixieren sollen, sind unter der
Wucht überkommender Seen weggebrochen.
Nicht
tragisch, aber so kann ich den Alu-Baum nicht nach unten baumeln lassen, wer
weiß, was der beim Nachschleppen zwischen den Rümpfen alles anstellen kann?
Was am Ankerplatz eine spielerische Angelegenheit für fünf Minuten (Austausch
eines Blocks) wäre, ist hier ein Stundenjob am Abgrund. Denn zum Anbringen
eines neuen Blocks müsste ich zum vordersten Ende auf dem Baum nausrutschen,
was aber nicht nur wegen dem Seegang unmöglich ist, sondern vor allem, weil der
Baum nicht mehr nach vorne, sondern senkrecht nach unten zeigt - wenn ihn nicht
gerade eine See nach achtern mitschleift.
Also:
Genua weg, beidrehen! Trotzdem wirft mich im Netz vorne alle 15 Minuten eine
durchlaufende See in die Höhe, bis mich der Sicherheitsgurt jeweils wieder auf
den harten Boden der Tatsachen zurückholt. Mit mehreren Leinen gelingt es mir,
provisorisch den Baum nach vorne zu richten, so dass ich mit sehr mulmigen
Gefühl auf dem Bauch nach vorne rutschen und tatsächlich eine Leine am
Baumende einscheren kann. Schon nach zwei Stunden hab ichs geschafft! Selten hat
ein Bier so gut geschmeckt. Ein türkisches Efes!
11.9.01 -
1000 Meilen gegenan
Jetzt
sind wir genau 10 Tage unterwegs und bolzen im Golf von Tunis herum. 10 Tage
lang haben wir nicht ein einziges Mal die Großschot fieren können, segelten
immer hoch am Wind. Und wie jeder Segler weiß: Das ist höchst unangenehm, auch
bei lächerlichen vier Windstärken.. Die Yacht setzt fortlaufend in die Seen
ein, als ob sie sich ausgerechnet da festbohren möchte. Je schneller sie ist,
umso heftiger ist das Einsetzen. Denn die Seen werden ja nicht deswegen flacher,
sanfter, weil da ein Katamaran ankommt. Vielleicht hat Klaus doch recht, wenn er
meint: "Jeder Tag auf See ist ein verlorener Hafentag!" Trotzdem: Ein
Schnitt von fast 100 Meilen am Tag unter diesen Umständen ist zufriedenstellend
- und unsere Spritvorräte sind fast unangetastet.
Nochmals
Vergleich Einrumpf-Fahtenyacht gegen Fahrten-Kat: Mit dem Mono gehe ich höher:
Die Wucht der Schläge ist ungefähr diesselbe wie beim Kat, weil der die Seen
zwar nicht ganz so vierkant nimmt, aber eben um ein Drittel schneller ist. Im
Endeffekt kommt es aufs Gleiche raus, was die Angelsachsen so ausdrücken:
"Gentleman dont go to windward!"
Aber,
die Stimmung an Bord ist trotzdem gut, obwohl in allen Wetterberichten - wir
bekommen sie viermal am Tag - der Buchstabe "E" für Ostwind nicht
auftaucht. Das ganze Mittelmeer ist "W-NW". Carla hat herausgefunden,
dass üblicherweise an der Nordküste Algeriens mit "NE" zu rechnen
ist. Wäre schön, sogar Flaute, eine bleierne, würde uns jetzt besser
gefallen.
Wie
erklärte uns Klaus das Mittelmeer-Windsystem? Vier verschiedene Winde gibt es
hier: Der Zustarkewind, der Zuschwachewind , der Garkeinwind und schließlich
der Vonvornewind. Den haben wir seit 1000 Meilen.
13.9.01
- BordroutineDas war ein Kampf durch die
Straße von Sizilien! Fast jeder Schlag, den wir gemacht haben, war
"falsch", wie uns die anschließenden Winddrehungen gezeigt haben.
Ständig waren wir in der Klemme zwischen der tunesischen Küste und dem nicht
abreißenden Strom der Berufsschifffahrt. Und das Ganze in der Nacht. Bei jedem
Schlag hab ich mich ausgezogen, denn beim Einwinschen der Genuaschot erntete ich
jeweils eine Ganzkörperdusche. Ölzeug? Ziemlich sinnlos auf so einem langen Törn, denn
das kriegt man nicht mehr trocken. Besser war es schon, sich nach der
Salzwasserdusche mit Süßwasser abzuwaschen und zu frottieren.
Bei 6 Bft - von vorne - hatten
wir das Groß zweimal gerefft und die Genua ziemlich weggedreht. Freilich der
Gewinn an Höhe war enttäuschend mager, was wir jedes Mal realisieren mussten,
bevor wir vor dem Verkehrstrennungsgebiet abdrehten.
Am frühen Morgen waren wir
durch den Engpass zwischen Sizilien und Afrika und der Wind flaute ab, als wir knapp an der tunesischen Küste wieder
auf Westkurs gingen. Der Wind, immer noch von vorn, passte gerade, um
gemütlich an dieser verlassenen, von keinem Hotel verunzierten Küsten entlang
zu bummeln.
Gelegentlich lag - ohne
Vorwarnung - ein Fels im Wasser, aber nautisch stellt das Gewässer keine
Schwierigkeit dar. Viele Meilen weit lässt sich hier in seichtem Wasser mit
weniger als 100 Metern Wassertiefe dahinzuckeln. Die wenigen Untiefen sind zwar
nicht betonnt, aber mit GPS und Karte kann man sie nicht übersehen. Freilich
der Schein trügt, ich kenne mindestens eine deutsche Yacht, die hier gestrandet
ist - der Einhandsegler war eingepennt und hatte den Wecker nicht gehört. Er
hat Glück gehabt, die Yacht beachte an einem menschenleeren Badestrand und
nicht zwischen den ebenfalls vorhandenen Riffklippen.
Wir werden ungefähr einen
Schnitt von 100 Meilen am Tag halten können, was in Anbetracht der erwarteten
Gegenwindlage doch ganz beachtlich ist. Freilich anstrengend ist diese Art der
Segelei schon. Die größte Belastung ist der dichte Schiffsverkehr, der
fortwährend Aufmerksamkeit verlangt. Dementsprechend haben wir die Wachen im
Zweieinhalbstunden-Rythmus eingeteilt. In der Nacht jedenfalls, untertags
schläft der, der das Gefühl hat, er braucht es (das bin häufig ich). Heute
hat sich Carla ausnahmsweise am späten Nachmittag hingelegt und ist gegen
sieben Uhr abends wieder aufgestanden, worauf sie sich sofort in der Pantry
betätigt hat. Ich dachte an einen Scherz, als ich dann von oben den Ruf hörte:
"Frühstück...!"
Eine Tasse Kaffe und ein paar
Marmeladenbrote warteten im Cockpit auf mich, statt des üblichen Sundowners.
Lange konnte Carla nicht glauben, dass sie Opfer einer inneren
"Zeitverschiebung" geworden war. Oder wie soll man das sonst nennen?
Ship-Lag?
15.9.01
- einäugigWochenlang
hieß es im Wetterbericht nur: "West...Südwest...Nordwest". Die
neuesten Meldungen per Fernschreiben klingen gut: "S 0-2" und NE 5 bis
6, später 7". Wenn es nur stimmen würde.
Tatsächlich
schläft der Westwind endlich ein und wir starten in der Flaute die Maschine.
Jawohl, nur eine Maschine benutzen wir, wegen Spritersparnis. Mit dem einen
Diesel laufen wir bei 2300 RPM fast fünf Knoten und brauchen ganze zwei Liter.
Das andere Extrem wäre die Höchstgeschwindigkeit unter zwei Maschinen mit 9,5
Knoten und einem Stundenverbrauch von gut über 10 Liter, also das Fünffache.
Gegen
abends nimmt die Sichtweite dramatisch ab, es herrscht kein Nebel, aber weiter
als zwei Meilen können wir nichts mehr erkennen. Kein Schiff um uns herum! Das
eingeschaltete Radar belehrt und eines Besseren, zeigt 15 dicke Echos auf dem
Schirm. Gut, dass wir jetzt unter Maschine ziemlich beweglich sind, so dass wir
beliebige Kurse laufen können, um den Biggies aus dem Weg zu gehen. Ich halte
unter diesen Umständen nicht viel davon, auf dem Wegerecht zu beharren, denn
hierfür ist Voraussetzung, dass der andere mich überhaupt sieht. Und da hab
ich große Zweifel, dass die THALASSA auf dem Radarschirm der Großen aus mehr
als zwei Meilen auszumachen ist. Radarreflektor? Klar, hab ich einen im Rigg,
zur Selbstberuhigung ("schließlich hat man alles getan...") ist er
bestens geeignet, laut Berichte über UKW von den Großen, nutzt er nichts.
Damit ist er nicht schlechter als die meisten Radarreflektoren. Die YACHT hat
vor vielen Jahren einen Testbericht über diese Dinger gemacht. Dabei hat ein
einfacher Küchendeckel besser abgeschnitten als einige Markenfabrikate.

Die
Konsequenz? Sich nicht drauf verlassen, dass man gesehen wird und mit
großzügigen Kursänderungen bei schlechten Sichtverhältnissen der Frage
"Wer hat Wegerecht?" aus dem Wege gehen. Ein Beispiel: Wenn die
THALASSA 6 Knoten und der Gegenkommer nur 12 Knoten läuft, dann bleiben bei
einer Sicht von zwei Meilen nur sechseinhalb Minuten zum reagieren. Wenn der
Wachhabende auf dem Kollisionsgegner da gerade ein frisches Bier aus der Messe
holt, könnte auf meinem Grabstein stehen: "Er hat Wegerecht
gehabt..."
Guter
Wetterbericht: Endlich setzt der Ostwind ein, schnell ereicht er die
prognostizerten 30 Knoten. Platt vor dem Wind setzen wir die Genua und sonst
nichts. Das reicht bei unserer kleinen Mannschaft und dem starken
Schiffsverkehr. Das Groß würde kaum was bringen, denn es würde die Genua
abdecken. Schneller als acht Knoten werden wir nicht, platt vor dem Wind ist ein
Kat nun mal so träge wie eine Einrumpfyacht. Den ungünstigen Kurs gibt uns an
Steuerbord die Großschifffahrt vor, an Backbord die Küste Algeriens. Noch 360
Meilen nach Gibraltar...
18.9.01
- Meteorologen - Meteorolügen
Vom Wetter her
sollten die letzten paar hundert Meilen ein Kinderspiel werden. Ganz detailliert
lautete die Vorhersage noch vor zwei Tagen "NE 5-6". Hart, aber in der
Richtung optimal!
Dann
die erste Enttäuschung: Statt NE 5-5 kommt der Wind aus SW, was immer noch
passen würde, aber in der Stärke bläst er zuviel des Guten. Bis zu 45 Knoten
kachelt es in unsere handtuchgroße Genua hinein, der Speedo zeigt zweistellige
an. Nichts wie weg mit dem Tuch mitten in der Nacht!
Auch
die nächste Vorhersage geht noch einigermaßen: Die früheren vorhergesagten
"NE 5" haben sich plötzlich in Luft aufgelöst, stattdessen soll eine
kurzzeitige Phase umlaufende Winde dann endlich wieder den starken östlichen
Winden weichen. So halten wir also an unserem vorläufigen Ziel Gibraltar (oder
die kurz zuvor liegende Marina Smir in Marokko) fest. Bei Westwind wäre es
ziemlich sinnlos in der vielbefahrenen Alboransee mit ihren starken
Gegenströmungen weiter nach Westen zu bolzen, da bietet sich für ein paar Tage
ein kleiner Hafen an der marokkanisch-algerischen Grenze an.
Kaum
liegt die Grenze achteraus, beginnen die Wanten zu singen: WEST 5 bis 6. Das ist
der ungünstigste Wind, aber jetzt müssen wir durch und weiter. Ich bin
stocksauer auf die Wetterfrösche. West 6 hat nun gar nichts mit den
prognostizierten "NE5-6" zu tun, ist grundfalsch.
Da
fragt man sich schon, was diese Wissenschaft wert ist, die sich so vieler
Messdaten und Blicke von Satelliten bedienen kann und dann mit ihren
Millionen-Computern doch so danebenhaut. Ich könnte mir vorstellen, dass Madame
Tessier eine erfolgreichere Meteorologin abgeben würde, denn die Trefferquote
von Astrologen kann ja kaum schlechter sein. Ich erinnere mich an die Zeiten, wo
es für Piloten noch eine individuelle Wetterberatung gab, ja Pflicht war. Wenn
der Wetterfrosch in Hamburg das Wetter für Hamburg-München für "unfliegbar"
einschätzte, haben wir solange das "Wetter" auf den Flugplätzen an
der Strecke abtelefoniert, bis wir eine günstige Prognose für den Flug
bekommen haben.
Tatsache:
Wenn ich mir für diesen ganzen Törn täglich die Prognose
"Westfünf" selbst gegeben hätte, was aus den Pilot Charts als
Durchschnitt für den September rausgelesen werden hätte können, so wären die
Prognosen besser und treffsicherer gewesen, als die auf allen möglichen Sendern
eingeholten detaillierten Prognosen.
Jetzt
sind es noch 75 Meilen bis Smir. Der Wind kommt, logisch, genau von vorne und
ich muss aufhören zu schreiben. Es ist Zeit für den Wetterbericht...
19.9.01 - Geisterhafen
Auch die letzten Stunden war der Wetterbericht voll daneben. Immer
wieder versprach er Nordost, den wir uns 20 Tage lang sosehr gewünscht hatten,
so als ob er ihn herbeibeten wollte. Stattdessen fünf - natürlich gegenan.
Dann endlich am Mittwoch nachmittags Flaute, damit wir wenigstens die Maschine
benutzen konnten. Aber für den Hafen, die Marina Smia in Marokko, 26 Meilen vor
Gibraltar, war es zu spät. "Pünktlich" zum Einbruch der Dunkelheit
standen wir 15 Meilen vor der Einfahrt. Carla und ich waren uns einig, dass wir
halt die Zeit bis zur Morgendämmerung totschlagen müssten. Denn in einen
unbekannten Hafen bei Neumond nachts einlaufen, musste nicht sein.
Also motorten wir mit 2 Knoten vor der Einfahrt, klar im Radar
auszumachen, auf und ab. Plötzlich waren wir von grellem Scheinwerferlicht
angestrahlt. Ein Marineboot, keine 30 Meter entfernt, machte sich klar, Männer
überzusetzen. Sie schrien: "What is Your destination?" Mit meiner
Antwort waren sie nicht zufrieden: "Aber Smia liegt doch da
drüben???" Sie kapierten es nicht, ließen uns aber zufrieden, nachdem wir
die Nationale im gleißenden Licht gesetzt hatten.
Dies ist eine heiße und berühmte Gegend, was die Schmuggelei
nach Gibraltar angeht und so wollten wir die Hüter des (marokkanischen)
Gesetzes nicht weiter verwirren, drehten nach Smia ab. Die Mariners folgten uns
in einer halben Meile, wie wir im Radar gut sehen konnten. Erst als wir
achteraus ein unbeleuchtetes Speedboot röhren und über die spiegelglatte See
klatschen hörten, drehten sie ab, um sich auf die kriminellen Objekte zu
konzentrieren.
Die vorsichtige Einfahrt bei Nacht in den leeren großen Hafen bei
Windstille war dann doch einfacher als erwartet und um ein Uhr lagen wir
längseits am hellerleuchteten Besucherkai. Niemand war da, um die Leinen
wahrzunehmen und so sprang ich auf die Pier, ein oder zwei Meter unter mir.
Waren es die zweieinhalb Wochen auf See, oder schlicht die Glätte des
Kunststoffes, die mich abrutschen ließen? Jedenfalls "haute es mich voll
in den Dreck" - wie wir in Bayern sagen. Gerade zwischen Bootsrumpf und
Pier. Nichts passiert, aber kein schöner Empfang.
Smia ist ein merkwürdige Marina. Sie gehört den gleichen
Eigentümern, die schon die berühmte Banus-Marina (Marbella) in Spanien
betreiben. Die Preise haben ähnliches Format, die Architektur ebenso. Aber
merkwürdigerweise ist Smia im Gegensatz zu Banus fast leer. Außer uns sahen
wir am frühen Morgen nur zwei Segelyachten. Trotzdem - es ist schön, wieder im
Hafen zu sein, gleichgültig in welchem, Hauptsache sicher!

1750 Seemeilen (Direktlinie) in siebzehneinhalb klingt nach nicht
viel, unter den gegeben Umständen (siehe auch den Routenverlauf vom Satelliten
bei Tracecare) war es aber viel besser als erwartet. Für den Charter- und
Urlaubs-Segler mag dies mager erscheinen, der verbringt seinen Urlaub aber nicht
gerade damit, dass er sich Gegenan-Kurse aussucht. So hat er gelegentlich einen
geschönten Blickwinkel zur Segelei. Wenn ich mir die einzelnen Schläge
anschaue, dann bin ich überzeugt, dass wir mit unserer früheren (Einrumpf-)THALASSA
mit gleicher Länge für diese Strecke quer durchs Mittelmeer sicher so um die
25 Tage gebraucht hätten.
Demnächst gehts über den Atlantik - nach Amerika.
Noch müde von den harten Wochen auf See schreckte mich das Handy
aus dem Schlaf. Karlheinz aus der Türkei war dran, sie hatten eine neue Lokanta
entdeckt, wo sie abends zu viert für neun Mark gegessen hatten. Und News gab es
von Klaus und seiner TakaBora, der mit little John und Hanni ein paar Tage vor
uns ausgelaufen war - "nach Amerika". Wir hatten uns schon Sorgen
gemacht, denn die TakaBora ist genau aus dem Holz, das die Teredowürmer in
Westindien lieben und geradezu verschlingen. Aber: In der Ägäis schon sei der
Mast gekommen und jetzt lägen sie wieder in der Bucht von Marmaris - wie das
ganze letzte Jahrzehnt. "Wer weiß, für was es gut ist?" - wie wir
ebenfalls in Bayern sagen.
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